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Rechtsgrundlage für die Erhebung von Säumnisgebühren

Gericht: Verwaltungsgericht Braunschweig

Entscheidungsdatum: 07.02.2000

Aktenzeichen: 1 A 217/99

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Ein Bibliotheksnutzer klagt gegen einen Leistungsbescheid, mit der eine Stadtbibliothek Gebühren wegen der Überziehung der Leihfristen verlangt. Da sich die Bibliothek bei der Gebührenerhebung auf eine rechtswidrige Grundlage stützt, erklärt das Gericht die Erhebung der Säumnisgebühren für unzulässig.

Tenor: Der Bescheid der Beklagten vom 5.7.1999 und ihr Widerspruchsbescheid vom 29.10.1999 werden aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wird auf 11,40 DM festgesetzt.

Gründe Der Kläger hatte im Frühjahr 1999 eine Compact Disque und zwei Bücher aus der Städtischen Bücherei ausgeliehen. Weil er diese Medien erst nach Ablauf der Ausleihfrist zurückgebracht hatte, setzte die Beklagte gegen ihn durch Bescheid vom 5.7.1999 eine Versäumnisgebühr in Höhe von 11,40 DM fest. Hiergegen hat er nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 29.10.1999) Klage erhoben. Er hält die Erhebung der Säumnisgebühr für unzulässig und beantragt Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 5.7. und 29.10.1999. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und beantragt Klagabweisung. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die Klage hat Erfolg; denn die Erhebung einer Säumnisgebühr bei Überschreiten der Leihfrist in der Städtischen Bücherei ist unzulässig. Als Benutzungsgebühr kann die vom Kläger verlangte Säumnisgebühr, so wie die Beklagte diese rechtstechnisch ausgestaltet hat, nicht verstanden werden. Denn nach § 11 der Satzung über die Benutzung der Öffentlichen Bücherei der Stadt Braunschweig i.d.F. vom 9.5.1995 (Amtsblatt S. 18) ist die Benutzung der Bücherei gebührenfrei; bei Überschreitung der Leihfrist wird eine Gebühr nach der Verwaltungskostensatzung erhoben. Diese indessen regelt lediglich die Erhebung von Verwaltungsgebühren für Amtshandlungen und sonstige Verwaltungstätigkeiten der Stadt Braunschweig (vgl. § 1 Abs. 1 der Satzung vom 16.6.1992, Amtsblatt S. 17, zul. geänd. d. Satzung vom 11.11.1997, Amtsblatt S. 43). Als Verwaltungsgebührenregelung kann § 11 der Büchereisatzung i.V.m. lfd. Nr. 13.2 der Verwaltungskostensatzung keinen rechtlichen Bestand haben. Nach § 4 Abs. 1 NKAG können die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis Verwaltungsgebühren als Gegenleistung für Amtshandlungen und sonstige Verwaltungstätigkeiten erheben. Wenn sie das, wie hier die Beklagte, wollen, müssen sie nach § 2 Abs. 1 NKAG in der Satzung auch den die Abgabe begründenden Tatbestand bestimmen, d.h. eine Leistungsbeschreibung der gebührenpflichtigen Amtshandlung oder sonstigen Verwaltungstätigkeit vornehmen. Bereits an diesem formellen Erfordernis fehlt es hier; denn es wird in der Verwaltungskostensatzung kein Leistungsvorgang der Stadt bezeichnet, sondern allein ein Verhalten des Benutzers, der die Leihfrist überschreitet. Schon dieser Mangel macht die Satzungsbestimmung rechtswidrig. Davon abgesehen leidet diese Vorschrift noch an einem weiteren Mangel. Nach Auffassung der Beklagten soll die Säumnisgebühr die Verwaltungstätigkeit abgelten, die die Stadt nach Überschreiten der Leihfrist entwickelt, nämlich Feststellung des Ablaufs der Leihfrist und Feststellung der Zahl der Überziehungstage und Höhe der verwirkten Säumnisgebühr sowie deren Festsetzung. Dabei übersieht die Beklagte, dass eine Verwaltungsgebühr immer nur die Gegenleistung für eine Amtshandlung oder sonstige Verwaltungstätigkeit ist, die Gebührenerhebung selbst indessen diese Gegenleistung allein nicht sein kann. Zum Dritten spricht auch die Ausgestaltung der Säumnisgebühr, die zusätzlich zur Gebühr für eine Einschreibmahnung erhoben wird, dagegen, dass mit ihr tatsächlich ein Verwaltungsaufwand der Stadt abgegolten werden soll. Daraus, dass die „Säumnisgebühr“ von Tag zu Tag bis zum Höchstbetrag von 25,00 DM ansteigt, wird der wahre Zweck dieser Abgabe deutlich: Sie soll die Benutzer, wie die Beklagte selbst ausführt, dazu anhalten, den Ablauf der Leihfrist zu beachten. Ein Druckmittel dieser Art einzuführen, fehlte der Beklagten indessen die rechtliche Kompetenz. Die Vorschriften der Abgabenordnung über den Verspätungszuschlag (§ 155 AO) und die Säumniszuschläge (§ 240 AO; vgl. auch § 7 a Nds. VwKG) gelten zwar auch im niedersächsischen kommunalen Abgabenrecht (§ 11 NKAG), betreffen indessen andere Sachverhalte, nämlich nur die Folgen der Säumnis bei Abgabe einer Steuererklärung bzw. bei Zahlung festgesetzter Steuern. In Fällen der vorliegenden Art gibt das Gesetz den Kommunen nicht die Möglichkeit, abgabenrechtliche Druckmittel eigener Art, wie hier auf gebührenrechtlicher Grundlage, einzuführen. Aus jedem dieser drei Gründe ist daher die Erhebung einer Säumnisgebühr unzulässig, so dass die vom Kläger angefochtenen Bescheide aufzuheben waren. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO, 13 Abs. 2 GKG.
Streitwertbeschluss: Der Streitwert wird auf 11,40 DM festgesetzt.

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