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Antrag auf Verbreitungsverbot

Gericht: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Entscheidungsdatum: 23.07.2010

Aktenzeichen: 5 S 11.10 [1]

Entscheidungsart: Beschluss

eigenes Abstract: Die Glaubensgemeinschaft Universelles Leben verlangt nach erfolgloser Abmahnung im Wege der einstweiligen Verfügung vom Medienforum Berlin, dass dieses die Verbreitung und Ausleihe einer bestimmten Schrift, in der die Glaubensgemeinschaft kritisiert wird, unterlässt. Dieser Antrag wurde in erster Instanz sowie die Beschwerde dagegen auch in 2. Instanz abgewiesen, da die Bibliothek nicht als Störer in Anspruch genommen werden kann. Die Unzulässigkeit der umstrittenen Äußerung wurde weder vom Antragssteller nachgewiesen noch obliegt der Bibliothek eine umfassende Prüfungspflicht.

Instanzenzug:
– VG Berlin vom 16.02.2010, Az: 27 L 370.09
– OVG Berlin-Brandenburg vom 23.07.2010, Az. 5 S 11.10

Leitsatz

Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines im Wege einstweiliger Anordnung geltend gemachten Unterlassungsanspruchs einer Glaubensgemeinschaft gegen eine vom Staat betriebene Lehrerbibliothek (Medienforum Berlin) wegen vermeintlich unzulässiger Äußerungen in einer in den Bibliotheksbestand aufgenommen Schrift eines Dritten.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller vertritt nach seiner Satzung die Interessen der nicht verfassten Glaubensgemeinschaft U.. Der Antragsgegner betreibt das Medienforum Berlin [2], das im Rahmen der Unterrichtswerkstatt Printmedien für Schule und Unterricht sowie für den außerschulischen Bildungsbereich an Berliner Lehrer, Lehramtsanwärter, Lehramtsstudenten und Schüler sowie Bedienstete der Berliner Bildungseinrichtungen einschließlich der Kindertageseinrichtungen präsentiert und verleiht. Nach erfolgloser Abmahnung hat der Antragsteller am 20. November 2009 beim Verwaltungsgericht Berlin sinngemäß beantragt,
I. dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu untersagen, die Schrift „…, erschienen 2005 in d…, im Medien-Forum Berlin-Mitte oder andernorts auszulegen oder auf andere Weise anzubieten und zu verbreiten,
1. solange darin in Bezug auf das U. durch nachfolgenden Text der Eindruck vermittelt wird, ein Dritter habe das Innere Wort bzw. Offenbarungen inhaltlich beeinflusst:
„Äußere Einflüsse auf das ‚Innere Wort‘ sind nicht zu übersehen. Nachdem der esoterisch erfahrene D. sich dem Heimholungswerk anschloss, begannen in den Offenbarungen Bezüge auf indisches und theosophisches Denken aufzutauchen.“
2. solange darin nachfolgende Textstelle enthalten ist
„Auf dem Inneren Weg könne sich der Mensch durch Aufgabe der individuellen Persönlichkeit…zum Geistwesen hocharbeiten.“
II. dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu untersagen, die Schrift „…, erschienen 2006 im C. Verlag S., im Medien-Forum Berlin-Mitte oder andernorts auszulegen oder auf andere Weise anzubieten und zu verbreiten, solange darin nachfolgende Textstelle enthalten ist:
„Besonders an seinen Mitgliedern verdient das U., da diese für ein Taschengeld harte Arbeit auf dem Feld oder im Verkauf leisten. Renten- oder krankversichert sind die ‚Mitarbeiter am Gottesstaat‘ nicht.“

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag zurückgewiesen: Der Antragsteller habe nicht mit der die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zum Schutz der persönlichkeitsrechtsgleichen Rechte einer Glaubensgemeinschaft zustehe. Der Antragsgegner habe sich die beanstandeten Äußerungen nicht zu eigen gemacht. Vielmehr fänden auf ihn die Grundsätze der Störerhaftung wie bei Bibliotheken allgemein Anwendung. Voraussetzung eines Anspruchs auf Unterlassung der Ausleihe eines bestimmten Schriftstücks sei neben einer Abmahnung der Nachweis der Unzulässigkeit der beanstandeten Textpassage. Die bloße Glaubhaftmachung der unwahren Tatsachenbehauptung wie im vorliegenden Fall genüge nicht. Die Äußerungen seien auch nicht offenkundig unzulässig.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde, zu deren Begründung der Antragsteller vorträgt, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts mache sich der Antragsgegner die fraglichen Äußerungen in der Weise zu eigen, dass er die Schrift in seinem Medienforum anbiete, womit die rechtlichen Maßstäbe ins Spiel kämen, die für staatliche Äußerungen über religiöse Gemeinschaften gälten. Soweit die Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung glaubhaft gemacht sei, sei sie dem Staat ebenso wie jedem Dritten zu untersagen; soweit es sich um Wertungen oder Meinungsäußerungen handele, seien sie zu untersagen, wenn sie nicht dem Zurückhaltungsgebot des Staats bei Informationen über Glaubensgemeinschaften entsprächen. Die hier in Rede stehenden Tatsachenbehauptungen seien unwahr; soweit sie Wertungen enthielten, seien diese ehrenrührig und verfälschten das religiöse Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft U..

II.
Die Beschwerde des Antragstellers, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen des Beschwerdeführers entscheidet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss hält einer auf das Vorbringen des Antragstellers bezogenen Überprüfung stand.

Ohne Erfolg stellt die Beschwerde den rechtlichen Prüfungsmaßstab, der nach Auffassung der Vorinstanz an die Verantwortlichkeit des Antragsgegners im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs analog den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Ausleihe von Schriften zu stellen ist, in Frage. Richtig ist, dass in der Wiedergabe der Aussage eines Dritten eine eigene, eine Täterschaft begründende Äußerung des Wiedergebenden liegen kann, wenn er sich den Inhalt der fremden Äußerung erkennbar zu eigen macht (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08 -, juris Rn. 11 und vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 -, juris Rn. 18, jeweils m.w.N.); allenfalls für eine solche eigene Äußerung könnten die Maßstäbe gelten, die an staatliche Äußerungen zu Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaften im Hinblick auf deren Rechte aus Art. 4 GG anzulegen sind (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 25. September 2003 – OVG 5 B 26.00 -, juris Rn. 45 f.) So liegt der Fall hier jedoch nicht.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt der Antragsgegner lediglich Material zusammen, das er zur Verwendung für Unterrichtszwecke im Fach Ethik für geeignet hält. Er bietet eine Vielzahl von Schriften und Büchern zu diesem Unterrichtsfach an, darunter auch solche zum Thema neue Glaubensgemeinschaften und Sekten, enthält sich jedoch einer eigenen Stellungnahme. Es ist dem Nutzer überlassen, ob und ggf. welcher Inhalte er sich aus welchen Schriften und Büchern des Medienforums für den Unterricht bedient. Der Antragsteller hat auch nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner eine der Vielfalt der auf dem Markt vorhandenen Medien zu diesem Thema widersprechende Auswahl zu Lasten des U. vorgenommen, die Äußerungen als „Meldung“ verbreitet oder sich in sonstiger Weise die fraglichen Äußerungen zu eigen gemacht hätte. Dem vom Antragsteller in Bezug genommenen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. April 1995, NVwZ 1995, 794, lag ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde: Dort ging es um eine von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit selbst herausgegebene und u.a. an alle Schulen in Bayern versandte Schrift, die sich auf 26 Seiten kritisch mit der Bewegung U. befasste. Der zur weiteren Beschwerdebegründung angeführte Internetauftritt des Antragsgegners sowie die Pressemitteilung der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages vom 19. Juni 1998 sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Der vom Verwaltungsgericht geprüfte, aber im Ergebnis verneinte Unterlassungsanspruch nach den für Bibliotheken geltenden Grundsätzen der Störerhaftung des Antragsgegners ist weder ein „zweites Rettungsmanöver“ noch eine „juristische Verrenkung“ – wie es die Beschwerde formuliert -, sondern die Folge der zutreffenden Wertung, dass der Antragsgegner mangels eigener Äußerung nicht als Täter, sondern allenfalls als Letztvertreiber auf Unterlassung einer ggf. unzulässigen Äußerung eines Dritten haftet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, haftet als Störer derjenige auf Unterlassung, der ohne Täter oder Teilnehmer zu sein in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt. Weil jedoch die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des konkreten Falles eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. nur Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. April 2007 – I ZR 35/04 – Internet-Versteigerung II -, juris Rn. 40, m.w.N.), wobei für die Verbreitung von Druckschriften diejenigen Grundsätze gelten, die für Presseveröffentlichungen Platz greifen (vgl. Urteil vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 -, juris Rn. 32).

Es fehlt hier bereits an der Glaubhaftmachung eines adäquat kausalen Tatbeitrags des Antragsgegners. Denn dieser hält von den Schriften nur wenige Exemplare vor, während der Verlag sie in größerer Auflage weiterhin räumlich unbegrenzt verbreitet (vgl. dazu Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., 2003, Rn. 223). Solange der Verleger nicht an der Verbreitung gehindert wird, muss ein Anspruch gegen den Betreiber der Bibliothek grundsätzlich ausscheiden. Bei Zuerkennung eines solchen Anspruchs könnte sonst ein Betroffener wahllos gegen alle Buchhändler und Bibliotheken Serienabmahnungen vornehmen. Dabei ist zugunsten des Letztvertreibers von Druckerzeugnissen zu berücksichtigen, dass er sich angesichts der Eigenverantwortung der Herausgeber für die Richtigkeit der in ihren Publikationen gemachten Äußerungen regelmäßig darauf verlassen kann, dass die von ihm letztvertriebenen Schriften keinen unzulässigen Inhalt haben. Bibliotheken müssen ebenso wie Buchhändler auf das Prüfergebnis des Verlegers vertrauen können. An Letztere und nicht an die Bibliothek sind die zur Erfüllung der Recherchierungspflicht sogenannten „pressemäßige Sorgfaltsanforderungen“ zu stellen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1996, a.a.O., Rn. 32).

Ebenso wie Presseunternehmen (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 1998 – I ZR 120/96 – Möbelklassiker -, juris Rn. 25) obliegt Bibliotheken daher keine umfassende Prüfungspflicht, um deren Arbeit nicht über Gebühr zu erschweren und die Verantwortlichen nicht zu überfordern. Der Betreiber einer Bibliothek haftet deshalb als Störer regelmäßig nur, wenn er abgemahnt worden ist und ihm gegenüber die Unzulässigkeit der Äußerung nachgewiesen wird. Abgesehen davon, dass es hier an einer ordnungsgemäßen Abmahnung fehlt, weil die Abmahnschreiben des Antragstellers vom 13. und 21. Oktober 2009 jeweils nur eine Schrift zum Gegenstand haben, denen die abgemahnten Äußerungen unzutreffend zugeordnet werden, sodass der Antragsgegner nicht erkennen kann, was genau er zu unterlassen hat, hat der Nachweis der Unzulässigkeit der Äußerungen in der Regel die Vorlage eines Unterlassungs- oder Widerruftitels gegen den Herausgeber, Verleger oder Autor zur Voraussetzung (vgl. Wenzel, a.a.O., Rn. 226). Von diesem Grundsatz der subsidiären Haftung mag es Ausnahmen geben (vgl. den vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 3. Februar 1976 – VI ZR 23/72 -, juris Rn. 21, entschiedenen Fall eines Alleinimporteurs bei Unmöglichkeit einer Inanspruchnahme des Verlegers im Ausland). Hier aber hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft gemacht, dass die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs gegen den primär Verantwortlichen nicht möglich, nicht zumutbar oder sinnlos gewesen wäre. Vielmehr hat er diesen Weg ausweislich des dem Schreiben an den Antragsgegner vom 30. September 2009 beigefügten Schriftsatz an einen der beiden betroffenen Verlage und einen der betroffenen Autoren auch beschritten, offenbar aber ohne Erfolg. Bereits an dieser Stelle scheitert der Unterlassungsanspruch des Antragsstellers.

Selbst wenn man zu seinen Gunsten unterstellte, dass den Antragsgegner aufgrund seiner Sachkenntnis und seiner Aufgabenstellung als „Lehrerbibliothek“ eine Sorgfaltspflicht bei der Auswahl unter den auf dem Bücher- und Schriftenmarkt erhältlichen Titeln auch in Bezug auf die Zulässigkeit des Inhalts trifft, änderte sich am Ergebnis nichts. Insoweit ist die Auswahl nach Themenkreisen kein „Freibrief“, wie es die Beschwerde ausdrückt. Sie verpflichtet vielmehr dazu, eine Vielfalt von Materialien anzubieten, um dem breiten Meinungsspektrum gerade in Bezug auf Glaubensgemeinschaften Rechnung zu tragen. Auch wenn dies eine Prüfungspflicht bezüglich des Inhalts insoweit umfassen sollte, als der Antragsgegner keine Schriften mit Äußerungen in den Bestand aufnehmen darf, deren Unzulässigkeit sich aufdrängt, könnte er in Zweifelsfällen das Privileg der herabgestuften Prüfungspflicht für sich in Anspruch nehmen. Denn zum einen dokumentiert der Antragsgegner den Meinungsstand, indem er für den Nutzer erkennbar – gleichsam wie auf einem „Markt der Meinungen“ – Äußerungen und Stellungnahmen verschiedener Seiten zusammen- und gegenüberstellt (vgl. hierzu Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1996 – VI ZR 386/94 -, juris Rn. 18, m.w.N.); zum anderen stehen ihm, wie die Kammer zutreffend ausgeführt hat, bei einer Verteidigung gegen den Unterlassungsanspruch die Möglichkeiten des erstverantwortlichen Autors nicht zur Verfügung, sich gegen die Behauptung der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung anhand eigenen Recherchematerials zur Wehr zu setzen.
Es ist jedoch auch mit der Beschwerde nicht glaubhaft gemacht, dass sich die Unzulässigkeit der fraglichen Äußerungen aufdrängt. Trotz des bei dem Antragsgegner zu unterstellenden Sachverstandes muss ihm nicht bekannt sein, noch drängt es sich sonst auf, wer bei der Glaubensgemeinschaft U. Einfluss auf die Glaubensinhalte hat, ob sich nach den Glaubensvorstellungen des U. der Mensch durch Aufgabe der individuellen Persönlichkeit zum Geistwesen hocharbeiten kann und ob die vom U. geführten Christusbetriebe an seinen Mitgliedern besonders verdient, da diese für ein Taschengeld harte Arbeit auf dem Feld oder im Verkauf leisten und ob die „Mitarbeiter am Gottesstaat“ sozialversichert sind. Auch dies rechtfertigte es, den Unterlassungsanspruch anhand des herabgestuften Prüfungsmaßstabes des Letztverbreiters abzulehnen.

Schließlich hat die Beschwerde ungeachtet der eingeschränkten Haftung des letztvertreibenden Antragsgegners nicht einmal die Unzulässigkeit der in Rede stehenden Äußerungen im Sinne des § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.

Nach Auffassung der Beschwerde handelt es sich bei den fraglichen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen. Wären sie unwahr, wäre deren künftige Verbreitung nicht zulässig. Die Beweis- bzw. Glaubhaftmachungslast für die Unwahrheit liegt nach allgemeinen Regeln beim Antragsteller (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22. April 2008 – VI ZR 83/07 -, juris Rn. 21).

Die Unwahrheit der Äußerung unter I.1. des Antrags – „Äußere Einflüsse auf das ‚Innere Wort‘ sind nicht zu übersehen. Nachdem der esoterisch erfahrene D. sich dem Heimholungswerk anschloß, begannen in den Offenbarungen Bezüge auf indisches und theosophisches Denken aufzutauchen.“ – ist anhand der eidesstattlichen Versicherung von P. vom 9. September 2008 nicht glaubhaft gemacht. Darin bestätigt D., im Jahre 1979 zum H., aus dem später das U. hervorgegangen sei, gestoßen zu sein. Damals sei die urchristliche Lehre, die Kirchenvertreter „östlich“ nennen, insbesondere die Lehre von der Reinkarnation, bereits vom Gottesgeist durch das Prophetische Wort von Frau G. übermittelt gewesen. Er habe das Gedankengut der Reinkarnation wiedergefunden, mit dem er bei seinen Aufenthalten in Indien vertraut geworden sei. Er selbst habe nie irgendeinen Beitrag zur urchristlichen Lehre des H. geleistet. Sämtliche Lehren seien ausschließlich durch das Prophetische Wort G. gekommen.

Diese Versicherung, die nicht aus Anlass des vorliegenden Falles erklärt worden sein kann, weil der Vorstand des Antragstellers nach eigenen Angaben von den fraglichen Äußerungen erstmals Ende September 2009 erfahren haben will, schließt einen – ungewollten – Einfluss auf die Offenbarungen, auch wenn sie ausschließlich von F. stammen, nicht aus. Davon wäre auch der Eindruck, den die Äußerung nach Ansicht des Antragstellers erweckt, D. habe diese neue Denkweise bewirkt, erfasst. Darüber hinaus steht nach den Fest-stellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 24. Juli 1991 (- 7 B 90.2873 -, juris Rn. 2) fest, dass die „Prophezeiungen“ in Schriften und Broschüren sowohl der „Prophetin“ als auch einiger ihrer Anhänger niedergelegt wurden, die als „Geistige Lehrer“ tätig wurden.

Die Unwahrheit der Äußerung unter I.2. des Antrags -„Auf dem Inneren Weg könne sich der Mensch durch Aufgabe der individuellen Persönlichkeit…zum Geistwesen hocharbeiten“ – ist ebenso wenig glaubhaft gemacht. Antrags- und Beschwerdebegründung erschöpfen sich in der schlichten Behauptung des Antragstellers, diese Äußerung sei unwahr und verfälsche das religiöse Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft. Das genügt den Anforderungen der Glaubhaftmachung offenkundig nicht, zumal sich in den Schriften des U. durchaus Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Äußerung finden lassen (vgl. zum „Abstreifen der des Individuellen mit dem Ziel der Veredelung und der Ausrichtung auf die Allharmonie, auf Gott“: Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 28. März 1994 – 7 CE 93.2403 -, juris Rn. 46; zur „Umprogrammierung“ als Reinigung der Gehirnzellen von allen Prägungen dieser Welt und ihrer Ausrichtung auf das höchste Prinzip, auf Gott: vgl. Urteil des Senats vom 25. September 2003 – OVG 5 B 26.00 -, juris Rn. 62).

Schließlich hat der Antragsteller die Unwahrheit der Äußerung unter II. des Antrags – „Besonders an seinen Mitgliedern verdient das U., da diese für ein Taschengeld harte Arbeit auf dem Feld oder im Verkauf leisten. Renten- oder krankversichert sind die ‚Mitarbeiter am Gottesstaat‘ nicht.“ – nicht glaubhaft gemacht. Mit ihrem Einwand, der Antragsteller sei nicht gehalten, nunmehr Nachweise zu führen, dass jeder Mitarbeiter der C. selbstverständlich sozialversichert sei, sondern der Antragsgegner sei gezwungen, seine „dreiste Lüge“ zu präzisieren bzw. zu verifizieren, verkennt die Beschwerde die Verteilung der Last der Glaubhaftmachung. Vermag aber der Antragsteller die Unwahrheit nicht glaubhaft zu machen, muss er die als wahr zu unterstellende Behauptung hinnehmen.

Auch die von der Beschwerde ins Feld geführte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 4. September 1998 – M 24 K 95.3517 – verhilft ihr nicht zum Erfolg. Darin ist festgestellt worden, dass die Verbreitung der Aussage „Eine Aussteigerin berichtet, daß die Mitarbeiter dieser Betriebe mit einem Hungerlohn abgespeist werden“ in einer von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit herausgegebenen Schrift „Neureligiöse Bewegungen“ rechtswidrig war. Zur Begründung hat das Gericht darauf verwiesen, dass die dortige Klagepartei U. vorgetragen hatte, Mitarbeiter der C. erhielten einen Grundlohn von mindestens 2.600,- DM zuzüglich Kinderzulagen sowie weitere im einzelnen beschriebene Leistungen und der Autor des Beitrags eingeräumt hatte, dass es denkbar sei, dass die Glaubensgemeinschaft Tariflöhne zahle. Hier fehlt es indes an einer Aussage des Autors zur Höhe der Löhne und zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, die den Wahrheitsgehalt der Äußerung in gleicher Weise in Frage stellen könnte. Somit obliegt es dem Antragsteller deren Unwahrheit glaubhaft zu machen; dieser Obliegenheit ist er indes nicht nachgekommen.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es sich bei allen in Rede stehenden Äußerungen eher um Meinungsäußerungen handeln dürfte, weil sie einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises allenfalls teilweise zugänglich sind. Die Textpassage unter I.1. des Antrags gibt eine Einschätzung des Autors wieder. Es fehlt an einem objektiven Maßstab zur Bestimmung, ob eine Glaubenslehre von einem bestimmten Zeitpunkt an Bezüge auf indisches und theosophisches beeinflusstes Denken aufweist. Bei der Äußerung unter I.2. des Antrags handelt sich um eine Einschätzung der Glaubenslehre durch einen Außenstehenden, die dem Wahrheitsbeweis ebenso wenig zugänglich ist. Gleiches gilt für die Äußerung unter II. des Antrags, weil die Aussage „harte Arbeit für ein Taschengeld“ nur bedeutet, dass der Lohn aus Sicht des Autors für die zu leistenden Arbeiten zu gering bemessen ist.

Bei allen drei Äußerungen wirken Tatsachenbehauptungen und Wertungen zumindest zusammen, so dass der Text in seiner Gesamtheit von der Schutzwirkung des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst wird. Darüber hinaus dienen die Äußerungen Dritten zur Meinungsbildung (zu diesen Abgrenzungskriterien vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. November 2009, a.a.O., juris Rn. 15). Somit wäre über den Unterlassungsantrag – wenn der Antragsgegner nicht schon den herabgestuften Prüfungsmaßstab für sich in Anspruch nehmen könnte – aufgrund einer Abwägung des Rechts des Antragstellers auf Schutz seines persönlichkeitsrechtsgleichen Rechts aus Art. 4 Abs. 1 GG auf Wahrung seiner Identität mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG verankerten Recht auf Meinungsfreiheit zu entscheiden. In diesem Spannungsverhältnis der Grundrechtspositionen steht auch der Antragsgegner. Denn dem Autor der Äußerungen steht das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG zur Seite, auf das sich der Antragsgegner als Letztverbreiter in der vorliegenden Fallkonstellation stellvertretend für den Autor berufen kann.

Als Meinungsäußerungen sind die Textpassagen zweifelsfrei zulässig. Es ist nicht erforderlich, dass sie als solche sachlich nachvollziehbar oder durch Tatsachen belegt sind. Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit dient nicht in erster Linie der Ermittlung der Wahrheit, sondern der Gewährleistung, dass jeder frei sagen kann, was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren Gründe für sein Urteil angibt oder angeben kann (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1982 – 1 BvR 1376/79 -, juris Rn. 13). Maßgeblich ist allein, dass sich die Äußerungen als Beitrag zur Auseinandersetzung der Meinungen um eine Frage von allgemeinem Interesse versteht – hier der kritischen Auseinandersetzung mit neuen religiösen Strömungen. Sie erschöpfen sich dagegen nicht in einer einen Unterlassungsanspruch rechtfertigenden persönlichen Schmähung.

Mit ihrem Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2002 (- 1 BvR 670/91 -, juris) verkennt die Beschwerde wiederum den Prüfungsmaßstab bei Äußerungen, die dem Staat nicht als eigene zuzurechnen sind. Denn in jenem Verfahren ging es um eine Äußerung der Bundesregierung über eine Glaubens- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft, die das Gebot der Zurückhaltung, zu welcher der Staat und seine Organe nach dem Gebot der religiös-weltanschaulichen Neutralität verpflichtet sind, nicht wahrte. Darum geht es hier jedoch nicht.

Auch der Hinweis auf das Selbstverständnis der Glaubensgemeinschaft geht in diesem Zusammenhang fehl. Ebenso wie die Kammer hat auch der Senat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Äußerungen, die – wie die in Rede stehenden – eine nicht eingrenzbare Zahl von Lesern ansprechen, nach ihrem objektiven Erklärungswert, also nach ihrer Wirkung auf Dritte, die im Allgemeinen nicht den Kenntnis- und Bewusstseinsstand der Mitglieder der Glaubens- oder Weltanschauungsgemeinschaft haben, zu beurteilen sind (vgl. Urteil vom 25. September 2003 – OVG 5 B 26.00 -, juris Rn. 58, m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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