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Zulässigkeit von Mahngebühren

Gericht: Verwaltungsgericht Stuttgart

Entscheidungsdatum: 09.05.1990

Aktenzeichen: 16 K 3873/89

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Ein Bibliotheksnutzer, der seine ausgeliehenen Medien verspätet und erst nach dreimaliger Mahnung zurückgegeben hat, klagt gegen den Gebührenbescheid in der Höhe 13 DM, da seiner Meinung nach die erhobenen Gebühren wegen Überschreitung der Ausleihfristen unverhältnismäßig seien. Die Klage wird abgewiesen, da die Mahngebühren durch das im Gebührenrecht zu beachtende Äquivalenzprinzip gedeckt sind.

Tatbestand:
Der Kläger benutzte die W.-Bibliothek in S., eine unselbständige Anstalt des öffentlichen Rechts, in der Weise, dass er an einem nicht mehr feststellbaren Tag Bibliotheksgut bis zu einem gleichfalls nicht mehr feststellbaren Tag auslieh. Er gab das ausgeliehene Gut nicht rechtzeitig zurück. Dies veranlasste die W.-Bibliothek, die Rückgabe schriftlich anzumahnen und für diese erste Mahnung eine Mahn- und Überschreitungsgebühr in Höhe von DM 1,- zu erheben. Zwei weitere gebührenpflichtige Mahnungen (DM 4,- und DM 5,-) folgten. Der Kläger gab das ausgeliehene Bibliotheksgut daraufhin zurück und bezahlte den mit Gebührenbescheid vom 9.11.1989 geforderten Betrag in Höhe von insgesamt DM 13,-. Der Kläger, welcher der Auffassung ist, dass Gebühren mangels ausreichender Ermächtigungsgrundlage zu Unrecht festgesetzt worden seien, erhob Widerspruch, den die W.-Bibliothek mit Bescheid vom 16.11.1989 zurückwies; der Widerspruchsbescheid wurde am 20.11.1989 als Einschreiben zur Post gegeben.

Der Kläger hat am 18.12.1989 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht. Er trägt vor: Die festgesetzten Mahn- und Überschreitungsgebühren würden gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen. Die Höhe der Gebühren habe Strafcharakter. Unverhältnismäßig sei es, dass eine Gebühr selbst in den Fällen erhoben werde, in denen eine „Vormerkung“ nicht vorliege. Der Bibliotheksverwaltung stehe mit der Ausleihsperre ein wirksames Mittel zur Verfügung, um säumige Nutzer von Bibliotheksgut zur alsbaldigen Rückgabe des Gutes zu bewegen. Die Bibliotheksgebührenverordnung schreibe nicht vor, dass Mahngebühren die Kosten eines Botenganges nicht überschreiten dürften, was rechtswidrig sei.

Der Kläger beantragt, den Gebührenbescheid der W.-Bibliothek vom 9.11.1989 und deren Widerspruchsbescheid vom 16.11.1989 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für rechtmäßig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist zulässig.
Sie ist als Anfechtungsklage an sich statthaft. Auch ist insbesondere das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers gegeben. Es ist nicht etwa deshalb entfallen, weil der Kläger die geforderten Mahn- und Überschreitungsgebühren schon bezahlt hat. Die angefochtenen Bescheide bilden den Rechtsgrund für die bereits bezahlten Gebühren. Werden sie aufgehoben, dann ist mit der Aufhebung das Entstehen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verbunden (vgl. aus prozessualer Sicht der Dinge den § 113 Abs. 3 VwGO). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch die Bezahlung konkludent auf diesen Anspruch verzichtet hätte, sind nicht ersichtlich.

Sie ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der W.-Bibliothek verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten, weshalb die beantragte Aufhebung nicht hat ausgesprochen werden dürfen (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der angefochtenen Bescheide ist §2 Abs. 1 S. 1 der Verordnung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst über die Erhebung von Gebühren an den Hochschulbibliotheken, der Badischen Landesbibliothek und der Württembergischen Landesbibliothek (Bibliotheksgebührenverordnung – BiblGebVO) vom 18.10.1982 (GBI. S. 514), geändert durch Verordnungen vom 29.2.1984 (GBI. S. 241) und vom 18.3.1988 (GBI. S. 115). Die Vorschrift befasst sich mit dem Fall, dass ausgeliehene Druckschriften oder andere Informationsträger (Bibliotheksgut) nicht fristgerecht zurückgegeben werden und die Rückgabe schriftlich angemahnt wird. Sie ermächtigt dann die Bibliotheksverwaltung, für jede ausgeliehene Einheit, d.h. für jedes einzelne als solches ausgeliehene Stück (§2 Abs. 1 S. 3 BiblGebVO), für die erste Mahnung je DM 8,- zu erheben. Die angefochtenen Bescheide decken sich mit dieser Bestimmung. Dies ist unter den Beteiligten auch nicht streitig. Streitig ist hingegen die Frage, ob § 2 Abs. 1 S. 1 BiblGebVO mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Diese Frage ist mit dem Beklagten zu bejahen. Die Bibliotheksgebührenverordnung ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen; insoweit sind Rügen auch nicht erhoben worden. Sie ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Dies trifft namentlich auf § 2 Abs. 1 S. BiblGebVO zu.

§ 2 Abs. 1 S. BiblGebVO ist insbesondere durch das im Gebührenrecht zu beachtende Äquivalenzprinzip gedeckt. Das Äquivalenzprinzip ist der gebührenrechtlich Ausdruck des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (BVerwGE 26, 305; BverwG DÖV 1973, 827) und besagt, dass zwischen der Höhe der Gebühr und der Leistung der Verwaltung, d.h. Ihrem Nutzen (Wert) für den Gebührenschuldner, ein angemessenes Verhältnis bestehen muss (BverwGE 12, 162; BverwG DÖV 1966, 415 (416)). Es ist zulässig, die Gebührenbemessung nach möglichst einfach zu handhabenden Maßstäben zu regeln (BverwGE 26, 305). Diesen Maßstäben halten die gestaffelten Mahn- und Überschreitungsgebühren (DM 1,-, DM 4,- und DM 8,-), die sich als Verwaltungs- und Benutzungsgebühren erweisen, stand; die Mahngebühr ist eine allgemeine Verwaltungsgebühr und die Überschreitungsgebühr, die im Falle der nicht fristgerechten Rückgabe von Bibliotheksgut erhoben wird, ist eine Benutzungsgebühr im Sinne von § 24 Abs. 1 LGebG.

Entgegen der Auffassung des Klägers kann von einem Missverhältnis zwischen der Höhe der übrigens grundrechtsneutralen (Bibliotheks-) Gebühr und dem, was die Bibliotheksverwaltung an Leistung erbringt, keine Rede sein. Die Leistung der Verwaltung besteht nämlich außer in dem durch die Mahnung entstehenden Verwaltungsaufwand auch und gerade darin, dass Bibliotheksgut ausgeliehen wird. In diesem Zusammenhang fällt ins Gewicht, dass für die Benutzung der in Rede stehenden Bibliotheken grundsätzlich keine Gebühren erhoben werden (§ 1 BiblGebVO). Der Benutzer selbst hat es in der Hand, ob er die Bibliotheken gebührenfrei oder ob er sie im Gegenteil gebührenpflichtig in Anspruch nimmt. Unter diesen Umständen von einer unzulässigen Gebührenerhebung zu reden, ist geradezu abwegig.

Dem Kläger kann auch nicht in der Ansicht gefolgt werden, gebührenrechtliche Grundsätze würden eine Staffelung der Mahn- und Überschreitungsgebühren verbieten.

Die Mahn- und Überschreitungsgebühren haben neben dem Zweck, entstehende Kosten (teilweise) zu decken, auch die Aufgabe, die Benutzer zur ordnungsgemäßen Benutzung der Bibliotheken zu erziehen (Edukationseffekt). Es unterliegt keinem Zweifel, dass deshalb das Gebührenrecht auch in den Dienst der Missbrauchsabwehr gestellt werden darf (so auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.11.1978 – II 703/78 -). Dem dient die Staffelung. Es ist nicht erkennbar, dass der Verordnungsgeber sich des Edukationseffektes bei der Staffelung der Gebühren ungehemmt bedient hätte. Da mit der Staffelung der Gebühren auf die Bibliotheksbenutzer erzieherisch gewirkt werden soll, hat sich der Einwand des Klägers erledigt, mit dem die Zulässigkeit einer Mahn- und Überschreitungsgebühr bei Nichtvorliegen einer „Vormerkung“ gerügt und das Fehlen einer entsprechenden Regelung vermisst wird. Abgesehen davon, dass der Kläger im vorliegenden Falle schon nicht behauptet hat, eine „Vormerkung“ für das von ihm ausgeliehene Bibliotheksgut habe nicht vorgelegen, kann aus erzieherischen Gründen nicht gut angenommen werden, Mahn- und Überschreitungsgebühren seien nur dann angebracht, wenn sich während der Ausleihfrist oder der Fristüberschreitung das Interesse eines anderen Benutzers an dem ausgeliehenen Bibliotheksgut auftue. Der Erziehungseffekt ist davon unabhängig.
Fehl geht letztlich der Hinweis des Klägers, die Bibliotheksgebührenverordnung sei deshalb fehlerhaft, weil sie die Mahn- und Überschreitungsgebühren nicht auf die Höhe der Gebühr für einen Botengang begrenze. Selbst wenn dem so wäre, könnte der Kläger aus diesem Unterlassen des Verordnungsgebers keine Rechtsverletzung ableiten. Die Gebühr für den Botengang beträgt gem. § 2 Abs. 1 S. 2 BiblGebVG DM 20,-, die hier angefallenen Mahn- und Überschreitungsgebühren betragen DM 13,-.

Völlig befremdet ist die Auffassung des Klägers, der Bibliotheksverwaltung steht die Ausleihesperre als wirksames Mittel zur Erziehung der Bibliotheksbenutzer zur Verfügung, weshalb es der Einführung von Mahn- und Überschreitungsgebühren nicht bedurft hätte. Dazu ist zu sagen, dass die hier in Rede stehenden Gebühren gegenüber der Ausleihesperre das mildere Mittel darstellen. Die Bibliotheksverwaltung wird mit der Einführung der Mahn- und Überschreitungsgebühren und der Absage an die primäre Ausleihesperre dem Auftrag der Verfassung gerecht, auch im Bereich der Bibliotheksgebühren dem sich aus den Grundrechten ergebenden Prinzip der Verhältnismäßigkeit Geltung zu verschaffen. Im übrigen verkennt der Kläger, dass es grundsätzlich nicht darum gehen kann, einen Bewerber um die Benutzung der Bibliothek von der Benutzung auszuschließen, sondern vielmehr vorrangig darum, Bibliotheksgut nach Ablauf der Ausleihefrist für andere Benutzer bereitzuhalten. Dafür sind Mahn- und Überschreitungsgebühren ein in jeder Hinsicht adäquates Mittel.

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