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Nichtbestehen der Diplomprüfung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein–Westfalen

Entscheidungsdatum: 18.12.2012

Aktenzeichen: 14 E 1040/12 [1]

Entscheidungsart: Beschluss (Prozesskostenhilfe)

Eigenes Abstract: Die Klägerin hat die Fachprüfung „Datenverarbeitung und Informationstechnologie“  im dritten und letzten Versuch nicht bestanden, so dass sie damit ihren Diplomstudiengang Bibliothekswesen nicht abschließen kann. Sie weder wirksam noch rechtzeitig von der Prüfung zurückgetreten ist. Erst einen Monat, nachdem sie den Prüfungsbescheid erhalten hat, hat sich die Klägerin durch ein Attest auf Prüfungsunfähigkeit aufgrund einer Angsterkrankung und privaten Problemen berufen. Ihr Antrag auf Prozesskostenhilfe wird auch in der Berufungsinstanz abgelehnt.

Instanzenzug Prozesskostenhilfe:
– OVG Münster vom 18.12.2012, Az. 14 E 1040/12

Instanzenzug Hauptverfahren:
VG Köln vom 08.08.2013, Az: 6 K 3073/11 [2]


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens 6 K 3073/11 vor dem Verwaltungsgericht Köln ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung – ZPO -). Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage spricht. Das ist schon dann zu bejahen, wenn der Erfolg von der Klärung schwieriger Rechtsfragen oder der Ermittlung weiterer Tatsachen abhängt. Das ist hier nicht der Fall. Der angefochtene Bescheid vom 8. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2011, mit dem die Beklagte das endgültige Nichtbestehen der Diplomprüfung verfügt hat, erscheint rechtmäßig. Die Klägerin hat die Fachprüfung „Datenverarbeitung und Informationstechnologie“ am 3. Februar 2011 im dritten und letzten Versuch nicht bestanden, so dass auch die Diplomprüfung endgültig nicht bestanden ist. Von der genannten Fachprüfung ist die Klägerin nicht wirksam zurückgetreten.

Es fehlt bereits die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ein im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 der Diplomprüfungsordnung für den Studiengang Bibliothekswesen an der Beklagten vom 14. August 1998 (DPO) triftiger Grund für den Rücktritt vorliegt. Die Klägerin legte im Verwaltungsverfahren ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 10. Februar 2011 vor, nach dem sie schon länger an einer Angsterkrankung leide, die durch eine Anhäufung privater Probleme zu vermehrten Panikattacken geführt habe. Es erscheint unwahrscheinlich, dass dies eine zum Prüfungsrücktritt berechtigende Erkrankung sein könnte.

Liegen die Ursachen, welche die Prüfungsbedingungen für den Prüfling im Verhältnis zu anderen Prüflingen ungleich erschweren, und somit auch die Ursachen für eine Prüfungsunfähigkeit, in seiner Person, so bedarf es einer Abgrenzung, ob es sich um eine erhebliche Minderung der allgemeinen Startchancen im Verhältnis zu anderen Prüflingen oder um ein Defizit in der persönlichen Leistungsfähigkeit handelt, die Voraussetzung für den Prüfungserfolg ist. Dementsprechend gehören Prüfungsstress und Examensängste, die zumeist in den spezifischen Belastungen der Prüfungen wurzeln und denen jeder Kandidat je nach Konstitution mehr oder weniger ausgesetzt ist, im Allgemeinen zum Risikobereich des Prüflings, es sei denn, dass sie den Grad einer Erkrankung erreichen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. Juni 2003 14 A 624/01 , NRWE Rn 35. f. m. w. N.; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 256; Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl., Rn. 466.

Die unspezifizierte Diagnose „Angsterkrankung“ und „private Probleme“ gibt keinen Hinweis darauf, dass eine andere Form der Leistungseinschränkung als eine prüfungsrechtlich unbeachtliche Examenspsychose vorgelegen hat.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 6. Juli 1979 7 C 26.76 , DVBl. 1980, 482 (483).

Soweit die Klägerin einen Hörsturz geltend macht, mag dies eine Erkrankung sein, die zum Prüfungsrücktritt berechtigt hätte. Wegen dieser Erkrankung war sie aber ausweislich des im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Attestes des HNO-Arztes Dr. A. bereits seit dem 11. Januar 2011 in Behandlung. Da sie sich dennoch der Prüfung am 3. Februar 2011 unterzogen hat, kann sie sich nunmehr nicht mehr darauf berufen. Die Klägerin hat diesen Rücktrittsgrund, aber auch den der Angsterkrankung entgegen § 12 Abs. 2 Satz 1 DPO nicht unverzüglich angezeigt und schriftlich dargelegt. Es ist Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung. An einer zeitnahen Mitteilung der Rücktrittsgründe selbst bei ausnahmsweiser Zulässigkeit des Rücktritts nach der Prüfung und der zugleich erfolgten Mitteilung des Prüfungsergebnisses besteht ein legitimes Interesse der Prüfungsbehörde. Solange die behaupteten Krankheitssymptome noch vorliegen, kann sie für die Entscheidung über die Anerkennung der Gründe weitere Sachverhaltsaufklärung betreiben. Unberechtigte nachträgliche Rücktritte gefährden nämlich die Wahrung der Chancengleichheit, so dass der Erforschung des wahren Sachverhalts auch im allgemeinen Interesse der Ordnungsgemäßheit des Prüfungsverfahrens besondere Bedeutung zukommt.

Vgl. BVerwG, Urteil von 13. Mai 1998 6 C 12.98 , NVwZ 1999, 188 (189 f.); Beschluss vom 27. Januar 1994 6 B 12.93 , DVBl. 1994, 640; Beschluss vom 3. Januar 1994 6 B 57.93 , Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 327, S. 2 f.; Urteil vom 7. Oktober 1988 7 C 8.88 , NJW 1989, 2340 (2342); OVG NRW, Beschluss vom 5. September 2012 14 E 848/12 , NRWE Rn. 8 ff.

Hier hat sich die Klägerin erst am 3. März 2011, also einen Monat nach der Prüfung und nach dem Prüfungsbescheid vom 8. Februar 2011 über ihr endgültiges Nichtbestehen auf Prüfungsunfähigkeit berufen und das aus sich heraus eine Prüfungsunfähigkeit nicht nachvollziehbar belegende Attest des Dr. K. vorgelegt. Erst mit der Klagebegründung hat sie am 27. Juni 2011 und somit mehr als vier Monate nach der Prüfung das weitere Attest des Dr. A. eingereicht, wonach sie seit dem 11. Januar 2011 wegen eines Hörsturzes in Behandlung stehe. Das ist alles zu spät.

Wegen der Einwendungen der Klägerin im übrigen (Prüfungsterminierung, Prüfungsform, Prüfungsleistung) wird auf die Gründe des Beschlusses des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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