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Unrechtmäßiger Erwerb antiquarischer Bücher

Gericht: Oberlandesgericht Celle

Entscheidungsdatum: 10.07.2003

Aktenzeichen: 11 U 297/02 [1]

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Im vorliegenden Rechtsfall streiten die Parteien in zweiter Instanz über die Herausgabe von 28 antiquarischen Büchern, deren Rückgabe die klagende Bibliothek fordert. Sie meint, dass die Werke aus ihrem Bestand gestohlen worden sind. Die beklagte Privatperson, die die Medien zur Versteigerung bei einem Auktionshaus eingeliefert hat, gibt an, diese vor langer Zeit gutgläubig bei verschiedenen Antiquariaten erworben zu haben. Das Gericht weist die Berufung des Beklagten zurück und lässt keine Revision zu. Ein gutgläubiger Erwerb und eine Ersitzung scheiden aus, da die Bücher erkennbare Signaturen mit Ausschabungsspuren, aber keinen Aussonderungsstempel aufweisen. Zudem konnte der Beklagte keine Erwerbsbelege vorlegen.

Instanzenzug:
– LG Hannover vom 16.09.2002, Az. 20 O 6186/00
– OLG Celle vom 10.07.2003, Az. 11 U 297/02

Tenor:
In dem Rechtsstreit ####### hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 16. September 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der Tenor des landgerichtlichen Urteils dahin abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, der Herausgabe der zu dem Aktenzeichen 702 AR 47779/97 der StA ####### hinterlegten Bücher,

1. Cosmographieae universalis von Münster, S., 229 ;
2. Praktische Electricitätslehre von Langenbucher, J., 634 ;
3. EmblemataAlciartus, A., 937;
4. Aisopi phrygis fabulae; Schopper, H., 1554 ;
5. Hirnschleiffer; Albertinus, A., 1618 ;
6. Neue Peinliche HalsGerichtsOrdnung; Joseph, I., 1205 ;
7. Achtjährige Reise im nordöstlichen Sibirien; Sarytschew, G., 291;
8. De caricci medicinali; Foiravanti, L., 795 ;
9. Favola scelte; Veneroni, J., 1800 ;
10 Instituzione, riti e cerimonie; 954 ;
11. Schönheiten der Natur; Keller, K.U., 192 ;
12. Grosses und vollkomenes Traumbuch; Artemidorus, 1097 ;
13. Kurzer und Deutlicher Unterricht zur Anweisung eines jungen Kavaliers im Reiten; Zehentner, J. Ch., 1186 ;
14. Betrachtungen über eine Reihe elektrischer Versuche: Hoadley; B., & B. Wilson, 632 ;
15. Pferdereitsport; Allbrecht, A., 1178 ;
16. Tagebuch der Reisen: Kleemann, N.E., 201 ;
17. Lebens und Regierungsmaximen eines Fürsten; Machiavelli, N., 1095 ;
18. Notitiae illustris regni Bohemiae; Erber, B., 113 ;
19. Neu angelegter Gartenbau; Elsholtz, Joh. Sig., 637 ;
20. Neuvermehrte Donau oder eigentliche Beschreibung des ganzen Donaustroms; Birken. S. v.,
137 ;
21. Polen – historische Staats und Kriegsschaubühne des Königreich Polens, 268 ;
22. Tetrasticha in Ovidii metamor lib; Posthius. Joh., 1552 ;
23. Das Rothenbur/T.; Johann Thomas Hoffmann, 577 ;
24. Medicinischphilosophisch und sympathetische Schriften; Ten(t)zel Andr., 1107 ;
25. Piscinarium oder Teicht Ordnung; Stenzel von Cronfels, A. L., 645 ;
26. Glockenkunde von Magius, H., 662 ;
27. Fisonomia naturale; Ingeneri, G., 808 ;
28. Hydraulica; Burgo. G. B. de, 189 ;

die sich aufgrund Gestattung durch das LG ####### durch Beschluss vom 3. Mai 2002 (38 AR 13/02) einstweilen bei den hiesigen Verfahrensakten befinden, zuzustimmen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 38.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.
Die Parteien streiten um die Herausgabe von 28 antiquarischen Büchern.

Die Klägerin ist die #######. Der Beklagte bezeichnet sich selbst als Sammler und Liebhaber alter Bücher und hat die in Rede stehenden Exemplare seinerseits im Jahr 1997 dem Versteigerungshaus ####### zum Zwecke der Versteigerung übergeben. Noch vor der Versteigerung beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft ####### am 10. Oktober 1997 die Bücher. Nach Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen ordnete das Landgericht ####### durch Beschluss vom 26. April 2001 die Hinterlegung der streitgegenständlichen Bücher an (GA 77).

Die Klägerin hat behauptet, die Bücher seien aus der Bibliothek der ####### gestohlen worden. Die Bücher seien nicht aus der Bibliothek ausgesondert worden. Sie hat gemeint, der Beklagte habe nicht das Eigentum an den Büchern erworben.

Der Beklagte hat eingewendet, die streitgegenständlichen Bücher schon vor mehr als 15 Jahren erworben zu haben. Er hat überwiegend ohne Differenzierung nach einzelnen Bänden behauptet, die Bücher in deutschen und tschechischen Antiquariaten erworben zu haben. Hinsichtlich des Buches „Cosmographieae universalis“ hat er ausgeführt, dieses im nicht mehr existierenden Antiquariat ####### in ####### erworben zu haben; er habe das Buch seiner Ehefrau ####### bereits im Jahre 1988 gezeigt. Bei Erwerb der Bücher sei er gutgläubig gewesen. Es sei nicht üblich, dass aus Bibliotheken ausgesonderte Bücher entsprechend gekennzeichnet seien.

Das Landgericht hat gemäß seinen Beschlüssen vom 18. Juni 2001, 20. März 2002 und 7. Mai 2002 Beweis erhoben; wegen der Einzelheiten des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. August 2002 Bezug genommen.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 2. September 2002 hat der Beklagte vorgetragen, mit den Zeugen ####### und ####### sowie der Zeugin ####### zusammengetroffen zu sein und von ihnen verschiedene Bücher der ####### Bibliothek erworben zu haben, wovon mindestens drei keinen Aussonderungsstempel trügen. Seine Ehefrau könne bezeugen, dass er die streitgegenständlichen Bücher nicht nach 1988/1989 erworben habe.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, der Herausgabe der in der Anlage zum Urteil genannten Bücher, die bei der Staatsanwaltschaft ####### zur Geschäftsnummer 702 AR 47779/97 (Hinterlegungsstelle: Amtsgericht #######) verwahrt werden, an die Klägerin zuzustimmen und die Widerklage des Beklagten abgewiesen.

Es hat der Klägerin einen Anspruch auf Einwilligung des Beklagten in die Herausgabe der streitgegenständlichen Bücher an sie aus §§ 812, 372, 985 BGB zugesprochen.

De Klägerin habe ihr ursprüngliches Eigentum nicht verloren. Der Beklagte könne sich nicht auf die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, da die Klägerin nachgewiesen habe, dass die streitgegenständlichen Bücher ihr gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen seien. Es gebe keine Anhaltspunkte für einen Eigentumserwerb an den Büchern durch den Beklagten in der #######. Ein Eigentumserwerb in deutschen Antiquariaten scheide wegen § 935 Abs. 1 BGB aus. Auch eine Ersitzung der Bücher sei zu verneinen, denn der Beklagte habe weder einen zehnjährigen ununterbrochenen Eigenbesitz dargelegt noch sei er im Sinne des § 937 Abs. 2 BGB bei Besitzerwerb in gutem Glauben gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des landgerichtlichen Urteils sowie des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Erkenntnis wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerechten Berufung.

Mit dem Rechtsmittel macht er im Wesentlichen folgende Einwände geltend:

Das Landgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Beklagte das Buch Nr. 1 nicht ersessen habe. Der Beklagte habe dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er dieses Buch vor 1988 im Antiquariat Engelbrecht für 5.500 DM erworben und seiner Ehefrau bereits im Jahre 1988 gezeigt habe. Das Landgericht habe dementsprechend Beweis erheben müssen. Die zehnjährige Frist zur Ersitzung werde entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht durch die Beschlagnahme unterbrochen. Der Beklagte sei auch nicht bösgläubig gewesen. Dass die Bücher Merkmale trügen, die auf die Bibliothek der ####### hinwiesen, sei für sich genommen kein Grund, davon auszugehen, dass die Bücher dem Berechtigten durch eine Straftat entwendet worden seien. Als Sammler träfen den Beklagten keine Nachforschungspflichten hinsichtlich der Herkunft der Bücher. Der Beklagte habe seinen guten Glauben nicht durch die Beschlagnahme der Bücher verloren. Der Beklagte macht weiter geltend, die Bücher, die in der Anlage zum Urteil des Landgerichts als Nr. 3, 9, 14, 23 und 27 gekennzeichnet seien, bereits im Jahre 1984 dem Zeugen ####### übergeben und nachdem dieser die Bücher nicht versteigern konnte, zurückerhalten zu haben. Dieser neue Sachvortrag sei gem. § 531 Ziffer 1 ZPO zu berücksichtigen, da das Landgericht hinsichtlich des Gesichtspunktes der Ersitzung von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen sei und dieses Vorbringen aus seiner Sicht der Dinge ohnehin nicht berücksichtigt haben würde.

Seine Ehefrau könne bezeugen, dass er nach 1989 keine Bücher dieser Art mehr erworben habe.

Der Beklagte habe die Bücher gutgläubig erworben. Er habe die Bücher alle in Antiquariaten in ####### und der ############## gekauft. Die Klägerin habe ein Abhandenkommen der Bücher nicht bewiesen.

In diesem Zusammenhang habe das Gericht es verfahrensfehlerhaft unterlassen, den Beklagten darauf hinzuweisen, dass es für die Beweiswürdigung als wesentlich erachte, dass bei einer Aussonderung aus der Bücherei der Klägerin oder der Bibliothek die Bücher nicht mit einem Aussonderungsstempel versehen worden seien. Der Beklagte hätte sich dann eine Erklärungsfrist einräumen lassen und entsprechend vorgetragen.

Die Aussage der Zeugin ####### sei falsch, soweit sie behaupte, bei der Veräußerung von Büchern aus dem Bestand der ####### Bibliothek seien Aussonderungsstempel angebracht worden. Er selbst habe solche Bücher ohne Aussonderungsstempel. Auch der Zeuge ####### habe einräumen müssen, dass es gängige Praxis gewesen sei, zum Zwecke der Devisenbeschaffung Bücher dieser Art zu veräußern. Schließlich erhebt der Beklagte vorsorglich die Einrede der Verjährung, weil hinsichtlich derjenigen Bücher, die nicht im Katalog aufgeführt seien, nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie vor 1963 entwendet worden seien. Den Beklagten treffe hierfür nicht die Darlegungslast, da sich die Art und der Zeitpunkt des behaupteten Besitzverlustes der Klägerin seiner Kenntnis entzögen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Er beantragt weiter,
die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, der Herausgabe der in der Anlage zum Urteil des Landgerichts genannten antiquarischen Bücher, die bei der Staatsanwaltschaft ####### zur Geschäftsnummer 702 AR 47779/97 verwahrt sind, an den Beklagten zuzustimmen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Erweiterung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

Die Klägerin bestreitet, dass sich einige der streitgegenständlichen Bücher bereits 1984 in Besitz des Beklagten befunden hätten. Der Beklagte sei außerdem mit diesem Vortrag gem. § 531 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausgeschlossen, da es sich um ein neues Verteidigungsmittel handele, das im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sei und dessen Nichtgeltendmachung auf Nachlässigkeit des Beklagten beruhe.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei dargelegt und bewiesen, dass die Bücher der Klägerin abhanden gekommen seien. Zum Zeitpunkt der Inventur Ende der 60er Jahre seien alle streitgegenständlichen Bücher noch vorhanden gewesen.

Der Beklagte sei mit seinem Vortrag, wonach er Bücher aus dem Bestand der ####### Bibliothek von den Zeugen erworben haben will, die keinen Aussonderungsstempel getragen hätten, gemäß § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Der Beklagte habe im Rahmen der Beweisaufnahme die Möglichkeit gehabt, die Zeugen persönlich zu befragen. Er habe aber zu keinem Zeitpunkt bekannt gegeben, dass ihm die Zeugen persönlich bekannt waren oder dass er von diesen Bücher erhalten hätte.

Die Herausgabeansprüche seien nicht verjährt. Die Verjährungseinrede sei gem. § 531 Abs. 1 Satz 3 ZPO ausgeschlossen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch gem. §§ 812, 372, 985 BGB auf Einwilligung des Beklagten in die Herausgabe der streitgegenständlichen Bücher an sie zu.

2. Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung international zuständig, nachdem es um die Herausgabe einer in Deutschland befindlichen beweglichen Sache geht und die Klage gegen eine Person gerichtet ist, die im Inland ihren Wohnsitz hat, vgl. Art. 2 EuGVÜ.

3. Voraussetzung eines Anspruchs der Klägerin auf Zustimmung zur Herausgabe ist, dass der Klägerin ein Anspruch auf Herausgabe gegen den Beklagten zustünde, wenn sich die Bücher (noch) in dessen Besitz befänden.

a) Die Voraussetzungen eines solchen Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB liegen vor.

aa) Deutsches materielles Recht und damit § 985 BGB findet auf den Streitfall Anwendung. In dem Rechtsstreit geht es um die Rechte an einer Sache. Die Rechte an einer Sache bestimmen sich nach dem Recht des Staates, in dem die Sache sich befindet, Art. 43 Abs. 1 EGBGB, damit also nach deutschem Recht.

bb) Die Klägerin ist Eigentümerin der streitgegenständlichen Bücher.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erster Instanz (GA 199) unstreitig gestellt, dass die Klägerin früher (bei Auslegung gemeint ist wohl ein Zeitpunkt um 1960) Eigentümer und Besitzer der streitgegenständlichen Bücher war.

Die Klägerin als Anspruchsteller ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sie dieses Eigentum bis zur letzten mündlichen Verhandlung nicht verloren hat (vgl. Palandt/Bassenge, 61. Aufl., § 985 Rdn. 18). Das heißt, dass die Klägerin im Streitfall auch etwaige Vermutungswirkungen aus § 1006 BGB zugunsten des Beklagten ausschließen muss. Diese Darlegung ist der Klägerin gelungen.

(1) Für den Beklagten stritt zwar dem äußeren Anschein nach bei der Sicherstellung der Bücher beim Versteigerungshaus Bartels die Eigentumsvermutung des
§ 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 1006 Abs. 3 BGB insoweit, als deren äußere Voraussetzungen vorlagen. Bei der Vermutungswirkung bleibt es im Streitfall jedoch nicht:

Gemäß § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt die Eigentumsvermutung nicht gegenüber demjenigen früheren Besitzer, dem die Sache gestohlen wurde, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist.

Die Klägerin hat dargelegt und bewiesen, dass die streitgegenständlichen Bücher dem Orden gestohlen wurden. Die Zeugin ####### und der Zeuge ####### haben vor dem Landgericht übereinstimmend bekundet, aus der Bibliothek der Abtei seien seit den 60er Jahren keine Bücher ausgesondert und verkauft worden. Der Senat teilt die vom Landgericht aufgrund deren Aussagen gewonnene Überzeugung, dass es einen legalen Verkauf nicht gegeben hat.

Soweit der Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung I. Instanz und in der Berufungsinstanz versucht bzw. versucht hat, diese Zeugen zu diskreditieren, kann er mit diesem Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht mehr gehört werden, § 531 Abs. 2 ZPO. Der Beklagte war bei der Vernehmung der Zeugen persönlich anwesend. Vorhalte etwa des Inhalts, dass gerade die Zeugen illegal Bücher an den Beklagten veräußert haben sollen, hätte der Beklagte den Zeugen bereits in erster Instanz direkt machen können; von dieser Möglichkeit hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung und der Zeugenvernehmung in erster Instanz noch eingereichte Schriftsatz mit diesem Vorbringen war dem Beklagten nicht nachgelassen. Da das Vorbringen in zweiter Instanz mithin erstmals wirksam vorgebracht wird, obwohl es in erster Instanz noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung hätte vorgebracht werden können, war es nicht mehr zu beachten.

Abgesehen von der Präklusion dieses Vorbringens ist es aber auch inhaltlich nicht überzeugend. Selbst wenn der Beklagte von den Zeugen Bücher erworben hätte, die der ####### Bibliothek entstammten, so würde daraus nicht folgen, dass die hier streitgegenständlichen Bücher der Klägerin nicht gestohlen worden wären. Der Vortrag des Beklagten betrifft nämlich keines der hier in Rede stehenden Bücher.

Aus der Indiztatsache, dass die Bücher nicht ausgesondert und veräußert worden sind, folgert der Senat, dass die Bücher der Klägerin gestohlen wurden oder abhanden gekommen sind.

Dass die Klägerin nicht dartun kann, wann und durch wen ihr die Bücher abhanden gekommen sind, ist demgegenüber unschädlich. Diebstahl ist regelmäßig ein heimliches Delikt, das der Geschädigte nur mittelbar beweisen kann, indem er nämlich
– wie die Klägerin zur Überzeugung des Landgerichts und des Senats – beweist, dass ein Verkauf oder eine sonstige Aussonderung aus den Beständen nicht stattgefunden hat.

(2) Nachdem die Vermutungswirkung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Dargestellten nicht für den Beklagten streitet, oblag es ihm, um den Anspruch der Klägerin aus § 985 BGB auszuschließen, darzutun und zu ggfs. beweisen, dass er Eigentum an den streitgegenständlichen Büchern erworben hat. Dies ist ihm hinsichtlich keinem der Bände gelungen:

Voraussetzung wäre in dieser Hinsicht jedenfalls, dass der Beklagte für jeden Band vortrüge, wann er ihn wo, von wem und zu welchen Konditionen erworben hat. An insoweit substantiiertem Vortrag fehlt es in jeder Hinsicht.

(a) Soweit der Beklagte hinsichtlich des Buches Nr. 1 behauptet, das Buch schon vor 1988 in dem Antiquariat #######für 5.500 DM erworben zu haben, ist dieses Vorbringen streitig. Soweit man dieses Vorbringen für einen Eigentumserwerb nach §§ 929, 854 BGB als ausreichend substantiiert ansehen wollte, ist der Beklagte schon für den äußeren Erwerbsvorgang beweisfällig.

Hinzukommt, dass er das Buch, nachdem dessen Abhandenkommen – wie oben dargelegt – feststeht, nicht einmal gemäß §§ 929, 932 BGB erwerben konnte;
§ 935 BGB.

Dem Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs steht im Streitfall auch nicht die Darstellung des Beklagten entgegen, die streitgegenständlichen Bücher seien durch Mitarbeiter der Klägerin unterschlagen worden. Selbst in diesem Fall wäre ein gutgläubiger Erwerb gem. § 935 BGB ausgeschlossen: Zwar ist ein gutgläubiger Erwerb möglich, wenn ein Besitzmittler ohne den Willen des Eigentümers die Sache fortgibt, unterschlägt oder sonst das Besitzmittlungsverhältnis beendet (vgl. Palandt/Bassenge BGB, 62. Auflage, § 935, Rn. 7). Kennzeichnend für einen Besitzmittler ist, dass er nicht in der Weise unmittelbar weisungsabhängig ist, dass der mittelbare Besitzer jederzeitigen Zugriff auf die Sache ohne Rücksicht auf den Willen des unmittelbaren Besitzers hätte (vgl. Münchener Kommentar/Joost 3. Auflage 1997, § 868, Rn. 7). Ein Mitarbeiter einer Bibliothek mittelt aber in der Regel nicht den Besitz, sondern übt die tatsächliche Gewalt über die Sachen lediglich weisungsabhängig aus und ist daher allenfalls Besitzdiener, sodass das Fehlverhalten eines solchen Mitarbeiters zum Abhandenkommen von ihm beiseite geschafften Büchern führt.

(b) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Antiquariat ####### seinerseits bereits Eigentum an dem Buch Nr. 1 erworben gehabt hätte, denn er trägt zu dessen Erwerb nichts vor. Folglich besteht kein Anlass, insoweit etwa davon auszugehen, das Antiquariat habe seinerseits, entweder nach deutschem oder tschechischem Recht, Eigentum erworben gehabt.

(c) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, das Eigentum an dem angeblich bei dem Antiquariat ####### erworbenen Buch durch Ersitzung erlangt zu haben.

Einer Ersitzung durch ihn steht § 937 Abs. 2 BGB entgegen. Danach ist die Ersitzung ausgeschlossen, wenn der Erwerber bei dem Erwerbe des Eigenbesitzes nicht in gutem Glauben ist. Dabei trifft die Beweislast für die Bösgläubigkeit in diesem Sinne denjenigen, der die Voraussetzungen der Ersitzung bestreitet (Palandt/Bassenge, § 937 BGB Rdn. 1), im Streitfall also die Klägerin. Im Streitfall vermag die Bösgläubigkeit des Beklagten festgestellt zu werden; teils sind die Umstände, aus denen die Bösgläubigkeit folgt, bewiesen, teils stehen sie aufgrund des unstreitigen Sachverhalts fest.

Die historischen Bücher weisen Bibliotheksstempel und Signaturen auf, die – wie der Sachverständige ausgeführt hat und teils auch für den Laien erkennbar ist – Ausschabungs- und Radierungsspuren bzw. Übermalungsspuren zeigen. Diese Umstände deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass die Bücher der ursprünglich besitzenden Bibliothek abhanden gekommen sein konnten. Hiermit musste der Beklagte beim Erwerb rechnen, zumal gegenüber den ausradierten bzw. abgeschwächten Besitzerstempeln Aussonderungsstempel, die auf eine legale Aussonderung schließen lassen könnten, nicht vorhanden waren. Diese Indizien wertet der Senat im Zusammenwirken damit, dass der Beklagte, obwohl es sich bei den Büchern jeweils nicht um Werke dieses Jahrhunderts, sondern um uralte Stücke handelte, für keines der Bücher Erwerbsbelege einer legalen Erwerbsquelle vorlegen kann, obwohl auch Antiquariate regelmäßig Quittungen über die bei ihnen erworbenen Stücke auszustellen pflegen. Der Senat teilt insoweit auch nicht die Selbsteinschätzung des Beklagten, der meint, dass es ihm als Sammler und bloßem Liebhaber alter Bücher freigestanden hätte, derartige Bücher ohne Nachfrage und Aufbewahrung irgendeiner Erwerbsunterlage zu erstehen. Vielmehr würdigt der Senat die tatsächlichen Umstände des Streitfalles dahin, dass die Rolle des Beklagten jedenfalls derjenigen eines Händlers so nahe steht, dass für ihn eine Nachfrageobliegenheit bezüglich der Herkunft der streitgegenständlichen Bücher ebenso bestanden hätte wie eine Aufbewahrungspflicht bezüglich der Erwerbsunterlagen. Diese Wertung des Senats ergibt sich aus den teils unstreitigen, teils vom Beklagten selbst vorgetragenen Umständen. So hat der Zeuge #######, Inhaber des Auktionshauses #######, bei seiner Vernehmung 1997 bekundet, … von dem Beklagten nicht nur einmal, sondern über etwa 10 Jahre hin immer wieder Bücher zur Veräußerung erhalten zu haben. Ferner hat der Beklagte selbst vorgetragen, schon 1984 über einen ####### eine Vielzahl von Büchern zum Verkauf gegeben zu haben. Eine derartige Vielzahl von Verkaufsaufträgen nicht nur bezüglich einzelner Bände deckt sich nicht mit bloßer laienmäßiger privater Sammelei.

Das Verschließen der Augen durch den Beklagten gegenüber diesen Merkmalen wertet der Senat als grobe Fahrlässigkeit bzw. bedingten Vorsatz.

Gegenüber dem Vorstehenden dringt der Beklagte mit seinem Berufungsvorbringen nicht durch:

Soweit der Beklagte vorträgt, das Landgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, ihn darauf hinzuweisen, dass es die Tatsache, dass in den Büchern Aussonderungsstempel fehlen, für erheblich hält, ist dem nicht zu folgen. Es ging im Rechtsstreit von Anfang an um die Frage, ob die Bücher ausgesondert worden
waren oder nicht und um die Frage der inneren Gut bzw. Bösgläubigkeit des Beklagten. Wenn das Gericht dann in der Beweiswürdigung darauf abstellt, dass den Büchern Aussonderungsstempel fehlen und die Zeugen und den Sachverständigen zuvor in Gegenwart des Beklagten schon danach befragt hatte, war die Erheblichkeit dieses Umstandes für den Beklagten nicht überraschend. Der Beklagte hatte selbst im Schriftsatz vom 28. Mai 2001 schon Stellung genommen und lediglich behauptet, eine Kennzeichnung von Büchern als ausgesondert sei nicht üblich (vgl. GA 91).

Soweit der Beklagte meint, seine Gutgläubigkeit daraus folgern zu können, dass auch der Inhaber des Aktionshauses #######, #######, ausweislich seiner Aussage im Strafverfahren nicht erkannt habe, dass die streitgegenständlichen Bücher aus der Bibliothek der Klägerin stammen, ist dem keine durchgreifende Bedeutung zuzumessen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass – hätte der Zeuge etwas anderes bekundet – mit hoher Wahrscheinlichkeit auch gegen ihn ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wäre. Ein entsprechender Verdacht der Staatsanwaltschaft ergibt sich schon aus den vom Beklagten selbst in Bezug genommenen Verfügungen (vgl. Vermerk der Generalstaatsanwaltschaft ####### vom 12. Oktober 1998, GA 308 f.). Die Bekundungen des Zeugen ####### im Strafverfahren entlasten den Beklagten, der über seine eigenen Erwerbsvorgänge nichts Detailliertes vorträgt, mithin nicht. Aus der Tatsache, dass das Auktionshaus ####### zur Versteigerung bereit war, kann nicht die Gutgläubigkeit des Beklagten zum Erwerbszeitpunkt hergeleitet werden, denn das Auktionshaus hat die Bücher erst Jahre, nachdem der Beklagte sie erworben haben will, angenommen.

(d) Die vorstehenden Ausführungen, mit denen der Senat dargelegt hat, dass der Beklagte das Eigentum an dem Buch Nr. 1 weder gutgläubig erworben noch ersessen hat, gelten für die übrigen Bücher, die der Beklagte teils in Deutschland und teils in ####### erworben haben will, ohne dies bezüglich des jeweils einzelnen Bandes zu spezifizieren, entsprechend.

3. Die Herausgabeansprüche der Klägerin bezüglich der 28 Bücher sind auch nicht verjährt.

Der Herausgabeanspruch verjährt binnen 30 Jahren, (§ 195 BGB; Umkehrschluss aus § 902 BGB). Die erstmalige Erhebung der Einrede ist auch in der Berufungsinstanz noch zulässig und hat nur die (Kosten)Folge aus § 97 II ZPO. Voraussetzung wäre aber, dass der Beklagte, der für die tatsächlichen Voraussetzungen der Verjährungseinrede darlegungs- und beweispflichtig ist (vgl. Palandt/Heinrichs, 62. Auflage, Überbl v § 194, Rn. 23), mit Substanz dartun müsste, dass die Klägerin bei Klageerhebung (29. Dezember 2000) schon 30 Jahre lang nicht mehr im Besitz der Bücher war und 30 Jahre lang einen Herausgabeanspruch gegen ihn bzw. seine konkreten Besitzvorgänger hatte; dafür trägt der Beklagte nichts vor.

4. Die Widerklage des Beklagten, die seinerseits auf Zustimmung der Klägerin zur Herausgabe der Bücher an ihn gerichtet war, unterlag aus den vorstehend unter 1. bis 3. ausgeführten Gründen, die die Begründetheit der Klage zur Folge haben, der Abweisung.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen gründen sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit sowie aus § 97 Abs. 1 ZPO hinsichtlich der Kosten der Berufungsinstanz.

Der Senat hat keinen Anlass gesehen, die Revision zuzulassen; Fragen grundsätzlicher Bedeutung, der Notwendigkeit einer Fortbildung des Rechts bzw. der Einheitlichkeit der Rechtssprechung wirft der Sachverhalt nicht auf.

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