- Bibliotheksurteile - https://www.bibliotheksurteile.de -

Keine Pflichtabgabe bei zu geringer Auflage I

Gericht: Verwaltungsgericht Trier

Entscheidungsdatum: 21.01.2009

Aktenzeichen: 5 K 698/08.TR

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Der Kläger betreibt einen Verlag, der aufwendig handgefertigte Reproduktionen anfertigt. Jeweils ein Exemplar eines Atlas‘ wurden vom Kläger bei der Bibliothek abgeliefert. Der Kläger stellte einen Antrag zur Bezuschussung der Herstellungskosten nach § 14 Abs. 5 LMG Rheinland-Pfalz . Die Stadtbibliothek Trier verzichtete in Folge dessen auf die Ablieferung der Pflichtexemplare und bat den Kläger, die Werke wieder abzuholen. Dagegen legte der Kläger gerichtlichen Widerspruch ein. Die Klage wurde abgewiesen, da nach § 14 Abs. 1 LMG Rheinland-Pfalz nur Werke abgeliefert werden müssen, die eine höhere Auflage als 10 Exemplare haben.

Instanzenzug:
VG Trier vom 21.01.2009, AZ 5 K 698/08.TR
OVG Koblenz vom 05.10.2009, Az. 2 A 10243/09 [1]

Tenor:
Die Klage wird abgewiesen
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung der vollstreckungsfähigen Kosten abwenden, falls nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Tatbestand:
Der Kläger begehrt einen Zuschuss zu den Herstellungskosten für als Pflichtexemplare übergebene Druckwerke.
Der Kläger betreibt in T. den Verlag „X“. Er beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Reproduktion von Landkarten und Stadtplänen aus Böhmen, Mähren und Schlesien. Die Exemplare werden in Handarbeit endgefertigt und sind nur in geringer Stückzahl absetzbar.
Am 23. Januar 2007 lieferte der Kläger der Stadtbibliothek der Beklagten ein Exemplar des ersten Teils des „Böhmen und Mähren-Atlas“ sowie dazugehörige historische Stadtpläne und Landkarten als Pflichtexemplar (Lieferschein 21014507-02). Er bezifferte den Gesamtverkaufspreis auf 16.804,00 € und beantragte einen angemessenen Herstellungszuschuss.
Am 24. Februar 2007 übersandte der Kläger den zweiten Teil des „Böhmen und Mähren Atlas“ sowie weitere historische Stadtpläne (Lieferschein 21015307-03). Den Gesamtverkaufspreis bezifferte er auf 5.850,00 € und beantragte auch insoweit einen angemessenen Zuschuss.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2007 verzichtete die Beklagte auf die Ablieferung der vom Kläger überlassenen Druckwerke und bat diesen, die Exemplare wieder abzuholen. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen die Vorschrift des § 4 der Landesverordnung zur Durchführung des § 14 des Landesmediengesetzes an und führte aus, sie sei finanziell nicht in der Lage derartige Summen für Pflichtexemplare aufzuwenden. Eine Besprechung mit Vertretern des Ministeriums, des Landesbibliothekzentrums und anderer wissenschaftlicher Bibliotheken habe ergeben, dass in Rheinland-Pfalz derartig aufwändige Nachdrucke, die einzeln auf Anforderung hergestellt würden, nicht gesammelt werden könnten und sollten. Eine Unterstützung des Landes sei demnach ausgeschlossen. Regelungsmotiv des Landesgesetzgebers für die Einführung des Pflichtexemplarrechts sei gewesen, einen möglichst geschlossenen Überblick über das geistige Schaffen im Lande zu erhalten. Dieses Ziel müsse jedoch in einem angemessenen Verhältnis zu den aufzuwendenden Mitteln stehen. Im Einzelfall, insbesondere dann, wenn wie hier ein äußerst aufwändiges Exemplar zum Erwerb stehe, müsse dieses Ziel im Interesse anderer zu finanzierender Maßnahmen jedoch in den Hintergrund treten.
Gegen den Bescheid legte der Kläger form- und fristgerecht Widerspruch ein, zu dessen Begründung er ausführte, in § 14 des Landesmediengesetzes sei eindeutig normiert, dass von jedem Druckwerk, welches in Rheinland-Pfalz verlegt werde, ohne Rücksicht auf die Art des Textträgers und des Vervielfältigungsverfahrens unaufgefordert ein Pflichtexemplar an die zuständige Bibliothek abzuliefern sei. Das Gesetz stelle diese Verpflichtung ohne jegliche Einschränkung fest. Finanzielle Interessen könnten bei den Ermessenserwägungen keine Rolle spielen.
Der Stadtrechtsausschuss bei der Stadt T. wies den Widerspruch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2008 zurück. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, der Verzicht auf die Ablieferung von Pflichtexemplaren sei rechtmäßig. Er sei insbesondere vor dem Regelungsmotiv des Gesetzgebers, einen möglichst geschlossenen Überblick über das geistige Schaffen im Land Rheinland-Pfalz zu erhalten, gerechtfertigt. Dieses Ziel müsse in einem angemessenen Verhältnis zu den aufzuwendenden Mittel stehen. Die Bibliothek könne der Erfüllung ihres Bildungsauftrags nicht mehr nachkommen, wenn große Teile ihres Etats durch Pflichtstückkäufe gebunden seien. Darüber hinaus bestehe kein öffentliches Interesse an den vom Kläger angebotenen Werken.
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 09. September 2008 hat der Kläger am 09. Oktober 2008 Klage erhoben mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Ergänzend trägt er vor, eine Ausnahme im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Landesmediengesetzes liege nicht vor, da er die Druckwerke „on demand“ verlege. Die Ausnahmevorschrift des § 4 der Landesverordnung zur Durchführung des § 14 des Landesmediengesetzes sei eng auszulegen. Der Begriff „allgemein“ in dieser Vorschrift bedeute, dass nicht in einem Einzelfall auf die Ablieferung von Pflichtexemplaren bestimmter Arten verzichtet werden könne.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids zu verpflichten, für die ihr am 23. Januar 2007 mit Lieferschein Nr. 21014507-02 und am 24. Februar 2007 mit Lieferschein Nr. 210115307-03 als Pflichtexemplare übergebenen Druckwerke einen Zuschuss in Höhe von 50 % der Herstellungskosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft sie die Ausführungen des Ausgangs- und Widerspruchsbescheides.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf den begehrten Zuschuss nach §§ 14 Abs. 5 S. 1, Abs. 6 des Landesmediengesetzes – LMG – i.V.m. § 3 der Landesverordnung zur Durchführung des § 14 des Landesmediengesetz zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Bei den abgegebenen Druckwerken handelt es sich nicht um abgabepflichtige und damit bezuschussbare Exemplare im Sinne des § 14 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 LMG.
Nach § 14 Absatz 1 Satz 1 LMG ist von jedem Druckwerk, das in Rheinland-Pfalz verlegt wird, ohne Rücksicht auf die Art des Textträgers und des Vervielfältigungsverfahrens von der Person, die das Druckwerk verlegt, unaufgefordert unmittelbar nach Beginn der Verbreitung unentgeltlich und auf eigene Kosten ein Stück (Pflichtexemplar) in marktüblicher Form an die von dem für das wissenschaftliche Bibliothekswesen zuständigen Ministerium bezeichnete Stelle abzuliefern. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt diese Abgabepflicht jedoch nicht bei Druckwerken, die in einer geringeren Auflage als zehn Exemplare erscheinen. Gemeint sind damit Druckwerke, für die von vorneherein eine geringere Auflagenstärke als 10 Exemplare vorgesehen ist, wovon bei den Druckwerken des Klägers nach dessen eigenen Bekunden auszugehen ist, da er bisher lediglich die erforderlichen Pflichtexemplare hergestellt hat und eine weitere Herstellung nur „on demand“ vorgesehen ist.
Der Zweck der Pflichtexemplarregelung besteht darin, das gesamte innerhalb des Landes erscheinende Schrifttum vollständig zu sammeln, der Öffentlichkeit bereit zu halten und der Nachwelt zu überliefern. In diesem kulturpolitischen Anliegen hat das Bundesverfassungsgericht (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 1981 – 1 BvL 24/78 -) eine legitime Einschränkung des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes gesehen, wenn unzumutbare (wirtschaftliche) Nachteile für den ablieferungspflichtigen Verleger vermieden werden. Letzterem ist in den jeweiligen Ländern durch den Erlass von Zuschussregelungen Rechnung getragen worden.
Ausgehend vom Zweck der Pflichtexemplarregelung betrifft diese jedoch lediglich solche Druckwerke, an deren Aufbewahrung und Erfassung ein wissenschaftliches oder öffentliches Interesse besteht. Ein derartiges Interesse vermuten die verschiedenen Landesgesetzgeber bei der (herkömmlichen) Herstellungsform von Druckwerken in bestimmter Auflagenhöhe ab einer gewissen Auflagenstärke. Der rheinland-pfälzische Gesetzgeber geht insoweit von einer Auflagenstärke in Höhe von 10 erschienenen Druckwerken aus. Bei einer geringeren Auflagenstärke unterstellt der Gesetzgeber mithin, dass es dem Druckwerk an dem die Ablieferungspflicht auslösenden öffentlichem Interesse an seiner Aufbewahrung fehlt.
Um eine neue, als „publishing on demand“ bezeichnete Erscheinungsform, bei der Druckstücke nicht von vorneherein in einer bestimmten Auflagenhöhe sondern lediglich auf Bestellung hergestellt werden, im Sinne des Gesetzeszwecks sinnvoll von der Pflichtexemplarregelung erfassen zu können, hat der Landesgesetzgeber bei den Ausnahmen zur Ablieferungspflicht in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LMG eine zusätzliche Regelung getroffen. Danach gilt die Ausnahme von der Ablieferungspflicht nicht für Druckwerke, die einzeln auf Anforderung verlegt werden. Diese anscheinende „Ausnahme von der Ausnahme“ muss jedoch ebenfalls vor dem Hintergrund der Gesetzesintention gesehen werden. Um bei dieser Herstellungsform ebenfalls ab Beginn der Verbreitung – und nicht erst bei tatsächlichem Erreichen einer Auflagenzahl von 10 Exemplaren – die Ablieferungspflicht auslösen zu können, musste der Gesetzgeber die Erscheinungsform des „publishing on de-mand“ von der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 1. HS LMG ausnehmen. Insoweit ist in § 2 Abs. 1 Satz 3 der Landesverordnung zur Durchführung des § 14 des Landesmediengesetz dann auch die Regelung getroffen, dass als Beginn der Verbreitung, die gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 LMG maßgeblicher Zeitpunkt für die Ablieferungspflicht ist, das allgemeine Angebot zum Erwerb von Exemplaren gilt. Mithin ist die „Ausnahme von der Ausnahme“ im 2. HS in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LMG nicht auf die im Falle des „publishing on demand“ zu erwartende Auflagenhöhe, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt des Entstehens der Ablieferungspflicht bezogen. Der allgemeine Gedanke des Gesetzgebers, dass erst ab einer bestimmten Auflagenstärke ein öffentliches Interesse an dem Druckwerk vermutet werden kann, sollte mit dieser Regelung hingegen nicht tangiert werden. Geregelt werden sollte vielmehr die Möglichkeit, bei dieser Erscheinungsform bereits vor Erstellung des 10. Exemplars die Ablieferungspflicht auszulösen. Das öffentliche Interesse an dem Druckwerk als maßgeblicher Auslöser der Ablieferungspflicht ist damit jedoch nicht aufgegeben worden.
Mithin unterfallen die aufwändig in Handarbeit hergestellten Einzelstücke des Klägers, die nach dessen eigenem Bekunden auf dem freien Markt aller Voraussicht nach in geringerer Anzahl als 10 Exemplare erscheinen werden, nicht der im 2. HS des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LMG getroffenen Regelung.
Der Kläger erfährt insoweit auch keinen unzumutbaren wirtschaftlichen Nachteil, da ihm die hergestellten und der Beklagten überlassenen Exemplare als wirtschaftlicher Wert verbleiben und gerade nicht (unter Verkaufspreis) abgeliefert werden müssen. Dadurch, dass die von ihm hergestellten Druckwerke von der Pflichtexemplarregelung ausgenommen sind, ist der Kläger von der die Zuschusspflicht auslösenden belastenden Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 LMG gerade nicht betroffen. Mit Wegfall der Ablieferungspflicht entfällt demnach zwangsläufig der Anspruch auf Entschädigung bei unzumutbarer Belastung, da eine den Kläger belastende Maßnahme gerade nicht erfolgt. Der Zuschuss zu den Herstellungskosten eines Pflichtexemplars dient – entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung – nicht dazu, die Herstellung ausschließlich von Pflichtstücken zu ermöglichen, um diese damit über die öffentlichen Bibliotheken der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Vielmehr dient der Herstellungszuschuss ausschließlich dazu, unzumutbare finanzielle Nachteile zu vermeiden, die durch die Herstellung zusätzlicher Exemplare im Falle der Ablieferungsverpflichtung entstehen.
Nach alledem ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Dieses Urteil bookmarken Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.