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Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Entscheidungsdatum: 16.04.2009

Aktenzeichen: 2 Sa 326/08

Entscheidungsart: Beschluss

eigenes Abstract: Dem Kläger, diplomierter Kulturwissenschaftler und Sachbearbeiter Sondersammlungen in der Universitätsbibliothek Rostock, wurde aufgrund von Alkoholproblemen gekündigt. Dabei wurde ihm zugesichert, dass er bei Teilnahme an einer stationären Therapie weiterbeschäftigt werden würde. Diese Weiterbeschäftigung wurde jedoch entgegen der Zusicherung durch den Arbeitgeber nur befristet durchgeführt und nach einem Rückfall des Klägers wurde die befristete Weiterbeschäftigung nicht verlängert.

Der Kläger hat gegen die Befristung der Stelle Klage erhoben, vor dem Arbeitsgericht wurde ihm Recht gegeben, da die Dienstvereinbarung über den Umgang mit Suchtgefährdeten für einen wiedereingestellten Mitarbeiter bei Vorliegen eines positiven Therapieergebnisses keine Befristung vorsieht.


Instanzenzug:
– ArbG Rostock vom 25.09.2008, AZ 2 Ca 1157/08
– LAG Rostock vom 16.04.2009, Az. 2 Sa 326/08

Tenor
I. Die Berufung des beklagten Landes wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Befristung. Hinsichtlich des Sachverhaltes heißt es in dem Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock vom 25.09.2008 – 2 Ca 1157/08 – wie folgt:

Der am 16.08.1953 geborene, ledige Kläger ist diplomierter Kulturwissenschaftler mit Spezialisierung auf Literatur und seit dem 01.09.1980 bei dem beklagten Land an der Universität Rostock, zuletzt in der Bibliothek in der Abteilung Sondersammlungen, als Sachbearbeiter mit zuletzt einer Vergütung in Höhe von 3.289,31 EUR entsprechend der Vergütungsgruppe EG 11 TV-L tätig.

Infolge der beim Kläger aufgetretenen Alkoholprobleme war ihm mit Schreiben vom 15.11.2006 zum 30.06.2007 (Bl. 7 der Akte) gekündigt worden.

Gleichzeitig mit dem Kündigungsschreiben wird dem Kläger die verbindliche Weiterbeschäftigung über den 30.06.2007 hinaus bzw. für die Zeit danach eine Wiedereinstellung angeboten, wenn „… durch Vorlage eines entsprechenden Abschlussberichtes eines Trägers einer stationären Therapie“ nachweisen, „dass Sie ihre Alkoholkrankheit durch eine erfolgreiche Teilnahme an einer stationären Therapie überwunden haben. … , wenn Sie den Nachweis bis spätestens 30.09.2007 in der vorgenannten Form erbringen. … “

Die Klinik Schweriner See in Lübstorf bescheinigt dem Kläger mit Schreiben vom 25.01.2007 (Bl. 8 der Akte), dass er vom 03.11.2006 bis zum 26.01.2007 eine stationäre Entwöhnungsbehandlung durchgeführt hat und dass aufgrund des Therapieverlaufs und der sich anschließenden Betreuung durch die Caritas in Rostock von einer günstigen Prognose ausgegangen werden kann.

Am 31.01.2007 wurde mit dem Kläger ein Personalgespräch geführt (Bl. 9 der Akte) wegen der zugesagten verbindlichen Weiterbeschäftigung bzw. der Wiedereinstellungszusage bei erfolgreicher Teilnahme an einer stationären Therapie. Der zuständige Dezernatsleiter erklärt in diesem Gespräch am 31.01.2007:

„…, dass die Weiterbeschäftigung bzw. die Wiedereinstellung Herrn F. abhängig von der noch ausstehenden positiven Abschlussprognose der Therapie sei. Bei positiver Prognose wird die Dienststelle Herrn F. einen befristeten Arbeitsvertrag für ein Jahr, mit der Option der Verlängerung für ein weiteres Jahr bei positiver Entwicklung, anbieten. Eine vollständige Rücknahme der Kündigung erfolgt nicht, da die Dienststelle in einem anderen Fall ebenso verfahren hat. Diese Maßnahme setzte Herrn F. auch unter einen gewissen Druck, sein Suchtverhalten zu kontrollieren und damit sein Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden. …“

Mit Schreiben vom 29.05.2007 (Bl. 13 der Akte) wird dem Kläger die befristete Wiedereinstellung zum 01.07.2007 zur Erprobung gem. § 14 Abs. 1 TzBfG zunächst bis zum 30.06.2008 angeboten. Die Fortsetzung des befristeten Arbeitsverhältnisses über den 30.06.2008 wird nach erfolgreicher Erprobung i. S. d. Dienstvereinbarung über den Umgang mit Suchtgefährdeten und Suchtkranken und über Maßnahmen gegen den Missbrauch von Suchtmitteln (DV-Sucht) in Aussicht gestellt.

Am 31.05.2007 unterzeichnete der Kläger einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 30.06.2008 mit Befristungsgrund gem. § 14 Abs. 1 TzBfG (Bl. 11 der Akte).

Mit Schreiben vom 15.11.2007 teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass entsprechend der Verfahrensweise nach der DV-Sucht das Arbeitsverhältnis mangels positiver Prognose mit Ablauf des 30.06.2008 enden wird, da der Kläger am 24.09.2007 einen alkoholbedingten Ausfall hatte.

Auf eine entsprechende Klage hin hat das Arbeitsgericht Rostock durch das vorgenannte Urteil für Recht erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2008 unwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis über den 30.06.2008 unverändert zu den arbeitsvertraglichen Bedingungen unbefristet fortbesteht.

2. Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als vollbeschäftigten Angestellten mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe 11 TV-L (Ost) weiterzubeschäftigen.

3. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird festgesetzt auf 9.867,93 EUR.

In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Beklagte sei unter anderem auch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert, sich auf die vereinbarte Befristung zu berufen. In dem Kündigungsschreiben sei dem Kläger eine Weiterbeschäftigung über den 30.06.2007 hinaus verbindlich zugesagt worden, wenn er erfolgreich an einer stationären Therapie teilgenommen habe. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Dieses Urteil ist dem beklagten Land am 10.10.2008 zugestellt worden. Es hat dagegen Berufung eingelegt, die am 05.11.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines fristgemäß eingegangenen Antrages bis zum 10.01.2009 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 12.01.2009, einem Montag, beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Das beklagte Land ist der Auffassung, im vorliegenden Fall könnte auch bei vorangegangener Beschäftigung ein Arbeitsverhältnis zur Erprobung wirksam befristet werden. Geklärt werden müsste, ob die Alkoholabhängigkeit nunmehr beendet sei. Mit der Formulierung des Absatzes 6 des Stufenplanes solle nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet fortgesetzt werde, wenn der Betroffene die erfolgreiche Beendigung einer Therapie nachgewiesen habe.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 25.09.2008 – 2 Ca 1157/08 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht Rostock hat zu Recht die Klage abgewiesen. Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Arbeitsgerichts Rostock, im vorliegenden Fall läge kein Sachgrund für die Vereinbarung einer Befristung gem. § 14 Abs. 1 TzBfG vor, zutrifft. Jedenfalls ist die Befristung nach der bei der Beklagten Anwendung findenden Dienstvereinbarung über den Umgang mit Suchtgefährdeten und Suchtkranken und über Maßnahmen gegen den Missbrauch von Suchtmitteln (DV-Sucht vgl. Bl. 48 ff. d. Akten) nicht wirksam. Ziffer 6 und 7 der Anlage zur DV-Sucht lauten wie folgt:

(6) Kann der Betroffene während der Kündigungsfrist die erfolgreiche Beendigung einer Therapie nachweisen und einen Endbericht mit einer positiven Prognose vorlegen, wird die Kündigung nicht wirksam.

(7) Kann der Betroffene bis spätestens 6 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die erfolgreiche Beendigung einer Therapie nachweisen und einen Endbericht mit positiver Prognose vorlegen, wird er zum nächstmöglichen Termin vorerst befristet wieder eingestellt.

Aus der Formulierung, dass die Kündigung nicht wirksam wird, wenn der Betroffene die erfolgreiche Beendigung einer Therapie nachweist und einen Endbericht mit einer positiven Prognose vorlegt, folgt, dass das Arbeitsverhältnis bei Eintritt dieser Bedingung unbefristet fortzuführen ist.

Wenn die Dienstparteien eine befristete Fortführung gewollt hätten, hätten sie das bereits in Ziffer 6 zum Ausdruck bringen können und müssen, wie sie es auch in Ziffer 7 getan haben. Irgendwelche Anhaltspunkte, dass die befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch Rechtsfolge des Bedingungseintritts von Ziffer 6 sein sollte, bestehen nicht. Das beklagte Land kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Dienstparteien jedoch zum Ausdruck hätten bringen wollen, dass sowohl in den Fällen von Ziffer 6 als auch in den Fällen von Ziffer 7 lediglich die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gewollt war.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts richtet sich die Auslegung von Dienst- und Betriebsvereinbarungen wegen des normativen Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesetzesgesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmungen an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebs- bzw. Dienstparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (zuletzt BAG vom 20.01.2009 – 1 ABR 78/07 – m. w. N.). Der Wille der Dienstparteien, dass auch in den Fällen der Ziffer 6 lediglich eine befristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses gewollt war, hat in der Dienstvereinbarung keinen Niederschlag gefunden, so dass der entsprechende Vortrag des beklagten Landes unbeachtlich ist.

Ebenso unbeachtlich sind die Durchführungshinweise, die die Dienstparteien im Juli 2008 vereinbart hatten (vgl. Blatt 57 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt war der im Streit befindliche befristete Arbeitsvertrag vom Mai 2007 bereits geschlossen, so dass diese Durchführungshinweise zur Rechtfertigung der angegriffenen Befristung nicht herangezogen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Es besteht keine grundsätzliche Bedeutung gem. 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG, da durch die Korrektur in der Dienstvereinbarung vom Juli 2008 die geschilderte Auslegungsfrage obsolet geworden ist.

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