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Causa Stralsund I

Gericht: Verwaltungsgericht Greifswald

Entscheidungsdatum: 17.12.2012

Aktenzeichen: 2 B 1626/12 [1]

Entscheidungsart: Beschluss

Eigenes Abstract: Der Betreiber eines Weblogs wandte sich an die Pressestelle des Stadtarchivs Stralsund, das zuvor wertvolles Archivgut an einen Antiquar veräußert hatte, und verlangte detaillierte Informationen über den Verkauf. Dabei berief er sich auf seinen presserechtlichen Auskunftsanspruch. Das Stadtarchiv wollte hierüber jedoch auf Grund von bestehenden schutzwürdigen Interessen keine genauen Auskünfte erteilen. Daraufhin klagt der Weblog-Betreiber im Eilverfahren, um eine Verpflichtung des Stadtarchivs zur Auskunftserteilung zu erwirken.

Weitere Informationen:
Weblog Archivalia vom 29.11.2012 [2]

Instanzenzug:
– VG Greifswald vom 17.12.2012, Az. 2 B 1626/12
OVG Greifswald vom 08.03.2013, Az. 2 M 2/13 [3]

Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen durch den Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner geltend gemachten Auskunftsanspruch.

Der Antragsteller wandte sich anlässlich eines Verkaufs von Archivgut mit E-Mail vom 05.11.2012 an die Pressestelle des Antragsgegners und verlangte Auskunft. Für sein geltend gemachtes presserechtliches Auskunftsbegehren berief sich der Antragsteller auf seinen Status als freier regelmäßiger Mitarbeiter der Zeitschrift Kunstchronik und als Anbieter des Weblogs A. .

Die dem Antragsgegner zur Beantwortung gestellten hier streitgegenständlichen Fragen lauteten:

1. Welcher Kaufpreis wurde mit dem Käufer vereinbart?

2. Ich ersuche um Mitteilung der vertraglichen Vereinbarung mit dem Käufer.

3. Mit welcher Begründung genau wurde in nicht-öffentlicher Sitzung der Bürgerschaft oder eines Ausschusses die Genehmigung des Verkaufs beantragt?

4. …

5. Wurde bei den Verkäufen aus dem Bestand Gymnasialbibliothek geprüft, ob Bücher von Z. O. darunter waren?

6. …

7. Welche Titel genau wurden aus der Gymnasialbibliothek nicht verkauft?

8. Den Nachweis, dass auch 1829 katalogisierte Bestände der ehemaligen Stadtbibliothek, sogar aus der L. Sammlung, unter den im Handel angebotenen Büchern auftauchen, konnte ich führen

(siehe A.). Wie viele Drucke aus der ehemaligen Stadtbibliothek (ohne Gymnasialbibliothek) wurden veräußert und welches waren die Gründe bzw. Kriterien der Auswahl?

9. Trifft die Angabe von Z. zu, dass http://de…de/… das einzige Exemplar darstellt und daher nicht mehr in S. in einem anderen Abdruck vorhanden ist? Aus welchem Grund wurde dieses Stück verkauft?

10. …

Die Pressestelle des Antragsgegners bestätigte unter dem 30.10.2012 gegenüber dem Antragsteller den Verkauf der bisher im Stadtarchiv S. befindlichen Gymnasialbibliothek an einen Antiquar, lehnte aber eine weitere Informationserteilung ab. Es bestünden schutzwürdige Interessen, wegen der die Entscheidung des Gremiums der Bürgerschaft über den Verkauf auch in nichtöffentlicher Sitzung getroffen worden sei.

Am 10.11.2012 hat der Antragsteller Klage erhoben (Az. 2 A 1627/12) und den hier zu entscheidenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Auskunftserteilung begehrt.

Mit Schriftsatz vom 06.12.2012 hat der Antragsgegner zu den einzelnen Fragen des Antragstellers Stellung genommen. Hinsichtlich der Fragen 4, 6 und 10 haben die Parteien daraufhin übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreits erklärt. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren insoweit mit Beschluss vom 17.12.2012 von dem hier zu entscheidenden Verfahren abgetrennt.

Im Übrigen verfolgt der Antragsteller sein Eilrechtsschutzbegehren weiter. Er macht geltend, als Betreiber des Weblogs A. einen medienrechtlichen Auskunftsanspruch und als regelmäßiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Kunstchronik“ einen presserechtlichen Auskunftsanspruch zu haben. Der Skandal um den Verkauf der Gymnasialbibliothek sei vom Weblog A. in zahlreichen Einzelbeiträgen aufgedeckt und verbreitet worden. Es handele sich bei A. um ein meinungsbildendes redaktionell-journalistisches Telemedium, für die die Auskunftspflicht des Rundfunkstaatsvertrags (§ 9a) gelte. Mit der Berichterstattung erfülle das Weblog die genuine Aufgabe der Presse, zu der Meinungsbildung in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage beizutragen. Dabei sei eine am Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 GG) orientierte Sichtweise geboten, die es ausschließe, dem Kriterium „redaktionell“ einen eigenen Regelungsgehalt zuzuweisen, der im vorliegenden Fall dazu führen würde, einen Auskunftsanspruch zu verneinen. Frühere Rechtsprechung habe die redaktionelle Gestaltung von der Werbung abgegrenzt. Eine mehrköpfige Redaktion sei nicht erforderlich, wenn es um Meinungsbildung gehe. Auch der Selbstverleger sei Destinatär der Pressefreiheit. In A. würden, und zwar nicht nur vom ihm – dem Antragsteller – Meldungen aus einer Vielzahl von Quellen gezielt ausgewählt und redaktionell (durch Kürzung oder Kommentierung) bearbeitet. Wenn eine Reihe von Pressemitteilungen einer Anwaltskanzlei, die womöglich auch nur von einem einzigen damit betrauten Anwalt geschrieben worden sei, ein redaktionell-journalistisches Angebot sei (was das OLG Bremen bejaht habe), dann A. erst recht. Die Pflichten eines verantwortlichen Redakteurs habe er – der Antragsteller – wahrgenommen, als er bei einem vor dem AG Regensburg vor einigen Jahren geschlossenen Vergleich die redaktionelle Verantwortung für einen von einem anderen A. -Mitarbeiter geschriebenen Beitrag (Wiedergabe eines Leserbriefes mit despektierlicher Betreffzeile) übernommen habe.

Der Antragsteller macht zudem geltend, dass ihm der Auskunftsanspruch auch aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit zustehe. Seit 1994 beschäftige er sich wissenschaftlich mit Kulturverlusten bei historischen Sammlungen. Der Antragsteller verweist in diesem Zusammenhang auf eine in seinem Weblog veröffentlichte Publikationsliste. Das vielfach zitierte Urteil zum Auskunftsanspruch eines Wissenschaftsautors aus dem Jahre 1995 habe er, der Antragsteller, seinerzeit erwirkt.

Zur Eilbedürftigkeit der Sache verweist der Antragsteller auf den Aktualitätsbezug der begehrten Auskunft. Es sei wichtig, dass die Stadt S. endlich gegenüber der Presse und der allgemeinen Öffentlichkeit die näheren Umstände der von vielen als skandalös eingeschätzten Verkäufe bekanntgebe. Eine Hauptsacheentscheidung nach Monaten oder Jahren würde ersichtlich die zur Unterstützung der öffentlichen Meinungsbildung bei einer brisanten aktuellen Veröffentlichung nötigen Informationen nicht rechtzeitig bereitstellen. Die Informationen seien auch für die Kampagne gegen den Bücherverkauf der Stadt wichtig. Es sei den Medien nicht verwehrt, meinungsbildende Kampagnen durchzuführen oder zu unterstützen und sich für die Informationsbeschaffung auf den ja auch für solche Zwecke geschaffenen Auskunftsanspruch des Presse- und Medienrechts zu berufen.

Es lägen keine Versagungsgründe vor, auf die der Antragsgegner die Auskunftsverweigerung stützen könne, was der Antragsteller näher ausführt. Nach archivrechtlichen Grundsätzen könne ohne weiteres Auskunft über Einzelstücke im Stadtarchiv verlangt werden. Es bestünde mit § 11 Archivgesetz M-V und § 9 der Archivsatzung der Stadt S. eine besondere Rechtsgrundlage für die auch durch Auskünfte mögliche Nutzung des Archivguts ohne hier einschlägige Versagungsgründe.

Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, die am 05. November 2012 der Stadt S. übermittelten Fragen zu Verkäufen aus ihrer Archivbibliothek ganz oder teilweise zu beantworten.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, dass dem Antragsteller weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund zur Seite stehe und führt dies näher aus.

Entscheidungsgründe

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Allerdings ist der aufrechterhaltene Antrag entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht unzulässig, weil das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfallen wäre. Der Antragsteller macht geltend, dass insoweit die Beantwortung bzw. Stellungnahme des Antragsgegners den durch den Antragsteller geltend gemachten Anspruch auf Auskunftserteilung nicht erfülle. Damit steht sein Rechtsschutzbedürfnis außer Frage.

Der Antrag ist aber unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht – auch schon vor Klageerhebung – eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).

Sicherungs- und Regelungsanordnungen setzen voraus, dass der Antragsteller eine die einstweilige Maßnahme rechtfertigende Rechtsposition innehat (Anordnungsanspruch) und dass derartige Maßnahmen außerdem notwendig sind (Anordnungsgrund).

Der § 123 Abs. 1 VwGO räumt dem Gericht keine schrankenlose Befugnis zum Erlass einer einstweiligen Anordnung ein. Eine Regelungsanordnung, wie sie der Antragsteller beantragt hat, setzt voraus, dass die Gefahr besteht, dass ohne die begehrte Regelung dem Antragsteller „wesentliche Nachteile“, „drohende Gewalt“ oder andere vergleichbare Nachteile drohen. Ob eine solche unmittelbare Gefährdung der Rechtsposition des Antragstellers vorliegt, ist aus der Sicht eines unbefangenen (objektivierten) Betrachters zu beurteilen. Bejaht werden kann sie nur, wenn das private Interesse des Antragstellers an der einstweiligen Regelung das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustandes überwiegt und die vorläufige Maßnahme unumgänglich ist, um wesentliche Beeinträchtigungen der Rechtsposition des Antragstellers zu verhindern.

Das gilt umso mehr, wenn die vom Gericht begehrte Regelung – wie im vorliegenden Fall – nicht nur rein vorläufigen Charakter hat, sondern durch sie die Hauptsache gleichsam vorweggenommen wird, das Rechtsschutzziel also mit dem des entsprechenden Klageverfahrens übereinstimmt. Es gilt insofern ein grundsätzliches Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, das im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dann ausnahmsweise durchbrochen werden kann, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Kopp/Schenke, VwGO, 18. A., § 123 Rn. 14).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die zudem auf Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet wäre, nicht gegeben.

Soweit der Antragsteller (auch) einen aus Art. 5 Abs. 3 GG hergeleiteten Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber dem Antragsteller als Wissenschaftler geltend macht, hat er das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Das Vorliegen einer eine einstweilige Anordnung erfordernden Eilbedürftigkeit ist insoweit weder geltend gemacht, noch sonst ersichtlich. Für die dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene Klärung des Bestehens eines aus der Wissenschaftsfreiheit herleitbaren Auskunftsanspruchs weist die Kammer im übrigen bereits jetzt darauf hin, dass ein solcher unmittelbar aus dem Grundgesetz hergeleiteter Anspruch allenfalls auf ermessenfehlerfreie Bescheidung der Anfragen des Antragstellers gerichtet sein könnte (vgl. VGH Baden-Württemberg a.a.O.) und der Antragsgegner zu den gestellten Auskunftsfragen des Antragsteller bereits Stellung genommen hat. Ungeachtet dessen bleibt auch der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob das zwischenzeitlich bestehende Informationsfreiheitsgesetz M-V mit seinen dort eingeräumten Auskunftsansprüchen einer Rechtsherleitung unmittelbar aus dem Grundgesetz entgegen steht, wie sie nach früherer Rechtslage in der Rechtsprechung noch für möglich gehalten wurde. Den für die Geltendmachung eines Anspruchs nach dem Informationsfreiheitsgesetz erforderlichen behördlichen Antrag (§ 10 Informationsfreiheitsgesetz M-V) hat der Antragsteller bisher nicht gestellt.

Soweit der Antragsteller mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Durchsetzung eines medien- bzw. presserechtlichen Auskunftsanspruchs begehrt, wäre zwar insoweit, wenn dem Antragsteller ein solcher Anspruch zustände, auch der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund – die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit – gegeben. Der Presse im weiteren Sinne kommt eine für die freiheitlichen-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland unerlässliche Aufgabe im Meinungsbildungsprozess zu, die sie bei Berichterstattungen mit starken Aktualitätsbezug nur effektiv nachkommen kann, wenn die ihr zustehenden Informationsrechte zeitnah durchgesetzt werden können (vgl. VGH München, Beschl. v. 13.08.2004 – 7 CE 04.1601 – Juris Rn. 27). Die durch den Antragsteller begehrten Auskünfte beziehen sich auf das aktuell in Presse und Medien aufgegriffene Thema des Verkaufs von Archivgut durch die Hansestadt S..

Dem Antragsteller steht aber kein Anordnungsanspruch zur Seite, auf den er einen Auskunftsanspruch als Presse- bzw. Medienvertreter stützen könnte.

Der Antragsteller erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Auskunftsberechtigung nach § 55 Abs. 3 i.V.m. § 9 a Rundfunkstaatsvertrag M-V (RStV).

Nach § 9 a Abs. 1 Satz 1 RStV haben Rundfunkveranstalter gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft, soweit nicht ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 9 a Abs. 1 Satz 2 RStV besteht. Gemäß § 55 Abs. 3 RStV gilt für Anbieter von Telemedien nach § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV § 9 a RStV entsprechend. § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV erfasst Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, und die zusätzlich zu den Angaben nach den §§ 5 und 6 des Telemediengesetzes einen Verantwortlichen mit Angabe des Namens und der Anschrift zu benennen haben. Telemedien sind nach § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 Satz 1 und 3 RStV sind.

Das Weblog A. ist ein Telemedium im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV, das durch den im Impressum als Verantwortlichen benannten Antragsteller angeboten wird. Ein Auskunftsanspruch nach den §§ 55 Abs. 3, 9 a RStV kann aber nur der Betreiber eines journalistisch-redaktionellen Angebotes geltend machen.

Dabei bezieht sich der Anwendungsbereich des § 55 Abs. 2 RStV seinem ausdrücklichen Wortlaut nach nicht ausschließlich auf eine Wiedergabe von Inhalten der auch in periodischen Druckerzeugnissen verbreiteten eigenen journalistisch-redaktionellen Arbeit, sondern erfasst diese lediglich insbesondere. Erfasst sind mithin auch solche journalistisch-redaktionelle Angebote vom Anwendungsbereich des § 55 Abs. 2 RStV, die ausschließlich elektronisch verbreitet werden (Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 55 Rn. 14d).

Journalistisch-redaktionell gestaltet ist ein Angebot eines Telemediums, wenn das Telemedium damit als elektronische Presse in Erscheinung tritt.

Erforderlich dafür ist zum einen, dass die gebotenen Informationen nach außen erkennbar nach ihrer gesellschaftlich angenommenen Relevanz ausgewählt und zusammengestellt werden. Daran fehlt es insbesondere bei Angeboten, mit denen Personen tagebuchartig aus dem eigenen Leben berichten (vgl. Held, in Hahn/Vesting, Rundfunkrecht, 3. Aufl. § 55 Rn. 55 i.V.m. § 54 Rn. 51).

Des Weiteren muss das Angebot insofern einen gewissen journalistisch-professionellen Eindruck vermitteln, als Tatsachen umfassend recherchiert und dabei verschiedene Informationsquellen genutzt werden, denn nach § 54 Abs. 2 RStV haben Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, … den anerkannten journalistischen Grundsätzen zu entsprechen und sind Nachrichten vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.

Im Hinblick auf das Erfordernis „redaktionell“ ist schließlich erforderlich, dass das Angebot einen gewissen Grad an organisatorischer Verfestigung aufweist, der Kontinuität gewährleistet. Journalistische Redaktionen setzen sich in der Regel aus spezifisch ausgebildeten Personen zusammen. Bestehen in diesem Sinne organisatorische Strukturen einer Redaktion, ist das Merkmal „redaktionell“ per se erfüllt; bei anderen Angeboten ist dies im Einzelfall festzustellen (Held, a.a.O. § 54 Rn. 55). Ausgehend von der Bedeutung des Begriffs „Redigieren“ liegt die Hauptaufgabe eines Redakteurs in der Auswahl des zu veröffentlichenden Materials und dessen Bearbeitung, z.B. durch die Darstellung eines Sachverhalts, durch Auswahl Kommentierungen Dritter oder durch eigene Wertungen Micklitz/Schirmbacher a.a.O. Rn. 14a). Soweit es an einer Auswahl und Strukturierung von Inhalten fehlt, sind Angebote nicht als journalistisch-redaktionell anzusehen (Held a.a.O. § 54 Rn. 49 mw.Nw.). An einer redaktionellen Gestaltung fehlt es insbesondere solchen Angeboten, bei denen die abrufbaren Informationen beliebig von ihren Nutzern eingestellt werden können, ohne redaktionell geprüft und gesichtet zu werden (vgl. VG Stuttgart, Urt. v. 22.04.2010 – 1 K 943/09 – Juris Rn. 29).

Das durch den Antragsteller mit der Internetseite A. bereitgestellte Informationsangebot wird im Impressum durch den Antragsteller wie folgt beschrieben: „A. ist ein Weblog, das Einträge rund um das Archivwesen aufnehmen soll. Off topic ist alles, was nichts – bei großzügiger Auslegung – zu tun hat mit der Berufspraxis von Archivarinnen und Archivaren (Staatsarchive, Stadtarchive usw.) sowie den Informationswünschen von Archivbenutzern und an Fachfragen des Archivwesens Interessierten. …. Jeder registrierte Nutzer darf Beiträge verfassen.“

Nach Angaben des Antragstellers sind im Gemeinschaftsweblog A. seit 2003 über 21.300 Artikel veröffentlicht worden, die meisten vom Antragsteller. Es handele sich um das führende deutsche Fachblog im Bereich Geisteswissenschaften und Archivwesen mit derzeit mindestens einigen hundert Lesern täglich. Im Impressum ist der Antragsteller als Verantwortlicher geführt.

Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller zur Beschreibung des Weblogs A. u.a. auf seine dort erfolgte Veröffentlichung eines Tagungsbeitrags des Antragstellers vom 08.03.2012 zum Thema „Wissenschaftsbloggen in A. & Co“ verwiesen. Dort ist unter anderem ausgeführt, dass A. im Jahr 2003 durch den Antragsteller als Gemeinschaftsblog zu Themen rund um das Archivwesen gegründet wurde. Die Teilnahme sei jedermann nach Anmeldung möglich. Es gehe um öffentliches Teilen von Wissen, nicht um eitle Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit. Des Weiteren ist in dem Beitrag ausgeführt, dass Blogs ein wissenschaftliches Experimentierfeld sein sollten und – gemäß dem vom Antragsteller geforderten neuen „Kult des Fragments“ – auch Unfertiges und Unausgereiftes aufnehmen sollten. Die Beiträge könnten dann – nach dem Prinzip der Bananensoftware“ – in der Öffentlichkeit reifen, bis der Autor – eventuell nach Einarbeitung von Hinweisen in den Kommentaren – einem etwas formelleren Medium, einer gedruckten Publikation … überantworte. Es schade aber auch nichts, wenn sie diese Veredelungsstufe nicht erreichen würden.

Nach Feststellungen der Kammer stammen die im Weblog veröffentlichten Beiträge überwiegend, aber nicht nur, vom Antragsteller. Die Seite wird regelmäßig, häufig täglich, durch neue Beiträge aktualisiert. Es besteht eine Möglichkeit zur Diskussion der Beiträge durch Nutzer der Seite, wobei der Antragsteller selbst an diesem Diskussionsforum mit eigenen Kommentaren teilnimmt.

Der Inhalt der Beiträge hat ganz überwiegend aktuelle Themen zum Thema Archivwesen im weiteren Sinne zum Gegenstand, die ersichtlich auf die Erzielung von Öffentlichkeitsinteresse gerichtet sind.

Nach Ansicht der Kammer fehlt es dem mit dem Gemeinschaftsweblog bereitgestellten Informationsangebot an der für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs erforderlichen redaktionellen Gestaltung.

Ausweislich des Impressums zeichnet sich für das Angebot keine (mehrköpfige) Redaktion, sondern allein der Antragsteller verantwortlich. Es ist mithin keine aus mehreren Personen bestehende redaktionelle Organisationsstruktur vorhanden, die auf eine redaktionelle Gestaltung des Angebots hinweisen würde.

Von einer redaktionellen Gestaltung des Angebots kann entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht schon deshalb ausgegangen werden, weil in den einzelnen Beiträgen des Angebots vielfach eine ausgewählte Zitierung von Fundstellen und Inhalten anderer Informationsangebote vorhanden ist. Ungeachtet dessen, dass die Zitierung aus anderen Informationsquellen mangels insoweit vorliegenden eigenen journalistischen Angebots jedenfalls allein für die Annahme eines journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebots nicht ausreichen würde (Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster (Hrsg.), Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 55 RStV Rn. 14a), steht die journalistisch-redaktionelle Gestaltung der einzelnen Beiträge des Angebots durch deren Verfasser hier nicht in Frage. Maßgeblich für das Bestehen eines Auskunftsanspruchs des Antragstellers ist jedoch nicht, ob die einzelnen Beiträge seines Angebots für sich gesehen redaktionell gestaltet sind, sondern ob das Angebot als solches – das Weblog insgesamt – redaktionell gestaltet ist.

Eine optische Herausstellung von redaktionell für besonders wichtig gehaltenen Beiträgen, die auf eine redaktionelle Gestaltung hinweisen könnte, weist das vorliegende Angebot als Weblog nicht auf. Unter einem Weblog werden solche Angebote verstanden, bei denen, wie bei dem hier zu beurteilenden, die Beiträge in zeitlicher Reihenfolge ihrer Erstellung quasi hintereinander weg veröffentlicht werden. Eine Voranstellung von durch den Anbieter als besonders wichtig gehaltenen Beiträgen findet bei dieser Darstellungsform nicht statt.

Zwar ist nicht auszuschließen, dass auch Weblogs im Einzelfall wegen anderer eine redaktionelle Gestaltung erkennen lassender Umstände dennoch die Anforderungen an ein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot erfüllen können (Held a.a.O. § 54 Rn. 58a RStV, ebenso Micklitz/Schirmbacher a.a.O. für „journalistische Weblogs“). Das hier zu beurteilende Gemeinschaftsweblog erfüllt diese Anforderungen aber gerade nicht.

Als Gemeinschaftsweblog lässt das Angebot des Antragstellers nach seiner Zielsetzung als Plattform eines breiten Informationsaustausches Beiträge anderer Autoren als dem Antragsteller grundsätzlich uneingeschränkt zu, soweit sie sich mit dem Fachthema des Archivwesens befassen. Die Teilnahme soll jedermann nach Anmeldung möglich sein und auch (wissenschaftlich) „Unfertiges und Unausgereiftes“ nicht von der Veröffentlichung ausgeschlossen sein. Eine redaktionelle Auswahl im Sinne einer zu treffenden Entscheidung welche Beiträge anderer Autoren veröffentlicht würden, würde dieser erklärten Zielsetzung als Plattform eines breiten Informationsaustausches widersprechen. Kennzeichnend für den gewünschten breiten Informationsaustausch ist gerade, dass die Kontrolle der veröffentlichten Inhalte auf ihre Richtigkeit nicht durch redaktionelle Auswahl und Überarbeitung, sondern durch Kommentierungen und Gegenbeiträge der anderen Nutzer erfolgen soll. Das Angebot des Antragstellers ist mithin kein redaktionell gestaltetes.

Dem Antragsteller ist schließlich auch nicht in seiner Auffassung zu folgen, dass dem durch den Gesetzgeber in § 55 Abs. 2 RStV verwandten Merkmal „redaktionell“ vor dem Hintergrund der einer am Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 GG) orientierten Sichtweise kein eigener Regelungsgehalt zuzuweisen sei, der dem Bestehen einer Auskunftsberechtigung entgegen zu halten sei. Die Regelung der Voraussetzungen eines presse- bzw. medienrechtlichen Auskunftsanspruchs ist dem Gesetzgeber vorbehalten und lässt sich nicht unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ableiten (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.1984 – 7 C 139/81 – Juris). Den hier in Frage stehenden medienrechtlichen Auskunftsanspruch hat der Gesetzgeber redaktionell arbeitenden Anbietern vorbehalten. Damit übereinstimmend korrespondiert das eingeräumte Auskunftsrecht mit presserechtlichen Pflichten, die ebenfalls das Bestehen einer redaktionellen Kontrolle verlangen. Nach § 54 Abs. 2 RStV haben Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten den journalistischen Grundsätzen zu entsprechen und sind Nachrichten vom Anbieter vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu überprüfen. An diese redaktionelle Verantwortlichkeit für die veröffentlichten Inhalte knüpft auch die presserechtliche Gegendarstellungspflicht an, denen die genannten Telemedien bei Vorliegen eines journalistisch-redaktionellen Angebots unterliegen (vgl. § 56 RStV).

Dem Antragsteller steht der hier geltend gemachte Auskunftsanspruch auch nicht aus § 4 Abs. 1 Landespressegesetz M-V (LPG M-V) zu, wonach die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft hat. Presse im Sinne dieses Gesetzes sind allein die Printmedien, wie sich der Bezugnahme auf Druckwerke in den weiteren Vorschriften des Gesetzes entnehmen lässt (vgl. § 7 Abs. 1, 10 Abs. 1, 12 ff., 19 Abs. 1 LPG M-V). Den Anspruch auf Auskunft können Vertreter der Presse in diesem Sinne geltend machen, die die konkret verlangte Auskunft für ihre Pressetätigkeit verwenden wollen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 06.10.1995 – 10 S 1821/95). Der Antragsteller hat zwar mit Vorlage eines Referenzschreibens einer Zeitschrift aus dem Jahre 2006 glaubhaft gemacht, dass er freier journalistischer Mitarbeiter eines Printmediums ist. Weder seinem Vortrag noch anderen Umständen lässt sich aber entnehmen, dass er die vorliegend begehrten Auskünfte neben der geltend gemachten beabsichtigten Verwendung für sein Weblog (auch) für einen beabsichtigten Artikel in der bezeichneten Zeitschrift verwerten wolle. Der Antragsteller hat damit das Vorliegen der Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 4 Abs. 1 LPG M-V nicht glaubhaft gemacht.

Ein Auskunftsanspruch des Antragstellers lässt sich schließlich auch nicht jedenfalls für einen Teil der begehrten Auskünfte aus dem Landesarchivgesetz M-V und / oder der Satzung für das Stadtarchiv der Hansestadt S. herleiten. § 9 der genannten Satzung sieht unter der Überschrift „Nutzung des Archivgutes durch Betroffene“ zwar in seinem Satz 1 einen Anspruch auf Auskunft aus dem Archivgut vor, beschränkt diesen aber auf das zu der Person des Betroffenen angelegte Archivgut. Um solches Archivgut geht es hier nicht. Des Weiteren lässt sich der geltend gemachte Auskunftsanspruch auch nicht aus dem mit § 9 Abs. 1 Satz 1 Landesarchivgesetz M-V geregelten Anspruch auf Nutzung von Archivgut herleiten. Dem Antragsteller geht es nicht um ein Recht zur Nutzung von Archivgut, sondern um Auskünfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Ziff. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Für das vorliegende Eilverfahren wurden je Auskunftsbegehren ½ des im Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Streitwerts von 5.000,- Euro (vgl. § 52 Abs. 2 GKG) zugrunde gelegt, wobei die Fragen 1 und 2 (den Vertrag betreffend) als einheitliches Begehren und die weiteren Fragen für die Wertfestsetzung jeweils als eigenständiges Auskunftsbegehren berücksichtigt wurden.

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