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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg

Entscheidungsdatum: 05.09.2013

Aktenzeichen: 12 K 1800/12

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract:

Vor Gericht steht die Frage, ob E-Books mit dem ermäßigten Steuersatz von 7%, der auch für Bücher gilt, bewertet werden können, statt der üblichen 19%. Die Klägerin, eine GmbH, die Lizenzen von Verlagen kauft und diese dann an Bibliotheken zu verschiedenen Lizenzmodellen vertreibt, wollte E-Books zu einem Steuersatz von 7% lizenzieren, und klagt dies vor Gericht ein. Das Gericht weist die Klage ab, lässt aber die Revision zu.

Instanzenzug:

Finanzgericht Baden-Württemberg, 05.09.2013 – 12 K 1800/12

Bundesfinanzhof, 03.12.2015 – V R 43/13

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Umsätze der Klägerin aus dem Vertrieb von Nutzungsrechten an digitalen Medien dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung betriebene Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20. Juli 2005 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist gem. § 2 des Gesellschaftsvertrags (Bl. 17 der Allgemeinen Akte) in der geänderten Fassung vom 23. Februar 2006 (Bl. 39 ff. der Allgemeinen Akte) die Entwicklung, der Vertrieb und der Betrieb von digitalen virtuellen Bibliotheken, der Vertrieb von Medien und Lizenzen an verschiedene Kundengruppen, die Entwicklung, der Vertrieb und der Betrieb von ergänzenden oder erweiterten Bibliotheksprodukten oder Bibliotheksdienstleistungen im digitalen Kontext, insbesondere auch Bibliotheksmanagement- und Bibliotheksinkassolösungen sowie Werbe- und Marketing-Dienstleistungen im Bibliotheksumfeld einschließlich aller damit zusammenhängenden Tätigkeiten.

Dementsprechend schließt die Klägerin mit einer Vielzahl von Verlagen als Rechteinhaber der Verwertungsrechte der jeweiligen Werke entsprechende Lizenzverträge ab, die es ihr, der Klägerin, ermöglichen, diese Werke weiter zu nutzen.

Die Klägerin bietet hierfür entsprechende technische Einrichtungen in Form von Servern und Dienstleistungen auf dem Datenverarbeitungssektor an, welche es Kunden ermöglichen, auf diesen technischen Einrichtungen abgelegte Daten zu nutzen und ggf. Dritten zugänglich zu machen.

Im Rahmen dieser Betätigung arbeitet die Klägerin insbesondere mit Büchereien zusammen, über die Werke wie Bücher (e-books), Musiktitel usw. in elektronischer Form Nutzern dieser Büchereien für einen befristeten Zeitraum zugänglich gemacht werden. Hierfür werden die ausgeliehenen Werke mit einem elektronischen, digitalen Schlüssel versehen, der sicherstellt, dass die Nutzung nur für den vorgegebenen Zeitraum und nur auf dem oder den zuvor festgelegten elektronischen Geräten möglich ist (sog. Digital Rights Management – DRM).

Auf der Grundlage dieser Verträge schließt die Klägerin einerseits Verträge mit Büchereien über die Zurverfügungstellung und Nutzung der technischen Einrichtungen, die von der Klägerin zur Verfügung gestellt werden, ab. Diese Leistungen werden gesondert vergütet; die hierfür bezahlten Entgelte werden von der Klägerin umsatzsteuerlich dem Regelsteuersatz unterworfen. Die steuerliche Behandlung dieser Entgelte ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Andererseits schließt die Klägerin mit den Büchereien sog. Rahmenverträge „über die Bereitstellung von Inhalten zum digitalen Ausleihen in einer Digitalen Virtuellen Bibliothek“ ab.

Gem. § 1 dieses Rahmenvertrages (Anlage 2 zur Klageschrift, Anlageband zur Gerichtsakte) legen „die Vertragsparteien […] mit diesem Vertrag den Rahmen für die Bereitstellung von urheberrechtlich geschützten Sprachwerken, Hörbüchern, Hörspielen, digitalen Medien wie Videos und Software usw. (im folgenden als ‚Inhalte‘ bezeichnet) zum digitalen Ausleihen für registrierte Bibliotheksnutzer im Rahmen einer ‚Digitalen Virtuellen Bibliothek‘ […] durch den Erwerb von sogenannten ‚Lizenzen‘ fest“.

Gem. § 2 Abs. 1 des Rahmenvertrages stellt die Klägerin den „registrierten Bibliotheksnutzern […] Inhalte zum digitalen Ausleihen im Rahmen ‚dieser unterschiedlich ausgestalteten Lizenzen‘ […] zur Verfügung“. Hierbei „wird“ die Klägerin „oder ein Dritter den registrierten Bibliotheksnutzern die Inhalte öffentlich zugänglich machen und ihnen für die Inhalte das einfache, nicht übertragbare, auf die Ausleihfrist der [Bibliothek] zeitlich befristete Recht einräumen, die ihnen öffentlich zugänglich gemachten Inhalte in der digitalen Form, die in der jeweiligen ‚Lizenz‘ festgelegt ist, zu vervielfältigen (insbesondere durch Herunterladen) und für die Ausleihfrist den öffentlich zugänglich gemachten Inhalt auf den in der jeweiligen ‚Lizenz‘ festgelegten Datenträger(n) zu speichern und die Inhalte für die Ausleihfrist auf allen in der jeweiligen ‚Lizenz‘ festgelegten Geräten abzuspielen und/oder auszudrucken.“

Zur Bereitstellung von Inhalten zum digitalen Ausleihen an registrierte Bibliotheksbenutzer bietet die Klägerin der jeweiligen Bibliothek gegen Gebühr verschiedene Lizenzen an, mit denen der Bibliothek gestattet wird, den von ihr registrierten Nutzern ausgewählte Werke über die jeweilige Bibliothek auszuleihen. Diese können auch online von der Bibliothek erworben oder nachbestellt werden (§ 3 des Rahmenvertrages).

Zum Auffinden der ausleihfähigen Werke ermöglicht die Klägerin den Bibliotheksnutzern die Recherche nach Inhalten in der „Digitalen Virtuellen Bibliothek“ und stellt kostenlose Lese-, Audio- oder Videoproben zur Verfügung.

Außerdem darf die Klägerin gem. § 2 Abs. 7 des Rahmenvertrages durch Verlinkung mit ihren Webseiten auch selbst eine Ausleihe vornehmen, wobei hierfür die jeweilige Bibliothek „in angemessener Weise mit bis zu 8% an den erzielten Nettoumsatzerlösen zu beteiligen“ ist. Von der Bibliothek erzielte Ausleihentgelte verbleiben dagegen grundsätzlich bei dieser.

Inhalt des Benutzungsverhältnisses zwischen Bibliotheksnutzern und der jeweiligen Bibliothek sind außerdem von der Klägerin entworfene „Allgemeine Benutzungsbedingungen der […] (Klägerin) für das digitale Ausleihen von Inhalten aus der ‚Onleihe‘“ (Anlage 4 zur Klage). Hiernach übernimmt die Klägerin die technische Realisierung der „digitalen Ausleihe“. Die Abrechnung der jeweiligen Nutzung erfolgt im Verhältnis zur Bibliothek. Die Benutzungsbedingungen regeln ferner detailliert die urheberrechtlichen Verpflichtungen des jeweiligen Endnutzers und die Abwicklung des Ausleihvorganges. Diese Benutzungsbedingungen gelten ausweislich deren § 1 Abs. 2 „für sämtliche entgeltlich und unentgeltlich bereitgestellten digitalen Inhalte“.

Die Klägerin unterwarf im Rahmen der von ihr eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen die in dem Streitzeitraum aus dem Vertrieb der Nutzungsrechte erzielten Umsätze dem ermäßigten Umsatzsteuersatz in Höhe von 7 v. H. gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG.

Im Oktober 2011 fand bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Außenprüfung statt. Hierbei kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständlichen Umsätze dem Regelsteuersatz in Höhe von 19 v. H. zu unterwerfen seien. Der Beklagte erließ mit Datum vom 30. Januar 2012 (Bl. 26 der Akte Voranmeldungsverfahren) einen entsprechend geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid.

Der hiergegen eingelegte Einspruch vom 8. Februar 2012 blieb ausweislich der Einspruchsentscheidung vom 23. April 2012 (Bl. 44 ff. der Akte Voranmeldungsverfahren ohne Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Die Klägerin trägt vor, im Streitfall liege zivilrechtlich eine Urheberrechtskette vor. Allerdings sei nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG auch die Einräumung und Übertragung von Nutzungsrechten durch den Urheber oder auch den Nutzungsberechtigten an Dritte steuerbegünstigt. Derartige Nutzungsrechte könnten nicht nur von dem Urheber selbst, sondern auch auf zweiter und dritter Ebene, z.B. durch den Lizenznehmer, an einen Dritten eingeräumt werden. Dies sehe § 35 UrhG ausdrücklich vor.

Im Streitfall bestehe der wirtschaftliche Gehalt der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der jeweiligen Bibliothek darin, dieser das Recht einzuräumen, die digitalen Inhalte im Rahmen ihrer Betätigung an ihre Bibliotheksnutzer weiter verleihen zu dürfen. Das Entgelt hierfür bemesse sich nach der Anzahl der von der Bibliothek erworbenen, im Rahmenvertrag so genannten „Lizenzen“, also danach, wie oft die Bibliothek die digitalen Inhalte weiter „verleihen“ dürfe. Dieses Recht stelle aber ein Verwertungsrecht nach dem Urheberrechtsgesetz dar. Somit werde das Entgelt für die Einräumung von Rechten nach dem Urheberrechtsgesetz gezahlt. Dies sei die Hauptleistung. Hierbei benutze die Bibliothek den Inhalt nicht lediglich, sondern nutze ihn im Rahmen des eigenen Geschäftsmodells zu den von ihr selbst festgelegten Bedingungen.

Der wirtschaftliche Gehalt des vorliegenden Geschäfts sei demnach darauf gerichtet, die Bibliothek als Leistungsempfänger urheberrechtlich in die Lage zu versetzen, die Inhalte an ihre Bibliotheksnutzer „auszuleihen“. Es handle sich demnach gerade nicht um die Nutzungsüberlassung digitaler Inhalte, sondern ausschließlich um die Einräumung der Nutzungsrechte an den digitalen Inhalten.

Das „Kerngeschäft“ der Klägerin sei nicht das kostenpflichtige Ausleihen von Büchern, sondern die Einrichtung von digitalen, virtuellen Bibliotheken und die Zurverfügungstellung von digitalen Medien zum Ausleihen durch registrierte Bibliotheksnutzer der jeweiligen Bibliothek. Hierbei handle es sich aber nicht um eigene digitale virtuelle Bibliotheken der Klägerin, sondern um solche der jeweiligen Bibliothek.

Der Klägerin seien auch die jeweiligen Nutzer nicht bekannt. Die Rechtsbeziehung zwischen ihr – der Klägerin – und registrierten Bibliotheksnutzern diene lediglich der Erfüllung von Verpflichtungen einer Bibliothek aus dem Benutzungsverhältnis mit den registrierten Bibliothekskunden. Dem Kundenstamm der Bibliothek komme hierbei keine eigene wirtschaftliche Bedeutung „im Sinne eines Entgelts“ zu.

Der Beklagte hat am 21. Dezember 2012 (Bl. 17 f. der Umsatzsteuerakte, Bd. III) einen Umsatzsteuerjahresbescheid für 2011 erlassen. Dieser wurde gem. § 68 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über Umsatzsteuer für das Kalenderjahr für 2011 vom 21. Dezember 2012 zu ändern und den Betrag der festgesetzten Steuer um 171.816 Euro zu mindern,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Zur Begründung trägt er vor, Hauptleistung der von der Klägerin erbrachten Leistung sei die Nutzungsüberlassung von digitalen Informationsquellen an die Bibliothek bzw. deren Bibliotheksnutzer und somit gerade nicht in der Verwertung des Werkes, sondern lediglich dessen bestimmungsgemäße Benutzung.

Am 6. März 2012 ist ein Gerichtsbescheid ergangen (Bl. 85 ff. der Gerichtsakten), worauf die Klägerin mit Schreiben vom 11. April 2013 (Bl. 103 ff. der Gerichtsakten) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat. Diese hat am 5. September 2013 stattgefunden. Auf die Niederschrift hierzu wird Bezug genommen.

Der Sach- und Streitstand beruht auf den Gerichtsakten, den von der Klägerin eingereichten Unterlagen und den von dem Beklagten vorgelegten Behördenakten (§ 71 Abs. 2 FGO). Auf diese Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist unbegründet.

Gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO hebt das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur auf, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der streitgegenständliche Umsatzsteuerbescheid ist jedoch rechtmäßig. Der Beklagte hat zu Recht die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes verweigert.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. der Bemessungsgrundlage für Umsätze durch die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben.

Begünstigt ist danach die Einräumung (durch vertragliche Bestellung) und Übertragung von Verwertungsrechten, die aus dem Urheberrecht abgeleitet werden, durch den Urheber oder den Nutzungsberechtigten an Dritte (z.B. an Verleger oder Verwertungsgesellschaften). Das Urheberrecht als solches ist grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 Satz 2 UrhG). Die ebenfalls steuerermäßigte Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (regelmäßig durch Verwertungsgesellschaften), ist u.a. auf Einräumung von Nutzungs- oder Einwilligungsrechten und die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen gerichtet. Durch die Einräumung von Nutzungsrechten (§ 31 Abs. 1 UrhG) wird der Empfänger berechtigt, das Werk neben dem Urheber oder anderen Nutzungsberechtigten (einfaches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 2 UrhG) oder unter Ausschluss aller anderen Personen (ausschließliches Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG) auf die ihm vertraglich eingeräumte Art zu nutzen.

§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG verlangt, dass der Rechtsinhaber dem Leistungsempfänger nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem wirtschaftlichen Gehalt des Umsatzes das Recht zur Verwertung des Werks gemäß den Bestimmungen des UrhG (insbesondere durch Vervielfältigung und Verbreitung) einräumt und nicht nur die bestimmungsgemäße Benutzung gestattet. Die Einräumung oder Übertragung der urheberrechtlichen Nutzungsrechte muss Hauptbestandteil der einheitlichen Gesamtleistung sein (BFH-Urteile vom 14. Februar 1974 V R 129/70, BStBl II 1974, 261; vom 25. November 2004 V R 25/04, V R 26/04, BStBl II – 2005, 419; vgl. auch Abschn. 168 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien – UStR – Bundesministerium der Finanzen – BMF -, Schreiben vom 22. Dezember 1993, BStBl I 1994, 45 bezgl. Computerprogrammen; Vogel/Schwarz, Kommentar zum UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 7 c, Rn. 26 ff.; Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 12 Rn. 310 und 321).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), der sich der BFH angeschlossen hat, gelten für die Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze (vgl. EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 C-349/96, Card Protection Plan, Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 1999, 254 Rn. 29, 30; vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – Beilage 2006, 38 Randnrn. 19 bis 22; vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2007, 1160, BFH/NV Beilage 2007, 398 Rn. 17, 18; BFH-Urteile vom 13. Juli 2006 V R 24/02, BFHE 213, 430, BStBl II 2006, 935, unter II.2.c aa, vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712):

Jeder Umsatz ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.

Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (z.B. EuGH-Urteil Levob in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Randnr. 22).

Bei der Auslegung des § 12 Abs. 2 UStG ist ferner zu beachten, dass die Tatbestände des § 12 Abs. 2 UStG Ausnahmetatbestände darstellen und als solche eng auszulegen sind (Heidner in Bunjes, UStG, § 12 Rz. 5 m. w. Nachw.).

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze kann die Klägerin im Streitfall für die von ihr getätigten streitgegenständlichen Umsätze nicht die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes verlangen.

Im Streitfall räumt die Klägerin den jeweiligen Bibliotheken zwar als „Lizenzen“ bezeichnete Rechte an den jeweiligen urheberrechtlich geschützten Werken ein. Das eigentliche Nutzungsrecht an diesen Werken gibt sie jedoch zu keinem Zeitpunkt aus der Hand. Sämtliche wesentlichen Ausleihschritte erfolgen über und durch die Klägerin. Die Rolle der jeweiligen Bibliothek beschränkt sich auf die Zurverfügungstellung eines „Ausleihplattform“ im Rahmen ihres Bibliotheksauftritts. Die Bibliothek selbst „vermittelt“ hierbei lediglich den „Kontakt“. Selbst Leseproben stellt sie nicht selbst, sondern ausschließlich über die Klägerin zur Verfügung. Die Bibliothek bietet hierfür ihrer Kundschaft lediglich eine „Benutzungsoberfläche“ zur Einsicht in die ausleihfähigen Werke an. Zu keinem Zeitpunkt jedoch stellt die Bibliothek selbst das gewünschte Werk zur Verfügung, dieses wird ausschließlich von der Klägerin auf deren Servern „bevorratet“ und zur Verfügung gestellt. Dies wird auch durch die unmittelbare Einbeziehung der Klägerin in das Ausleihverhältnis durch die Geltung der von der Klägerin entworfenen „Allgemeinen Benutzungsbedingungen“ zwischen dem Bibliotheksnutzer und der Bibliothek deutlich, nach denen die Klägerin die technische Realisierung und die „Abwicklung“ der digitalen Ausleihe übernimmt. Nachdem gem. § 2 Abs. 1 des Rahmenvertrages die Klägerin die digitalen Inhalte zur Verfügung stellt und die Klägerin den Kunden ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht einräumt, entsteht eine eigene Leistungsbeziehung zwischen dem Bibliothekskunden und der Klägerin. Hierdurch„ nutzt“ die Bibliothek das Werk aber nicht selbst, sondern „benutzt“ dieses lediglich. Das ist aber nicht begünstigt (vgl. Heidner in Bunjes, UStG, 11. Auflage 2012, § 12 Rz.112).

Im Streitfall erfolgt demnach als Hauptleistung der Klägerin keine Übertragung von Verwertungsrechten im Sinne des UrhG, sondern lediglich eine bestimmungsgemäße Nutzung der von der Klägerin weiterhin verwalteten und von dieser als Rechteinhaberin genutzten Werke. Hauptbestandteil des Geschäftsmodells der Klägerin ist nämlich nicht die gebührenpflichtige Zurverfügungstellung von Lizenzen an die jeweilige Bücherei, sondern das von der Klägerin selbst betriebene Geschäft der kostenpflichtigen Ausleihe von Medien an Endnutzer, wobei die Geschäftsbeziehung zu diesen, die Anbahnung des geschäftlichen Kontakts über die als Vermittler der Klägerin dienenden öffentlichen Büchereien erfolgt, deren Nutzerkreis sich die Klägerin auf diese Weise zugänglich macht und deren flächenmäßige Präsenz sich die Klägerin im Rahmen ihres ganzheitlichen Geschäftsmodells, nämlich der Online-Ausleihe von elektronischen Medien, zu Nutze macht. Im Vordergrund der Leistung der Klägerin steht damit nicht die Lizenzvermittlung an die Bibliotheken. Diese ist nur Nebenfolge des einheitlichen Geschäftsmodells der Klägerin, dem Verleihen von elektronischen Medien an Endkunden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO zur Rechtsfortbildung zuzulassen.

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