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Gericht: Oberverwaltungsgericht Münster

Entscheidungsdatum: 14.09.1979

Aktenzeichen: V A 910/78

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Ein verbeamteter Hochschullehrer klagt gegen die Erhebung von Gebühren, die auf Grund der verspäteten Rückgabe entliehener Werke aus der Hochschulbibliothek entstanden sind. Das OVG weist die Berufung des Klägers zurück und urteilt, dass auch Professoren der Gebührenpflicht unterliegen. Es gehöre zu den Pflichten eines jeden Beamten, bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben weder dienstrechtliche noch andere Vorschriften zu verletzen.

Instanzenzug:
– VG Minden vom 24. 02.1978, Az. S K 1707/77
– OVG Münster vom 14.09.1979, Az. V A 910/78

Zum Sachverhalt:

Der Kläger ist ordentlicher Professor an der Fakultät für …  der Universität …  Im Rahmen seiner Tätigkeit als Hochschullehrer benutzte er Bücher der Universitätsbibliothek, von denen er ausweislich eines Computerausdrucks vom …, dessen Richtigkeit der Kläger teilweise bestreitet, … zwölf erst nach Ablauf der Ausleihfristen zurückgab. Unter Hinweis auf § 4 des Gesetzes über die Gebühren an den Hochschulbibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. Oktober 1971 (HBiblGebG), GV NW S 320, iVm § 10 der Benutzungsordnung der Universitätsbibliothek Bielefeld idF vom 16. April 1915 (BenO), AB Uni Bielfeld, S 8, zog der Direktor der Universitätsbibliothek den Kläger deshalb durch Bescheid vom 22. Juli 1977 wegen Überschreitens der Leihfristen zu einer Gebühr in Höhe von 20,– DM heran.

Gründe:

Nach § 2 Nr. 2 HBiblGebG werden für die Überschreitung der Leihfristen bei der Benutzung der Hochschulbibliotheken Gebühren in der in § 4 HBiblGebG bestimmten Höhe erhoben. Die Dauer der Leihfrist ergibt sich aus § 10 BenO.

Entgegen der Auffassung des Klägers begegnen diese Vorschriften keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; insbesondere verstoßen sie, insofern sie auch für Hochschullehrer Leihfristen vorsehen und beamtete Hochschulangehörige in die Gebührenpflichtig einbeziehen, weder gegen Art. 5 Abs. 3 noch gegen Art. 33 Abs. 5 GG.

Zwar ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 GG die Verpflichtung des Staates, den Wissenschaftsbetrieb in seinen Hochschulen so zu organisieren, daß das irgend erreichbare Maß an Freiheit für die Forschungs- und Lehrtätigkeit jedes einzelnen Wissenschaftlers verwirklicht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1973 – 1 BVR 424/71 und 325/72-, BVerGE 35, 79 (121)).

Diese Verpflichtung des Staates, die möglicherweise für die Gestaltung der Benutzungsverhältnisse der Hochschulbibliotheken haben mag, endet jedoch an den Grenzen, die sich aus dem Zusammentreffen der Interessen zahlreicher Grundrechtsträger und aus der Rücksicht auf Bedürfnisse ergeben, zu deren Befriedigung die Hochschule und ihre Einrichtungen ebenfalls berufen sind (vgl. BVerfG, aaO, S 121, 122).

Die Hochschulen haben nicht nur die Pflege der Wissenschaft zur Aufgabe. Sie sind auch Ausbildungsstätten für zahlreiche Berufe und nehmen an der allgemeinen Volksbildung teil (vgl. § 2 der Satzung der Universität Bielefeld). Wie bei der Organisation des Wissenschaftsbetriebs an den Hochschuten allgemein, so muß auch bei der Ausgestaltung der Benutzungsverhältnisse der Hochschulbibliotheken den vielfältigen Interessen der Beteiligten und den unterschiedlichen Funktionen der Hochschulen Rechnung getragen werden. Es liegt auf der Hand, daß die Wissenschaftsfreiheit des einzelnen sich in diesem Spannungsfeld konkurrierender Rechte und Bedürfnisse nicht schlechthin und schrankenlos durchsetzen kann.

Die Regelung der Benutzungsverhältnisse der Hochschulbibliotheken ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG solange nicht zu beanstanden, als sie der aus der erhöhten Verantwortung für den wissenschaftlichen Rang der Hochschulen erwachsenden besonderen Stellung der Hochschullehrer Rechnung trägt. Das ist in der Benutzungsordnung der Universitätsbibliothek Bielefeld geschehen. Angesichts der in § 7 BenO vorgesehenen Möglichkeit, Teile des Bestandes auch in Räumen der Universität außerhalb der Bibliothek zu benutzen und der in § 10 Abs. 3 bis 8 BenO vorgesehenen Möglichkeiten für eine Verlängerung der normalen Leihfrist – insbesondere unter Berücksichtigung der Verlängerungsmöglichkeit ohne besonderen Antrag nach § 10 Abs. 8 BenO – bestehen keine Bedenken dagegen, § 10 Abs. 1 BenO, der die Leihfrist für Monographien auf 30 Tage und für Zeitschriftenbände auf 14 Tage festgesetzt, generell auch auf Hochschullehrer anzuwenden.

Auch Art. 33 Abs. 5 GG ist nicht verletzt. Die §§ 2 und 4  HbiblGebG und die Benutzungsordnung der Universitätsbibliothek Bielefeld enthalten keine Regelung des öffentlichen Dienstes. Nach diesen Vorschriften ist die Ausleihe von Büchern für alle Benutzer der Bibliothek – selbstverständlich auch für Benutzer, die Angehörige des öffentlichen Dienstes sind – generell unentgeltlich. Gebührenpflichtig ist lediglich eine Benutzung unter Überschreitung der Leihfristen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ausleihe in Wahrnehmung dienstlicher Obliegenheiten oder zu ausschließlich privaten Zwecken erfolgt. Entgegen der Auffassung des Klägers hat dies für beamtete Hochschullehrer nicht zur Folge, daß sie für eine zur Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben gehörende Inanspruchnahme der Verwaltung persönlich zu einer Gebühr herangezogen werden. Bei Überschreitung der Leihfristen handeln Hochschullehrer nämlich nicht mehr im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben. Es gehört zu den Pflichten eines jeden Beamten, bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben weder dienstrechtliche noch andere Vorschriften zu verletzen.

Der Kläger hat den Gebührentatbestand auch in seiner Person verwirklicht. Entgegen seiner Auffassung handelt er bei der Ausleihe von Büchern aus der Universitätsbibliothek nicht als Organ des Landes Nordrhein-Westfalen oder der Universität Bielefeld mit der
Folge, daß diese Benutzer anzusehen wären. Abgesehen davon, daß der Kläger bei Überschreitung der Leihfristen ohnehin nicht in Wahrnehmung ihm obliegender Aufgaben handelt, wird er bei einer durch sein Wirken in Forschung und Lehre bedingten Ausleihe von Büchern nicht als Organ des Staates oder der Hochschute tätig.

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erklärt Wissenschaft, Forschung und Lehre für frei. Die Verfassungsbestimmung gewährleistet dem innerhalb oder außerhalb einer wissenschaftlichen Hochschute tätigen Wissenschaftler einen von staatlicher Inferenz soweit wie irgend möglich geschützten Freiraum. Die Freiheitsgarantie erstreckt sich auf jede wissenschaftliche Tätigkeit, dh auf alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Auffindung von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe anzusehen ist (vgl. BVerfG, aaO, S. 112).

Dazu gehört auch die Benutzung wissenschaftlicher Bibliotheken. Der Kläger wird somit, soweit er m Rahmen seiner wissenschaftlichen Betätigung die Universitätsbibliothek benutzt, in einem grundrechtlich geschützten Freiraum tätig, was ein gleichzeitiges Handeln als Organ ausschließt.

Um als Organ des Landes oder der Hochschule diese durch die Ausleihe von Büchern verpflichten zu können, genügen nicht der dienst- und korporationsrechtliche Status des Klägers als Hochschullehrer. Dazu bedürfte es außerdem eines entweder im Organisationsrecht des Landes oder der Hochschute grundgelegten Amtes im funktionellen Sinne, zu dessen Aufgabenkreis die Ausleihe von Büchern für das Land oder die Hochschule gehören würde.

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