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Gericht: Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 10.06.1997

Aktenzeichen: 1 D 66/96

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Eine verbeamtete Bibliotheksoberinspektorin kehrt nach ihrem Erziehungsurlaub zurück in den Dienst. Sie arbeitet nun nur noch halbtags, erhält aber aufgrund eines Verwaltungsfehlers das Gehalt einer Vollzeitstelle. Nachdem dieser Irrtum nach zwei Jahren auffällt, zahlt sie das überbezahlte Gehalt in voller Höhe zurück. Das BVerwG sieht in der Einbehaltung des zuviel gezahlten Gehalts eine Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht und eine grob fahrlässige Verletzung ihrer Wahrheitspflicht. Das Gericht möchte durch eine zeitweilige Kürzung ihres Gehalts der Beamtin das Gewicht ihres Dienstvergehens deutlich machen.

Instanzenzug:
– BDiG Frankfurt vom 27.06.1996, Az: IV VL 12/96
– BVerwG vom 10.06.1997, Az: 1 D 66/96

Tenor:
Auf die Berufung des Bundesdisziplinaranwalts wird das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer IV – … -, vom 27. Juni 1996 im Disziplinarmaß aufgehoben.
Die jeweiligen Dienstbezüge der Bibliotheksoberinspektorin … werden um ein Zwanzigstel auf die Dauer von sechs Monaten gekürzt.
Die Beamtin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Entscheidungsgründe:
I. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Urteil vom 27. Juni 1996 gegen die Beamtin wegen eines Dienstvergehens eine Geldbuße von 1.000 DM verhängt.
Es hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
In der Zeit vom 7. Juli 1981 bis zum 6. Juli 1992 wurde die an der Universität der Bundeswehr in M. beschäftigte Beamtin zur Betreuung ihrer minderjährigen Kinder gemäß § 79 a Abs. 1 Nr. 2 BBG beurlaubt.
Ihr Ehemann ist als Bibliotheksoberinspektor, also in derselben Besoldungsgruppe wie jetzt die Beamtin, berufstätig.
Mit Schreiben vom 21. Oktober 1991 teilte sie die Wiederaufnahme ihrer Berufstätigkeit ab dem 7. Juli 1992 mit und bat, ihre Arbeitszeit ab diesem Zeitpunkt auf die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zur Betreuung ihrer Kinder zu ermäßigen. Diesem Antrag wurde entsprochen. Von der Zentralen Verwaltung der Universität der Bundeswehr M. wurde anläßlich des Dienstantritts der Beamtin am 7. Juli 1992 eine Änderungsmeldung an das Wehrbereichsgebührnisamt … erstellt. Dabei wurde versäumt, den auf dem Vordruck angeführten Nachweis „Dienstantrittsmeldung vom 7. Juli 1992“ beizufügen. Aus diesem Nachweis wäre ersichtlich gewesen, daß die Beamtin nunmehr halbtags tätig ist.
Erst bei einer Überprüfung im Juli 1994 wurde festgestellt, daß die Beamtin – obwohl lediglich halbtags tätig – mit vollen Dienstbezügen besoldet wurde und daher eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 53.287,02 DM vorlag.
Diesen überzahlten Betrag hat die Beamtin inzwischen vollständig zurückbezahlt.
Den festgestellten und von der Beamtin eingeräumten Sachverhalt hat das Bundesdisziplinargericht als eine leicht fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 54 Satz 3 BBG) sowie zur Beachtung dienstlicher Anordnungen (§ 55 Satz 2 BBG) gewürdigt und als innerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) gewertet, für dessen Ahndung eine Geldbuße ausreichend sei.
Der Bundesdisziplinaranwalt hat gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts rechtzeitig Berufung eingelegt und beantragt, gegen die Beamtin unter Aufhebung des angefochtenen Urteils eine angemessene Gehaltskürzung zu verhängen.
Zur Begründung des Rechtsmittels wird im wesentlichen vorgetragen, daß im Gegensatz zu der vom Bundesdisziplinargericht, vertretenen Meinung aufgrund der Einlassung der Beamtin nicht von einem nur leicht fahrlässigen Fehlverhalten ausgegangen werden könne, sondern von einer zumindest grob fahrlässigen Pflichtverletzung. In einem solchen Fall sei eine dem förmlichen Verfahren vorbehaltene Maßnahme geboten.
II. Die Berufung hat Erfolg und führt zur Verhängung einer Gehaltskürzung.
Das Rechtsmittel ist maßnahmebeschränkt eingelegt, da mit ihm lediglich der vom Bundesdisziplinargericht festgestellte Fahrlässigkeitsgrad (leichte Fahrlässigkeit) angegriffen und die Meinung vertreten wird, daß die Beamtin zumindest grob fahrlässig gehandelt habe. Da sich dieser Umstand nur bei Auswahl und Bemessung der Disziplinarmaßnahme auswirken kann, ist eine Beschränkung der Berufung hierauf zulässig (s. Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 82 Rz. 4; vgl. auch Claussen/Janzen, BDO, 8. Aufl., § 82 Rz. 7 a m.w.N.; Behnke, BDO, 2. Aufl., § 82 Rz. 21; BDHE 3, 243 f. <245>). Der Senat ist deshalb an den vom Bundesdisziplinargericht festgestellten Sachverhalt sowie dessen disziplinarrechtliche Würdigung als Dienstvergehen gebunden und hat nur über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu entscheiden.
Das Gewicht des Dienstvergehens (§ 54 Satz 3, § 55 Satz 2, § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) erfordert eine Gehaltskürzung, da die Beamtin ihre Dienstpflichten grob fahrlässig verletzt hat.
Ein grob fahrlässiger Pflichtenverstoß ist dann gegeben, wenn das Verhalten eines Beamten durch ein besonderes Maß an Leichtfertigkeit gekennzeichnet ist, er also in grober Achtlosigkeit nicht erkennt sich pflichtwidrig zu verhalten (s. Tröndle, StGB, 48. Aufl., 1997, § 15 Rz. 20; zur Zulässigkeit der Übernahme strafrechtlicher Grundsätze vgl. Claussen/Janzen, a.a.O., Einleitung B Rz. 13 c). Dies ist hier der Fall. Die Beamtin hat erklärt, daß sie sich über die Höhe des ihr monatlich überwiesenen Gehalts von ca. 3.000 DM im Vergleich zu dem Gehalt ihres Ehemanns von ca. 4.000 DM sehr gefreut und es „ganz toll“ gefunden habe, so viel zu verdienen. In dieser Situation hätte die Beamtin bei Beachtung auch nur der geringsten ihr zuzumutenden Sorgfalt erkennen können, daß ihr Gehalt gegenüber demjenigen ihres ganztägig in derselben Besoldungsgruppe tätigen Ehemanns unter Berücksichtigung einer auf die Hälfte reduzierten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zu hoch war. Sie war deshalb verpflichtet, eine entsprechende Überprüfung vornehmen zu lassen. Hierzu bestand für sie um so mehr Anlaß, als ihr mit den Gehaltsmitteilungen im Dezember 1992 und Dezember 1993 jeweils ein Merkblatt „Hinweise für Besoldungs- und Übergangsgebührnisempfänger“ übersandt worden war, in dem sie unter anderem um sorgfältige Prüfung der in ihren Bezügebescheinigungen enthaltenen Angaben gebeten und aufgefordert wurde, bei festgestellten oder vermuteten Unstimmigkeiten das Wehrbereichsgebührnisamt zu unterrichten.
Soweit sich die Beamtin zur Erklärung ihres Verhaltens auf eine Streßsituation in der Phase der Einarbeitung beruft, kann diese Einlassung ihr über zwei Jahre andauerndes Fehlverhalten, das durch eine kurze, gegebenenfalls telefonische Mitteilung an das Wehrbereichsgebührnisamt hätte vermieden werden können, nicht entschuldigen. Auch der Hinweis der Beamtin auf Versäumnisse ihrer Behörde kann sie von ihrer unabhängig hiervon bestehenden Verpflichtung nicht freistellen, auf eine ordnungsgemäße Auszahlung ihrer Bezüge zu achten und bei Unregelmäßigkeiten ihre Behörde hiervon zu unterrichten.
Die Leichtfertigkeit und grobe Achtlosigkeit, mit der die Beamtin bei dieser Sachlage dennoch davon abgesehen hat, die Angelegenheit klären zu lassen, charakterisiert ihr Verhalten als eine schwere Vernachlässigung der notwendigen und zumutbaren Sorgfalt und damit als eine grob fahrlässige Verletzung ihrer Wahrheitspflicht, die auch durch Unterlassen bestehender Mitteilungs- bzw. Äußerungspflichten erfolgen kann (Urteil vom 27. März 1996 – BVerwG 1 D 34.95 -; Claussen/Janzen, a.a.O., Einleitung C Rz. 43).
Der erkennende Senat hat bei Verletzung von Beamtenpflichten zum Nachteil des Dienstherrn in vergleichbaren Fällen bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten in der Regel eine förmliche Disziplinarmaßnahme, also eine schärfere Maßnahme als die Geldbuße, für angemessen erachtet und nur bei einer leicht fahrlässigen Pflichtverletzung eine mildere Maßnahme noch für ausreichend angesehen (s. Urteil vom 27. März 1996 – BVerwG 1 D 34.95 -; Urteil vom 17. Mai 1994 – BVerwG 1 D 15.93 – <BVerwG DokBer B 1994, 301>; Urteil vom 13. Oktober 1992 – BVerwG 1 D 51.91 <BVerwG DokBer B 1993, 25>).
Demnach ist im vorliegenden Fall auf eine Gehaltskürzung zu erkennen. Dabei sind erschwerend der lange Tatzeitraum sowie die beträchtliche Höhe der Überzahlung zu bewerten. Andererseits sind zugunsten der Beamtin ihre bisherige Unbescholtenheit sowie der alsbald nach Aufdeckung der Gehaltsüberzahlung erfolgte Schadenausgleich zu berücksichtigen. Insgesamt erscheint daher eine Laufzeit der Gehaltskürzung im unteren Maßnahmebereich des § 9 BDO noch ausreichend, um der Beamtin das Gewicht des Dienstvergehens deutlich zu machen und sie zu künftigem pflichtgemäßen Verhalten anzuhalten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 f. BDO.

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