HAW Hamburg HAW Hamburg

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht

Entscheidungsdatum: 26.06.2006

Aktenzeichen:
9 Verg 2/06

Entscheidungsart: Beschluss

eigenes Abstract: Die Ausschreibung für das Los der Sprinkleranlage in der Anna-Amalia-Bibliothek wurde nach Beschwerde eines unterlegenen Mitbieters aufgehoben, da eine Beschränkung der ausgeschriebenen Bauleistung auf ein im Leistungsprofil genau fest gelegtes Hochdrucknebelsystem vergaberechtlich nicht gerechtfertigt ist.

Instanzenzug:
– Vergabekammer Thüringen vom 26.04.2006, Az. 360-4002.20-013/06-WE-S
– Thüringer OLG vom 26.06.2006, Az. 9 Verg 2/06

Tenor
1. Der Beschluss der Vergabekammer wird abgeändert. Die streitgegenständliche Ausschreibung betreffend „Los 40: Sprinkler“ wird aufgehoben.
2. Die Vergabestelle hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer und dem Vergabesenat, einschließlich der des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 118 GWB, zu tragen. Sie hat der Antragstellerin die in beiden Rechtszügen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen, auch soweit sie für die Zuziehung von Rechtsanwälten angefallen sind, zu erstatten. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 19.870,– € festgesetzt.

Gründe
I.

Die Vergabestelle schreibt als Teil der Sanierung der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar unter Los 40 eine automatische Feuerlöschanlage für die Phase des unmittelbaren Brandausbruchs – noch vor Eintreffen der Feuerwehr – aus. Nach dem Wortlaut der Vergabebekanntmachung ist Gegenstand des Loses 40 ein „Sprinkler VdS anerkanntes Hochdrucknebelsystem für OH1-Risiken“ .

Im Vorfeld der Ausschreibung hatte die Vergabestelle ein externes Brandschutzgutachten eingeholt, um sich über die technischen Möglichkeiten und Anforderungen eines automatischen Brandbekämpfungssystems zu unterrichten. In der ersten Fassung dieser als „Brandschutzkonzept/Vorplanung“ bezeichneten Expertise des Sachverständigen A. vom 07.12.2004 findet sich folgende Passage:
„… stehen zwei Varianten zur Auswahl:
Hochdruck-Wassernebellöschanlage
Oder Gaslöschanlage.
Die Entscheidung, ob eine Gas- oder Wassernebellöschanlage eingesetzt wird, ist noch nicht getroffen. Sie bedarf einer sorgfältigen Abwägung.“

Im Ergänzungsgutachten vom 20.02.2005 werden die technischen Vorzüge und Nachteile einer herkömmlichen Sprinkleranlage, einer Gaslöschanlage und eines „Wassernebellöschsystems“ im Detail gegeneinander abgewogen. Dabei konzentrierte sich die Betrachtung auf eine Hochdruckwassernebelanlage, deren Konzept im Ergebnis einer Besprechung mit der Vergabestelle vom 21.02.2005 für „die weitere Planung im Detail weiter bearbeitet“ werden sollte und die schließlich ausdrücklich zum Gegenstand des Loses 40 der Vergabebekanntmachung gemacht wurde.

An der Ausschreibung beteiligen sich vier Bieter. Die Beigeladene bietet das ausgeschriebene „Hochdrucknebelsystem“ an. Gegenstand der als Nebenangebot bezeichneten Bewerbung der Antragstellerin ist hingegen ein sog. „Niederdrucknebelsystem“. Dass auch dieses die Eigenschaft eines „Wassernebelsystems“ besitzt, wonach definitionsgemäß die Verdichtung des im Brandfall eingesetzten Löschwassers auf eine Tropfengröße von weniger als 1000 Mikrometer vorausgesetzt wird (vgl. die dem Angebot der Antragstellerin beigefügte Messuntersuchung der Universität Stuttgart vom 07.11.2005) steht zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht in Frage. Gleichwohl will die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin ausschließen, weil es nicht die für ein „Hochdrucknebelsystem“ charakteristischen technischen Parameter aufweise. Die Antragstellerin hält demgegenüber das von ihr angebotene Verfahren bezogen auf die von der Vergabestelle mit der Bauleistung intendierten Zwecke – geringst möglicher Wassereinsatz zur Schonung der Buchbestände bei maximaler Löscheffizienz – für technisch gleichwertig.

Ein fortlaufend geführter Vergabevermerk hinsichtlich Planung, Vorbereitung, Entscheidungsphasen und Durchführung des Ausschreibungsverfahrens ist den von der Vergabestelle vorgelegten Akten nicht zu entnehmen. Es fehlen insbesondere Unterlagen, welche die Prüfungs- bzw. Willensbildungsbildungsprozesse der zuständigen Organe der Vergabestelle dokumentieren. Ein als „Vergabevermerk gemäß § 30 VOB/A“ überschriebenes ausgefülltes Formularblatt vom 22.02.2006 mit einem Vergabevorschlag zugunsten der Beigeladenen ist allein vom Sachverständigen S. unterzeichnet, der die Vergabestelle bei der Ausschreibung berät. Das Feld „geprüft und einverstanden“ ist leer. Ferner befindet sich in der Akte ein Schreiben des Projektanten D. an die Vergabestelle, worin ein Vorschlag zur Formulierung der Absageschreiben an die unterlegenen Bieter enthalten ist. Die – soweit ersichtlich – einzigen von Mitarbeitern bzw. Organen der Vergabestelle (mit)gezeichneten Unterlagen sind das Protokoll des Submissionstermins und die Mitteilungsschreiben an die Beigeladenen und die übrigen Bieter vom 23.02.2006, worin auf die Zuschlagsabsicht zugunsten der Beigeladenen hingewiesen wird.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen. Das von der Antragstellerin angebotene Löschverfahren entspreche nicht den Ausschreibungsvorgaben, da es nicht über die für ein „Hochdrucknebelsystem“ maßgebenden Eigenschaften verfüge. Zur Beschränkung des Wettbewerbs auf ein Verfahren dieser technischen Spezifikation sei die Vergabestelle berechtigt gewesen, da nur auf diese Weise ihre Anforderungen einer möglichst buchbestandsschonenden und feuchtigkeitsminimierten Brandbekämpfung zu erfüllen seien. Diese Überzeugung stützt die Vergabekammer auf eingehende technische Überlegungen, die sie wohl überwiegend den Ausführungen des o.g. Brandschutzgutachtens entnommen hat. Zu den technischen Eigenschaften des von der Antragstellerin angebotenen „Niederdrucknebelsystems“ hat sich die Vergabekammer nicht näher geäußert, sondern sich insoweit mit der Feststellung begnügt, dass „Wasserlöschsysteme, die kein Hochdruckwassernebellöschsystem sind, offensichtlich nicht in der Lage waren, die Anforderungen der Vergabestelle zu erfüllen“.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde rügt die Antragstellerin im wesentlichen den unvollständigen Vergabevermerk der Vergabestelle, der nicht erkennen lasse, ob das von ihr angebotene Niederdrucknebelsystem vor oder während der Ausschreibung jemals näher betrachtet worden sei. Danach seien tragfähige Gründe im Sinne des § 9 Nr. 5 VOB/A, die eine Beschränkung des Wettbewerbs auf „Hochdrucknebelsysteme“ rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich. Im Übrigen sei an keiner Stelle der Vergabeakten hinreichend dokumentiert, dass die Vergabestelle selbst die maßgeblichen Prüfungen vorgenommen und die Vergabeentscheidungen, insbesondere die der Auswahl des Zuschlagsaspiranten, in eigener Verantwortung getroffen habe.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Aufhebung der Vergabekammerentscheidung die streitgegenständliche Ausschreibung, „Los 40 – Sprinkleranlage“, aufzuheben,
Die Vergabestelle beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält objektive Kriterien im Sinne des § 9 Nr. 5 VOB/A für gegeben, welche die Beschränkung der Ausschreibung auf ein „Hochdrucknebelsystem“ rechtfertigten. Es sei ausschließlich Sache der Vergabestelle festzulegen, welche Leistung mit welchen technischen Anforderungen sie einkaufe. Gerade im vorliegenden Fall habe sich die Vergabestelle erst nach eingehender sachverständiger Beratung und unter Berücksichtigung der Vorerfahrungen aus dem Brandereignis im Jahre 2004 für das ausgeschriebene Löschverfahren entschieden. Es sei nicht ihre Pflicht, sich vorab mit jedweder auch nur entfernt in Betracht kommender technischen Lösungsmöglichkeit auseinander zu setzen oder diese zum Wettbewerb zuzulassen. Daher sei die Schlussfolgerung der Vergabekammer nicht zu beanstanden, dass ein offener Wettbewerb dann nicht stattzufinden brauche, wenn von vornherein feststünde, das nur ein bestimmtes Verfahren überhaupt in der Lage sei, die aus der Aufgabenerfüllung abgeleiteten Anforderungen der Vergabestelle zu erfüllen.

Im Übrigen habe sich der von der Vergabestelle konsultierte Brandsachverständige A. bereits im Vorfeld der Ausschreibung anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung über die Eigenschaften eines „Niederdrucksystems“ informiert und diese Lösung aus technischen Gründen ausgeschlossen. Da sich die Vergabestelle der Unterstützung des Sachverständigen bedient habe, stehe das einer Befassung der Vergabestelle gleich. Aufgrund der Schwierigkeit der Materie dürften die Anforderungen an deren Willensbildung nicht überspannt werden. Zudem sei das Angebot der Antragstellerin auch insoweit mangelhaft, als es entgegen den Ausschreibungsvorgaben keine hinreichende Netzversorgung des Brandbekämpfungssystems gewährleiste.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, hält aber die sofortige Beschwerde ebenfalls für nicht begründet. Sie verweist darauf, dass im Vorfeld der Ausschreibung entsprechende, gemeinsam mit dem Sachverständigen angestellte Vorüberlegungen der Vergabestelle dazu geführt hätten, die Lösungsvariante der Antragstellerin als technisch ungeeignet zu verwerfen.

II.

Die gem. §§ 116, 117 GWB form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. In der Sache führt sie zur Aufhebung der Ausschreibung, §§ 123, 114 Abs. 1 S. 1 GWB.

1.
Die bereits in den Ausschreibungsbedingungen vorgenommene Beschränkung der zugelassenen Löschverfahren auf ein „Hochdrucknebelsystem“ verstößt gegen die Bestimmung des § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten (§§ 114 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 2 GWB).

Im Ansatz zutreffend geht die Vergabekammer davon aus, dass es grundsätzlich im Belieben der Vergabestelle steht, die Bauleistung iSv. § 1 VOB/A frei nach ihren Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser – ihren autonomen Zwecken entsprechenden – Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen. Der Schutz des Wettbewerbs ist allerdings dann berührt, wenn die solcherart bestimmte Bauleistung mittels verschiedener Lösungsvarianten realisiert werden kann. § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A lässt die ausdrückliche Ausschreibung eines unter mehreren in Betracht kommenden bestimmten (technischen) Verfahrens nur zu, wenn dies durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist.

a) Für die den Vergabeprüfungsinstanzen zugewiesene rechtliche Überprüfung bedeutet das, dass zunächst danach abzugrenzen ist, ob das einer Ausschreibung zugrunde gelegte Leistungsprofil der allein der Disposition der Vergabestelle überlassenen „Bauleistung“ iSv. § 1 VOB/A zuzurechnen ist oder aber innerhalb dieses Rahmens als produkt- bzw. verfahrensspezifische Beschränkung zu gelten hat, die den bieterschützenden Anforderungen des § 9 Nr. 5 VOB/A unterliegt. Maßgebend für diese Abgrenzung sind die – anhand der Einzelfallumstände zu ermittelnden – mit dem Beschaffungsprojekt verfolgten Ziele und Zwecke.

Verschiedenen Hinweisen in den Vergabeakten ist zu entnehmen, dass es der Vergabestelle im wesentlichen darauf ankommt, zur Schonung ihrer Buchbestände ein möglichst feuchtigkeitsarmes Löschverfahren einzusetzen. So hat sie sich bereits im Vorfeld gegen den Einsatz herkömmlicher Sprinkleranlagen ausgesprochen und ein externes Brandschutzkonzept hinsichtlich der Verwendung von „Gaslöschanlagen“ bzw. „Hochdruck-Wassernebellöschanlagen“ eingeholt. Die Besonderheit dieser Systeme besteht ersichtlich darin, dass sie den Brand im Gegensatz zu klassischen Sprinkleranlagen nicht mit einem Wasserstrahl, sondern entweder mit Löschgasen oder mit Wasser „in feinster Verteilung als Wassernebel“ (so die Formulierung des Brandschutzergänzungsgutachtens vom 20.02.2005) bekämpfen. Berücksichtigt man, dass im Brandschutzgutachten die Bezeichnungen „Hochdruck-Wassernebellöschanlagen“ und „Wassernebellöschanlagen“ ausdrücklich mehrfach nebeneinander verwendet werden, kann die Bauleistung vorliegend nur im Sinne des letzteren als des weniger speziellen Oberbegriffs definiert werden. Jedenfalls kann es im Rahmen der Bestimmung der Bauleistung als eines Rahmenbegriffs nicht schon auf die Einhaltung sämtlicher technischer Einzelparameter ankommen, da sonst für § 9 Nr. 5 VOB/A faktisch kein Anwendungsbereich mehr bliebe. Wenn mithin die Vergabestelle die Ausschreibung auf „Hochdruckwassernebelsysteme“ – mit den speziellen technischen Werten – beschränkt hat, so hat sie damit eine verfahrensspezifische Beschränkung iSv. § 9 Nr. 5 VOB/A vorgenommen.

b) Dass diese Beschränkung durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt im Sinne von § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A ist, vermag der Senat im Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nicht festzustellen.

Die Vergabekammer hat diese Voraussetzung mit der von der Beschwerdeerwiderung aufgegriffenen Erwägung bejaht, dass ein offener Wettbewerb dann entbehrlich sei, wenn von vornherein feststünde, dass nur ein bestimmtes technisches Verfahren – wie hier das „Hochdrucknebelsystem“ – überhaupt in der Lage sei, die aus der Aufgabenerfüllung abgeleiteten Anforderungen der Vergabestelle zu erfüllen. Doch greift diese Betrachtung zu kurz.

aa) Mit dem vorgenannten Begründungsansatz würde § 9 Nr. 5 VOB/A weitgehend leer laufen. Es hätte dann bereits sein Bewenden damit, dass die Vergabestelle ein spezielles technologisches – unter mehreren für die Aufgabenstellung theoretisch in Betracht kommenden – Verfahren näher untersucht und zur Feststellung gelangt, dass gerade dieses Verfahren exakt ihren Wünschen und Anforderungen genügt. Eine solche Vorgehensweise entspräche aber weder den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung noch den Vorgaben des Wettbewerbsprinzips. Hiernach ist der Auftraggeber vielmehr gehalten, vor Festlegung der Ausschreibungsbedingungen sich einen möglichst breiten Überblick über die in Betracht kommenden Lösungsvarianten zu verschaffen und diese nicht gleichsam schon ex ante auszublenden. Nur so ist gewährleistet, dass die Beschaffung tatsächlich in der technisch und wirtschaftlich effizientesten Weise erfolgt.

Schließt daher die Vergabestelle kraft der Definition ihrer Ausschreibungsbedingungen ausdrücklich oder inzident – durch Vorgabe bestimmter Parameter – ein Verfahren aus, hat sie nicht nur zu prüfen, ob die zugelassene Lösung den Ausschreibungszweck erfüllt, sondern darüber hinaus zu prüfen und positiv festzustellen, dass und aus welchen Gründen ein hiernach ausgeschlossenes Verfahren nicht geeignet erscheint. Zwar wird man der Vergabestelle im Rahmen einer solchen Prüfung eine gewisse Einschätzungsprärogative zubilligen müssen, da sie die Schwerpunkte und Nuancen ihrer Wünsche und Vorstellungen bezogen auf die Leistungsanforderungen am besten kennt. Das entbindet sie aber andererseits nicht, ihren zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum auch auszuschöpfen und in eigener Verantwortung eine substantiierte Einschätzung zu treffen.

bb) Wendet man diese Grundsätze an, ist die letztgenannte Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt. Zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig und durch eine von der Antragstellerin beigefügte Messuntersuchung der Universität Stuttgart vom 07.11.2005 belegt ist, dass das von der Antragstellerin angebotene „Niederdruckwassernebelsystem“ eine Unterform eines „Wassernebelsystems“ darstellt, da auch bei diesem Verfahren die Wassertropfen entsprechend fein zerstäubt werden. Es handelt sich mithin um ein Verfahren iSv. § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A. Mit der Funktionsweise und den Vorzügen und Nachteilen dieses Verfahrens bezogen auf die der Ausschreibung zugrunde liegenden Zwecke im Vergleich zu denen eines „Hochdrucknebelsystems“ hat sich die Vergabestelle nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt auseinandergesetzt. Auch die Vergabekammer hat sich mit der Frage nicht befasst.

Die Vergabestelle trägt hierzu nur vor, dass der beigezogene Sachverständige A. im Vorfeld der Ausschreibung anlässlich einer Seminarteilnahme für sich persönlich (belegt durch eine zum Eigengebrauch bestimmte Seminarnotiz vom 19./20.10.2004) zur Erkenntnis gelangt sei, dass ein „Niederdrucksystem“ technisch ungeeignet sei, ohne diesen Punkt mit der Vergabestelle zu kommunizieren. Es ist jedoch gerade Sache der Vergabestelle, das System festzulegen, das ihren Vorstellungen am besten entspricht. Aufgabe eines beratenden Sachverständigen ist es, die in Betracht kommenden technischen Alternativen – d.h. deren jeweiligen Vorzüge und Nachteile für den Nutzer – so darzustellen und aufzubereiten, dass sie auch für Laien nachvollziehbar werden und damit (ähnlich wie ein vom Gericht bestellter Sachverständiger) für den Auftraggeber die Grundlagen zu schaffen, eigenverantwortlich entscheiden zu können. Das hätte vorliegend zumindest vorausgesetzt, dass die Vergabestelle vom Vorhandensein (weiterer) Löschverfahren in Kenntnis gesetzt worden wäre und ihr Einverständnis mit deren Ausschluss erklärt hätte. Zurecht hat das OLG München die Auffassung vertreten, dass die Entscheidungskompetenz jedenfalls im Kernbereich der im Verlauf eines Ausschreibungsverfahrens auftretenden Fragen beim Auftraggeber zu verbleiben hat (vgl. Beschl. vom 15.7.2005, Az. Verg 14/05 = VergabeR 2005, 799ff.). Hierzu gehört nach Ansicht des Senats insbesondere die Festlegung der auszuschreibenden Leistung.

Soweit sich die Beigeladene (unter Zeugenangebot) darauf beruft, dass im Vorfeld der Ausschreibung zum Ausschluss eines „Niederdruckverfahrens“ ausdrückliche Abstimmungsprozesse zwischen dem Sachverständigen A. und der Vergabestelle stattgefunden hätten, war dem nicht weiter nachzugehen. Abgesehen davon, dass schon überrascht, dass die Vergabestelle selbst hierzu nichts vorgetragen hat, sind derartige – für die Festlegung der Leistungsbeschreibung maßgebende und daher gem. § 30 Nr. 1 VOB/A zu dokumentierende – Entscheidungsvorgänge nirgendwo in den Vergabeakten festgehalten. Insoweit kommt dem Vergabevermerk negative Beweiswirkung zu, die nicht ohne weiteres durch Zeugenbeweis entkräftet werden kann. Andernfalls bestünde die Möglichkeit, § 30 Nr. 1 VOB/A zu unterlaufen. Denn dann wäre es aus Sicht einer Vergabestelle sogar vorteilhaft, von einer Dokumentation abzusehen, um ggf. später im Bedarfsfall die an der Ausschreibung beteiligten Mitarbeiter als Zeugen für das im Nachhinein (etwa aus Sicht eines Vergabeprüfungsverfahrens) als opportun erkannte Ergebnis zu benennen, ohne sich am früheren Vergabevermerk festhalten lassen zu müssen. Insoweit läge die Gefahr von Manipulationen auf der Hand. Sinn und Zweck des Vergabevermerks ist gerade, den Willensbildungs- und Entscheidungsstand bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt (vgl. § 30 Nr. 1: „… die einzelnen Stufen des Verfahrens“ ) beweiskundig zu machen. Mit der Zulassung des nachträglichen Zeugenbeweises oder auch der Rekonstruktion eines Vergabevermerks ex-post würde diese Beweisfunktion ausgehebelt.

Enthalten die Vergabeakten – wie hier – keinen Vermerk über einen Prüfungsvorgang, ist daher davon auszugehen, dass er nicht stattgefunden hat.

cc) Die Nichtbefassung mit der von der Antragstellerin angebotenen technischen Lösung führt dazu, dass eine „objektive“ Prüfung der Anforderungen des § 9 Nr. 5 VOB/A im jetzigen Verfahrensstadium nicht möglich ist. In welcher Weise die Vergabestelle im Rahmen der Erarbeitung der Leistungsbeschreibung ihr Planungs- und Entscheidungsermessen ausgeübt hätte, falls sie die Variante des „Niederdrucknebelsystems“ in Betracht gezogen hätte, ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu entscheiden. Die Vergabestelle kann dieses Versäumnis nicht nachträglich beseitigen, indem sie heute (im laufenden Nachprüfungsverfahren) substantiierte technische Gründe hierfür angibt und erklärt, dass sie auch bei damaliger Kenntnis zum gleichen Ergebnis gelangt wäre und die Ausschreibung auf das gewählte technische Verfahren beschränkt hätte. Denn insoweit kann schon nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Aussage nicht der im Zeitpunkt der Ausschreibungsvorbereitung von äußeren Sachzwängen befreiten Entscheidungsposition entspricht, sondern dem verständlichen Wunsch geschuldet sein kann, auf eine möglichst zügige Beendigung des Nachprüfungsverfahrens hinzuwirken. Eine von solchen Erwägungen unbeeinflusste Prüfung seitens der Vergabestelle, die Lösungsvariante eines „Niederdrucknebelsystems“ zuzulassen oder aus den in § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A genannten Gründen auszuschließen, ist allenfalls im Rahmen einer erneuten Ausschreibung möglich.

dd) Dem kann nicht entgegen gehalten werden, es sei nicht Aufgabe der Vergabestelle, sich mit „jedweder auch nur entfernt in Betracht kommender technischen Lösungsmöglichkeit auseinander zu setzen“, wie die Beschwerdeerwiderung meint. Will die Vergabestelle sichergehen, dass sie nicht aufgrund fehlender Fachkenntnisse oder ggf. auch aufgrund einer unvollständigen Beratung eines ihr zuarbeitenden externen Sachverständigen – gewissermaßen unbewusst – bestimmte technische Verfahren kraft den Anforderungen ihres Leistungsverzeichnisses inzident ausschließt, so hat sie darauf zu achten, die Leistung entsprechend verfahrensoffen zu beschreiben. So hätte es im vorliegenden Fall etwa nahe gelegen, statt der in der Vergabebekanntmachung verwendeten Bezeichnung „Hochdrucknebelsystem“ lediglich ein „Wassernebelsystem“ auszuschreiben, zumal dieser allgemeinere Begriff mehrfach in dem eingeholten Brandschutzgutachten auftaucht. Jedenfalls muss sich ein Auftraggeber darüber im Klaren sein, dass je spezieller und enger er ein zur Ausschreibung zugelassenes Verfahren begrifflich fasst, umso größer die Gefahr ist, dass er Angriffsflächen im Sinne des § 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A schafft und potenzielle Bewerber ausschließt, ohne dass dies möglicherweise in seiner Absicht lag. Gerade diese unreflektierte, gewissermaßen zufällige Ausschlusswirkung erscheint mit dem Wettbewerbsgrundsatz unvereinbar. Es ist vielmehr Sache des Auftraggebers, den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum bewusst wahrzunehmen und auszuschöpfen.

2. Soweit die Vergabestelle einwendet, das Angebot der Antragstellerin sei nicht nur wegen der Abweichung von dem ausgeschriebenen technischen Verfahren, sondern auch aus anderen Gründen (Fehlen einer Netzversorgung) auszuschließen, so kommt es darauf nicht an. Der Prüfung der Mangelhaftigkeit eines Angebots vorgelagert ist die Prüfung, ob bereits die Ausschreibung gegen das Gebot verfahrensneutraler Ausschreibung verstößt und damit den Bieter in seinen Rechten verletzt. Das ist aus den genannten Gründen der Fall. Die Antragstellerin hat den Mangel der Ausschreibungsbedingungen auch innerhalb der laufenden Angebotsfrist (vgl. OLG München a.a.O.) gerügt, da sie bereits mit Schreiben vom 02.01. und 24.01.2006 – vor dem Submissionstermin – auf die unzulässige Beschränkung der Ausschreibung auf Verfahren der genannten Spezifikation hingewiesen hat.

Nach allem war die Ausschreibung wegen Verletzung des Gebots verfahrensneutraler Ausschreibung (§ 9 Nr. 5 Abs. 1 VOB/A) aufzuheben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Beigeladene war zu den Kosten nicht heranzuziehen noch waren ihr Kosten zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt hat (vgl. Senat Beschl. vom 4.4.2003, Az. 6 Verg 4/03; Beschl. vom 19.12.2003, Az. 6 Verg 10/02). Den Beschwerdewert hat der Senat unter Berücksichtigung des Bruttoauftragswertes des Angebots der Antragstellerin (397.339,77 €) auf der Grundlage des § 50 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Dieses Urteil bookmarken Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
  • MisterWong
  • Digg
  • del.icio.us
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • MySpace
  • Technorati
  • Slashdot
  • YahooMyWeb
zur Druckversion zur Druckversion