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Dauerhaftes Hausverbot

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum: 23.02.1981

Aktenzeichen: 7 B 80 A.1522 und 1948

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Einem externen Nutzer einer Universitätsbibliothek, der wegen seiner massiven verbalen und tätlichen Ausfälle gegenüber dem Bibliothekspersonal strafrechtlich verurteilt ist, wurde durch den Präsidenten der Hochschule ein unbefristetes Hausverbot für das Bibliotheksgebäude ausgesprochen. Danach folgte ein dauerhafter Ausschluss von der Bibliotheksnutzung wegen häufiger schwerwiegender Störungen des Bibliotheksbetriebes. Gegen beide Bescheide erhob der Betroffene Klage. Da die Hochschule berechtigt ist, je nach Art und Ausmaß des verletzten Schutzguts, wahlweise ein Hausverbot und/oder eine Benutzungsuntersagung zu erlassen, blieb seine Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos.

Amtliche Leitsätze:
1. Zur Frage der Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage für den Erlaß eines behördlichen Hausverbots.
2. In Art. 14 Abs. 7 BayHschG findet sich eine ausreichende gesetzliche Befugnis für den Erlaß durch den Hochschulpräsidenten.
3. Zum Verhältnis eines Hausverbots zur Benutzungsuntersagung aufgrund einer Anstaltsordnung (hier: Allgemeine Benützungsordnung der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken).

Aus dem Tatbestand:
Der Präsident der Universität X. untersagte dem Kläger, der nicht Student der Universität ist, mit Bescheid vom 6.4.1979 das Betreten des Bibliotheksgebäudes der Universität. Mit Bescheid der Universitätsbibliothek vom 22.2.1980 wurde er darüber hinaus auf Dauer von Benutzung der Bibliothek ausgeschlossen. Anlaß dieser Verfügungen waren Verstöße des Klägers gegen die Benutzungsordnung sowie verbale und tätliche Angriffe gegen Bedienstete der Bibliothek. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.

Aus den Gründen:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat der Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 6.4.1979 ein Verbot zum Betreten des Gebäudes „Alte Universität“ in X. erlassen und ihn mit weiterem Bescheid vom 22.2.1980 auf Dauer von der Benutzung der Universitäts-Bibliothek X. ausgeschlossen.

1. a) Die Klage gegen den Bescheid vom 6.4.1979 ist zulässig.
Für die Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 VwGO) eröffnet, da sich das vom Präsidenten der Universität X. verfügte Betretungsverbot für die Räume des Gebäudes darstellt (vgl. zur Rechtsnatur von Hausverboten allg. BverwGE 35, 103). Es verfolgt den Zweck, den Kläger, der zum Zeitpunkt der Verbotsverfügung als Benutzer der Universitäts-Bibliothek in öffentlich-rechtlichen Beziehungen zum Beklagten stand, vom Betreten der genannten Räume fernzuhalten.
Die gegen den Kläger erlassene Verbotsverfügung ist ferner als Verwaltungsakt anzusehen, gegen die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) gegeben ist (vgl. Kopp, VwGO, 4. Aufl., § 42 RdNr. 51; Eyermann/Fröhler, VwGO, 8. Aufl., § 42 RdNr. 48; Reich, BayHschG, 3. Aufl., Art. 14 RdNr. 17; Knemeyer, DÖV 1970, 596; Ehlers, DÖV 1977, 737 jeweils m. w. N.; a. A. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., § 99 II c 1).
b)
Die Klage ist jedoch unbegründet.
aa)
Das Hausverbot stützt sich vorliegend auf das Hausrecht der Verwaltungsbehörde im öffentlich-rechtlichen Bereich (vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 HRG, Art. 4 Abs. 3 Nr. 7, Art. 14 Abs. 7 BayHschG). Dieses beinhaltet das Recht, in einem räumlich abgegrenzten Herrschaftsbereich über Zutritt und Verweilen von Personen zu bestimmen, um die widmungsgemäße Tätigkeit der Verwaltungsbehörde gegen Störungen durch Unberechtigte zu schützen (vgl. Knemeyer, a.a.O., S. 597/598; Ehlers, a.a.O., S. 738; Nawiasky/Leusser/Schweiger/Zacher, BV, Art. 21 RdNr. 3). Ob es für den Erlaß eines öffentlich-rechtlichen Hausverbots einer speziellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, ist strittig (bejahend: Ehlers, a.a.O., S. 740ff.; BayVGH, B. v. 9. 7. 1980, BayVBl. 1980, 723; verneinend: Knemeyer, a.a.O., S. 598; Anm. Gerhardt zu BayVGH, B. v. 9. 7. 1980, a.a.O., S. 724). Gegen die Auffassung, die eine solche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für notwendig hält, bestehen Bedenken. Nach Ansicht des erkennenden Senats stellt die Ausübung des Hausrechts keine Maßnahme der Eingriffsverwaltung dar, für die der Vorbehalt des Gesetzes uneingeschränkt gelten würde (vgl. Gerhardt, a.a.O). In Übereinstimmung mit Knemeyer (a.a.O., S. 599) kann vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Erlaß eines Hausverbots im Vorstadium eigentlicher Verwaltungstätigkeit liegt, nämlich der Funktionsermöglichung, nicht der Funktionserfüllung von Verwaltung dient. Bei dieser Betrachtungsweise lassen sich das einem Hoheitsträger zustehende Bestimmungsrecht über Zutritt und Verweilen von Personen in einem räumlich geschützten Herrschaftsbereich sowie die damit zusammenhängenden Befugnisse gewissermaßen als notwendiger Annex zur Sachkompetenz, d.h. als Voraussetzung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung erklären. Die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts ergibt sich damit letztlich aus der Natur der Sache. Die Behörde, die eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat, muß auch bestimmen können, ob sie eine Person vom Betreten ihrer Räume ausschließt, weil diese ihre ordnungsgemäße Tätigkeit gefährdet oder stört (vgl. Knemeyer, a.a.O., S. 599). Für diese sachgesetzlich vorgegebene Befugnis ist eine ausdrückliche Zuweisung durch den Gesetzgeber entbehrlich (vgl. Gerhardt, a.a.O.).
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bedarf der dargestellte Meinungsstreit keiner abschließenden Entscheidung. Für den Bereich des Hochschulrechts besteht nämlich eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Befugnis zur Ausübung des Hausrechts. Nach Art. 4 Abs. 3 Nr. 7 BayHschG zählt die Ausübung des Hausrechts zu den staatlichen Angelegenheiten der Hochschule. Diese Vorschrift enthält erkennbar nur eine Aufgabenzuweisung für die Hochschule in ihrer Eigenschaft als staatliche Einrichtung. Darüberhinaus bestimmt aber Art. 14 Abs. 7 BayHSchG, daß der Präsident im Hochschulbereich das Hausrecht ausübt. Bei letzterer Bestimmung handelt es sich nicht nur um eine bloße Zuständigkeitsregelung, sondern auch um eine Befugnisform (vgl. B. des Senats v. 12.2.1979, BayVBl. 1979, 436). Denn Art. 14 Abs. 7 Halbsatz 2 BayHSchG stellt darauf ab, daß die Ausübung des Hausrechts von der Wahrnehmung bestimmter Befugnisse nicht zu trennen ist. Zu diesen Befugnissen muß in erster Linie der Erlaß eines Hausverbots gerechnet werden, weil er den definitionsgemäßen Inhalt des Hausrechts, über Zutritt und Verweilen von Personen in einem räumlich abgegrenzten Herrschaftsbereich zu bestimmten, nach außen hin konkretisiert (vgl. auch zum Hochschulrecht anderer Bundesländer: BadWürttVGH, ESVGH 25, 144; OVG Berlin, DÖV 1975, 610; HessVGH, DVBl. 1979, 925). Zusammenfassend ist sonach festzustellen, daß der Universitätspräsident aufgrund der Befugnisnorm des Art. 14 Abs. 7 BayHSchG berechtigt war, ein Hausverbot gegen den Kläger zu erlassen.
bb) Dem Erlaß des Hausverbots stand ferner nicht entgegen, daß zwischen dem Kläger und dem Beklagten zum Zeitpunkt des Verbotsverfügung ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis hinsichtlich der Universitäts-Bibliothek gegeben war. Nach h. M. kann ein Hausverbot sowohl gegen Personen, die in einer Sonderrechtsbeziehung zum betreffenden Hoheitsträger stehen, als auch gegen „Außenstehende“ ergehen (vgl. Reich, a.a.O., Art. 14 RdNr. 17; WürttVGH, a.a.O.; OVG Berlin, a.a.O.; HessVGH, a.a.O.). Auch wenn man der abweichenden, im neueren Schrifttum vertretenen Ansicht folgte, daß der Erlaß eines Hausverbots sich nur gegen „Außenstehende“, d.h. gegen widmungsfremden Publikumsgebrauch, richten darf (vgl. Knemeyer, a.a.O., S. 598; Ehlers, a.a.O., S. 739; Wolff/Bachof, a.a.O.), konnte der Kläger Adressat des streitgegenständlichen Hausverbots sein. Der Kläger war nämlich in bezug auf das umfassende Hausverbot, dessen Geltungsbereich über das bloße Anstaltsbenützungsverhältnis hinausreichte, als „Außenstehender“ gegenüber der Körperschaft Universität zu betrachten.
cc) Das Hausverbot war auch nicht deshalb unzulässig, weil gegen den Kläger zunächst eine Benutzungsuntersagung für die Bibliothek nach § 33 Abs. 2 ABOB hätte ergehen müssen. Der Erlaß eines Hausverbots und mögliche Maßnahmen nach der ABOB stehen nicht in einem Stufenverhältnis zueinander dergestalt, daß die Maßnahmen nach der ABOB stets Vorrang hätten. Die gegenteilige Ansicht, wie sie im Beschluß des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 14.9.1979 (Nr. 21 Cs-1163/79) geäußert wurde, wird dem unterschiedlichen Schutzzweck, dem die einzelnen Regelungen dienen, nicht gerecht. Ziel einer Benutzungsuntersagung nach der ABOB ist in erster Linie der Schutz einer geordneten Bibliotheksbetriebs, während ein Hausverbot insbesondere den Schutz der Bibliotheksbediensteten vor unzumutbaren Belästigungen bezweckt. Die Behörde ist daher berechtigt, je nach Art und Ausmaß des verletzten Schutzguts, entweder ein Hausverbot oder eine Benutzungsuntersagung zu erlassen.
dd) Das angegriffene Hausverbot ist auch sachlich gerechtfertigt. Beim Erlaß des Hausverbots vom 6.4.1979 standen für die Universitätsverwaltung Vorfälle im Vordergrund, bei denen der Kläger durch Belästigungen und körperliche Angriffe auf das Bibliothekspersonal in Erscheinung trat. Am 20.3.1979 hat der Kläger nach den glaubwürdigen Angaben des Bibliothekspersonals eine Beamtin an der Durchführung der üblichen Kontrolle gehindert und sie gleichzeitig beleidigt. Dieser Vorgang war Gegenstand einer strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers. Ferner hat der Kläger am 4.4.1979 erneut mehrere Bibliotheksbeamte beleidigt und den Bibliotheksdirektor Dr. Th. tätlich angegriffen. Um derartig massive Angriffe und Belästigungen des Bibliothekspersonals in Zukunft zu unterbinden, war es erforderlich, dem Kläger das Betreten des Gebäudes „Alte Universität“, in dem sich neben den Bibliotheksräumen auch die Dienstzimmer der Bibliotheksbediensteten befinden, zu verbieten. Das Hausverbot konnte ohne einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unbefristet ausgesprochen werden, da beim Kläger, dessen ungebührliches Verhalten bereits früher zum Erlaß eines Hausverbots geführt hatte, nicht zu erwarten ist, daß er das Unrechtmäßige seines Tuns einsieht und daraus die Konsequenzen für sein Handeln in absehbarer Zeit zieht. Die Behörde hat im übrigen zu gegebener Zeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen für das Weiterbestehen des Verbots gegeben sind oder ob dessen etwaige Aufhebung geboten erscheint (vgl. OVG Münster, DÖV 1963, 393; BayVBl. 1964, 24).

2. Auch die weitere Klage gegen den mit Bescheid vom 22.2.1980 verfügten Ausschluß des Klägers von jeglicher Benutzung der Universitäts-Bibliothek kann keinen Erfolg haben. Er findet seine Grundlage in § 33 Abs. 2 Satz 1 ABOB, der als Ausfluß der Anstaltsgewalt in den bayerischen staatlichen Bibliotheken die Möglichkeit gibt, Verstöße gegen die Benützungsordnung bestimmten Sanktionen zu unterwerfen. Hierin liegt eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Regelung der Benutzung der staatlichen Bibliotheken als öffentlicher Anstalten (vgl. Wolff/Bachof, a.a.O., § 99 I; Erichsen/Martens, Allg. Verwaltungsrecht, 2. Aufl., § 44 III; Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl., RdNr. 3, 4 zu Art. 77 m. w. N.). Im einzelnen sieht die genannte Vorschrift vor, daß Personen, die gegen die Benützungsordnung verstoßen, durch schriftliche Verfügung der Bibliothek Beschränkungen in der Benutzung unterworfen oder zeitweise oder dauernd von der Ausleihe oder jeglicher Benutzung der Bibliothek ausgeschlossen werden können. Der Beklagte hat im Fall des Klägers als einschneidenstes Mittel den dauernden Ausschuß von jeglicher Benutzung der Bibliothek gewählt. Diese Maßnahme erscheint angesichts der schwerwiegenden Verstöße des Klägers gegen die Benützungsordnung gerechtfertigt. Aus den Aussagen der Zeugen Dr. Th., L., F., K. und H. ergibt sich, daß er sich überlege, ob er Bücher mitnehmen oder Karteikästen verschwinden lasse, und daß er sich nicht erwischen lasse, wenn er etwas aus Büchern herausreiße. Schließlich hat er nach Angaben der Zeugen L. und H. Des öfteren bibliothekseigene Zeitungen und Zeitschriften verlegt bzw. versteckt. Die geschilderten Vorgänge werden zwar vom Kläger bestritten, stehen aber zur Überzeugung des Senats aufgrund der übereinstimmenden glaubwürdigen Zeugenaussagen fest. Der Kläger hat damit die sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 und 3 sowie § 18 Abs. 1 Satz 2 ABOB ergebenden Pflichten zur Aufrechterhaltung eines geordneten Bibliotheksbetriebs in gröblicher Weise verletzt. In Anbetracht der Schwere und Häufigkeit der Störungen besteht die Gefahr, daß der Kläger auch in Zukunft durch ähnliches Verhalten gegen die Benützungsordnung verstoßen wird. Da derartig schwere Verstöße im Interesse der übrigen Benutzer der Universitäts-Bibliothek nicht länger hingenommen werden können, war der Beklagte berechtigt, den Kläger von sämtlichen Arten der Bibliotheksbenutzung auszuschließen.
Der Erlaß der Benutzungsuntersagung verstößt auch im Hinblick auf das zeitlich vorangegangene Hausverbot nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder das Übermaßverbot. Das Hausverbot dient zwar u. a. – in gleicher Weise wie die Benutzungsuntersagung – dem Zweck, Störungen zu unterbinden, die durch die persönliche Anwesenheit des Klägers in den einzelnen Lesesälen der Bibliothek verursacht wurden. Die Benutzungsuntersagung geht aber über den Rahmen des Hausverbots insoweit hinaus, als sie dem Kläger jegliche Ausleihe von Büchern und sonstigen Druckschriften, etwa auch in der Form der Ausleihe durch Boten, untersagt. Die Notwendigkeit, den Kläger von der Ausleihe in diesem Umfang auszuschließen, ergibt sich daraus, daß er nach seinem bisherigen Verhalten keine Gewähr dafür bietet, daß er die aus einem eventuellen Leihverhältnis sich ergebenden Pflichten (vgl. §§ 26, 27 ABOB) ordnungsgemäß erfüllen wird.
Was den Anspruch über die Unbefristetheit der Benutzungsuntersagung betrifft, so begegnet dieser – ebenso wie beim Hausverbot – keinen rechtlichen Bedenken. Beim Kläger lassen sich bislang keine Tendenzen erkennen, die ein Besserung seines Verhaltens in bezug auf eine ordnungsgemäße Bibliotheksbenutzung erwarten ließen. Ähnlich wie beim Hausverbot ist die Behörde auch hier gehalten, das Weiterbestehen des Verbots für die Zukunft zu gegebener Zeit einer Überprüfung zu unterziehen.

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