- Bibliotheksurteile - https://www.bibliotheksurteile.de -

Eingruppierung bei Leitung einer Teilbibliothek I

Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin

Entscheidungsdatum: 22.05.1997

Aktenzeichen: 16 Sa 5/97

Entscheidungsart: Urteil

Eigenes Abstract: Eine Diplombibliothekarin möchte aufgrund der in der Bibliothek oft vorkommenden Ausleihvorgänge, des bestehenden hohen Medienbestands und den von ihr ausgeführten Tätigkeiten von der Vergütungsgruppe IV Fallgruppe 6a in die Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 10b BAT-O eingestuft werden. Während sie in erster Instanz Recht bekam, wird die Höhergruppierung in der Berufungsinstanz abgelehnt.

Instanzenzug
– ArbG Berlin vom 11.10.1996, Az. 86 Ca 36078/95
– LAG Berlin vom 22.05.1997, Az. 16 Sa 5/97
BAG vom 21.10.1998, Az. 4 AZR 564/97 [1]

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Eingruppierung. Der Streit geht insbesondere darum, ob die Klägerin Leiterin einer öffentlichen Bücherei mit einem Buchbestand von mindestens 25.000 Bänden und durchschnittlich 100.000 Entleihungen im Jahr im Sinne der Vergütungsgruppe IV a, Fallgr. 6 a der Vergütungsordnung Bund/Länder zum BAT-O ist, oder ob sie, wie das beklagte Land meint, nur einen Teil einer solchen Bücherei leitet und in Vergütungsgruppe IV b, Fallgr. 10 a eingruppiert ist.

Die 1954 geborene und der ÖTV angehörende Klägerin hat im Juli 1979 an der Fachschule für Bibliothekare Leipzig die staatliche Abschlußprüfung in der Fachrichtung Staatliche Allgemeinbibliotheken und Gewerkschaftsbibliotheken abgelegt. Seit 1983 ist sie als Bibliothekarin in einer öffentlichen Bibliothek im Stadtbezirk … von (Ost-)Berlin beschäftigt seit 1985 als Leiterin der unter der genannten Anschrift untergebrachten Bibliothekseinrichtung. Durch Urkunde vom 1. Juli 1994 hat ihr das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die Berechtigung zuerkannt, den Grad Diplombibliothekar (Fachhochschule) zu führen; diese Urkunde hat die Klägerin am 6. September 1994 ihrer Personalstelle vorgelegt.

Die Parteien haben zuletzt unter dem 8. Januar 1992 die beiderseitigen Rechte und Pflichten in einem schriftlichen Vertrag (Kopie Bl. 11 f. d.A.) fixiert, in dem die Klägerin als „Leitende Bibliothekarin“ bezeichnet wird und in dem eine allgemeine Bezugnahme auf den BAT-O und die ergänzenden und ändernden Tarifverträge enthalten ist; als Vergütungsgruppe ist die Gruppe IV b genannt. Durch Schreiben vom 21. März 1992 (Kopie Bl. 13 d.A.) teilte die zuständige Abteilung Personal und Verwaltung der Klägerin mit, sie sei, nach Überprüfung, mit Wirkung vom 1. Juli 1991 in Vergütungsgruppe IV a, Fallgr. 1 b eingruppiert; dies korrigierte das Bezirksamt sodann durch eine Änderungskündigung mit Datum vom 26. März 1993 (Kopie Bl. 14 f. d.A.) zum 30. September 1993, mit der der Klägerin für die Zeit danach wiederum nur eine Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b angeboten wurde, da die Eingruppierung in Vergütungsgruppe IV a/1 b irrtümlich erfolgt sei. Diese Änderungskündigung hat die Klägerin akzeptiert und wird seit dem 1. Oktober 1993 wieder nach Vergütungsgruppe IV b vergütet.

Die öffentlichen Bibliotheken in Berlin sind in der Regel so strukturiert, daß jeder Bezirk eine sogenannte Hauptbibliothek unterhält, in der in einem Gebäude sämtliche Printmedien und audiovisuelle Medien für alle Altersstufen und Interessen bzw. Wissensgebiete angeboten werden; daneben werden, wenn erforderlich, Stadtteilbibliotheken unterhalten. Der zentrale Katalog und eine zentrale Zugangsstelle für den Medienerwerb gehört zur Hauptbibliothek. Der Bezirk … verfügt dagegen nicht über die räumlichen Voraussetzungen der einheitlichen Unterbringung einer Hauptbibliothek. Dort wird zwar auch das komplette Angebot einer Hauptbibliothek unterhalten, jedoch verteilt auf unterschiedliche Standorte, da es an einem geeigneten Gebäude (von ca. 2.000 qm Hauptnutzfläche) mangelt. Was von den übrigen Bezirken in einem Gebäude angeboten wird, verteilt sich in … auf insgesamt vier Standorte; in der … ist auf etwa 300 qm Nutzfläche der größte Medienbestand (Printmedien und audiovisuelle Medien) für Erwachsene untergebracht. Daneben gibt es eine sogenannte „Phonothek“ (mit Schallplatten, Musikcassetten, CD`s, Sprachkursen, Hörspielcassetten, Musikzeitschriften und Biographien zu Rock- und Popmusik) am Standort … eine sogenannte „Hauptbibliothek für Kinder“ in der G. Außerdem sind drei Stadtteilbibliotheken für Erwachsene, zwei Stadtteilbibliotheken für Kinder und Erwachsene und zwei weitere Stadtteilbibliotheken nur für Kinder vorhanden. Der Zentralkatalog wird am Standort … unterhalten; dort ist auch der „Zentrale Medienerwerb“ untergebracht, den die Angestellte … leitet, die den einzelnen Einrichtungen den Anteil am jährlichen Etat zuweist und in jedem Einzelfall die letzte Entscheidung über Anschaffungsvorschläge der Leiterinnen der Teileinrichtungen trifft und die Anschaffungen nach außen hin tätigt. Das „Stadtbüchereiamt“ ist ebenfalls am Standort … untergebracht. Amtsleiterin ist Frau … ihre Stellvertreterin Frau … Letztere ist verantwortlich für den gesamten Ablauf der Dienstgeschäfte in allen Bibliothekseinrichtungen und in der Buchbinderei des Bezirks, wozu folgendes gehört

– Diensteinteilung und Urlaubsplanung für den gesamten Geschäftsbereich
– Leitung aller bibliothekarischen, technischen und verwaltungsmäßigen Arbeiten
– Aufbereitung und Auswertung – der Bibliotheksstatistik in und für alle zehn Einrichtungen
– verantwortliche Bearbeitung und Erschließung einiger Gebiete der Sachliteratur
– Mitarbeit im Berliner Arbeitskreis der Hauptstellenleiter
– Berichtswesen
– Anordnungsbefugnis
– Ausleihdienste
– Vertreterin der Amtsleiterin.

Der Klägerin unterstehen im örtlichen Bereich … fachlich eine Diplombibliothekarin der Vergütungsgruppe IV b, eine Diplombibliothekarin der Vergütungsgruppe V b sowie vier Bibliotheksassistentinnen der Vergütungsgruppen VI b und VII. Die Klägerin ist dort verantwortlich für Fachfragen zum Aufbau und zur Pflege des Erwachsenenliteraturbestandes und macht im Rahmen des ihr von Frau … zugewiesenen Etats die Anschaffungsvorschläge, denen Frau … aller Regel folgt. Darüber hinaus bearbeitet und erschließt sie den Bereich Naturwissenschaften für den ganzen Bezirk, während Frau … insoweit die Gebiete Geschichte und Literaturwissenschaft bearbeitet und erschließt entsprechende Aufgaben für den ganzen Bezirk, bezogen auf einzelne Fachgebiete, haben auch die anderen Diplombibliothekare in den anderen Einrichtungen. Die Klägerin führt für den Bereich monatliche und vierteljährliche Statistiken, die sie an Frau … weitergibt. Sie ist Kontaktperson zu zwei benachbarten Gymnasien, für die die Einrichtung in der … gleichzeitig als Schulbibliothek fungiert. Die Klägerin führt für den Bereich … die Dienstpläne und die Pläne für den Ausleihdienst, an dem auch Frau … teilnimmt; letztere gibt die für sich selbst geltenden Zeiten vor. Die Klägerin ist im übrigen verantwortlich für die Abstimmung der Urlaubspläne, die sie dann an Frau … weitergibt. Frau … verantwortet sodann die gesamtbezirkliche Urlaubsplanung und sorgt bei Urlaubsüberschneidungen oder auch in Krankheitsfällen, falls erforderlich, für Vertretungen aus anderen örtlichen Bereichen. In die konkrete Urlaubsplanung im Bereich … hat Frau … bislang nicht eingegriffen.

Im Land Berlin werden die stellvertretenden Leiter der Stadtbüchereiämter üblicherweise als Leiter der Hauptbibliotheken („Hauptstellenleiter“) bezeichnet; für den Bezirk … nimmt demzufolge Frau … am „Berliner Arbeitskreis der Hauptstellenleiter“ teil. Die Amtsleiter waren früher im Westteil Berlins, soweit sie Beamte waren, in Besoldungsgruppe A 14, soweit sie Angestellte waren, in Vergütungsgruppe 1 b eingestuft, die stellvertretenden Amtsleiter in Besoldungsgruppe A 13 S/Vergütungsgruppe III/II a BAT, die Stellvertreter der letztgenannten in Besoldungsgruppe A 12/Vergütungsgruppe IV a/III BAT. Nach einer Rüge des Rechnungshofes ist diese Einstufung dahin geändert worden, daß die Amtsleiter und ihre Stellvertreter (zugleich Leiter der Hauptstelle) in Vergütungsgruppe IV a, Fallgr. 6 eingruppiert werden, die Stellvertreter der Hauptstellenleiter in Vergütungsgruppe IV b, Fallgr. 10. Jedoch hat man den bisherigen Stelleninhabern ihre bisherige Vergütung übertariflich belassen. Die Amtsleiterin in … erhält hiernach Vergütung nach Vergütungsgruppe 1 b, ihre Stellvertreterin, Frau …, nach Vergütungsgruppe II a BAT-O.

Jedenfalls seit 1991 lag der reine Buchbestand des Standortes … jeweils über 25.000 Bänden pro Jahr. Die Gesamtzahl aller Entleihungen (unter Einschluß von AV-Medien und Zeitschriften) lag in dieser Zeit über 100.000, die Anzahl der Entleihungen von Büchern jedoch unter dieser Zahl. Von Mai 1994 bis Januar 1995 war die Einrichtung in der … wegen Umbauarbeiten geschlossen; jahresstatistische Angaben für das Jahr 1994 liegen nicht vor. In den Jahren 1995 und 1996 lag der reine Buchbestand wiederum über 25.000 Bänden; in diesen Jahren lag auch die Anzahl der Buch-Entleihungen über 100.000 Bänden; auf die mit der Klageschrift eingereichten Statistiken für die Jahre 1991 bis 1993 (Bl. 27, 26 und 25 d.A.) und auf die mit der Berufungserwiderung eingereichten Statistiken für die Jahre 1995 und 1996 (Bl. 218 – 220 d.A.) wird verwiesen.

Durch Schreiben vom 5. September 1994 (Kopie Bl. 17 d.A.) machte die Klägerin ihre Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV a, Fallgr. 6 BAT-O geltend, und zwar „auch für den zurückliegenden Zeitraum“. Nach längerer Korrespondenz lehnte das Bezirksamt dieses Ansinnen ab, worauf die Klägerin die vorliegende, am 1. Dezember 1995 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichte und am 18. Dezember 1995 zugestellte Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben hat.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Einrichtung in der … sei die Hauptbibliothek des Bezirks W. Diese werde von ihr, der Klägerin, geleitet; Frau … könne schon deshalb keine Leitungsfunktion wahrnehmen, weil ihr Arbeitsplatz räumlich entfernt angesiedelt sei. Da sie, die Klägerin, nicht nur für die Urlaubs-, Dienst- und Ausleihplangestaltung am Standort zuständig sei und sämtlichen dort beschäftigten Dienstkräften fachliche Weisungen erteile, sondern insbesondere auch verantwortlich sei für Bestandsaufbau und Bestandspflege, erfülle sie die Anforderungen, die an den Begriff einer „Leiterin“ einer Bücherei zu stellen seien. Da auch die tariflich vorgeschriebene Anzahl von Bänden und Entleihungen allein am Standort … übertroffen werde, stehe ihr die begehrte Vergütung im Rahmen der tariflichen Ausschlußfrist, zurückgerechnet von ihrem Geltendmachungsschreiben vom 5. September 1994, zu.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr ab dem 1. März 1994 Vergütung nach Vgr. IV a der Anlage 1 a Teil 1 des BAT-O zu zahlen und die rückständigen monatlichen Differenzbeträge zwischen der Vgr. IV a und IV b ab jeweiliger monatlicher Fälligkeit, hilfsweise ab Zustellung der Klage, mit 4 % zu verzinsen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat geltend gemacht, der Standort … umfasse lediglich einen Teil der Hauptbibliothek des Bezirks W, welche auf vier Standorte verteilt sei und von Frau … geleitet werde, die das anleitende und anweisende Fachorgan für bibliothekarische, technische und auch verwaltungsmäßige Arbeitsabläufe der gesamten Bibliothek sei; nur die Ausführung ihrer Weisungen liege in den Händen der jeweils 1. Bibliothekarinnen an den einzelnen Standorten. Selbst hinsichtlich der Urlaubsplanung habe die Klägerin für den Standort … nur eine vorbereitende Funktion, während Frau … die Urlaubsplanung für die Gesamtbibliothek verbindlich festlege; daß es bislang nicht zu einem konkreten Streitfall gekommen sei, ändere nichts daran, daß nicht die Klägerin, sondern Frau … zu entscheiden habe.

Durch Urteil vom 11. Oktober 1996 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfange stattgegeben und den Streitwert auf 18.000,– DM festgesetzt. Die Klägerin sei „Diplombibliothekarin“ im Tarifsinne; der Gleichstellungsbescheid vom 1. Juli 1994 habe lediglich deklaratorische Wirkung, so daß die Klägerin das persönliche Merkmal jedenfalls mit Beginn des Klagezeitraumes erfülle. Die Einrichtung in der … sei eine öffentliche Bücherei mit einem Bestand von mindestens 25.000 Bänden und mehr als 100.000 Entleihungen im Jahr. Die Klägerin sei auch als deren Leiterin tätig, was sich unter anderem aus dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 1993 und dem Arbeitsvertrag der Klägerin ergebe, worin sie jeweils als „leitende Bibliothekarin“ bezeichnet werde. Auch die tatsächliche Weisungsbefugnis gegenüber den übrigen Dienstkräften am Standort … und die Handhabung der Urlaubsplanung spreche für diese Annahme, ebenso die Vergütungsunterschiede zwischen der Klägerin und Frau … Auf die Einzelheiten der Begründung wird verwiesen (Bl. 155 – 158 d.A.).

Gegen dieses am 23. Dezember 1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Januar 1997 eingegangene und am 17. Februar 1997 begründete Berufung des beklagten Landes.

Es macht geltend, das Arbeitsgericht habe insbesondere die organisatorisch-hierarchische Einbindung der Klägerin mit ihrer „Teilbibliothek“ in die Leitungsstrukturen der gesamten „Hauptbibliothek“ verkannt. Nicht die Klägerin, sondern Frau … und die ihr unterstellte Frau … übten die eigentlichen Leitungsfunktionen in bezug auf den Standorte .. aus. Im übrigen nehme die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag zu 75 % ihrer Arbeitszeit normale bibliothekarische Funktionen wahr, so daß eine etwaige Leitungstätigkeit nicht zeitlich mindestens zur Hälfte anfalle. Weiter könne den Angaben der Klägerin nicht entnommen werden, daß in den Jahren 1991 bis 1993 am Standort durchschnittlich 100.000 Entleihungen von Buchbänden stattgefunden hätten. Da die Tarifbestimmung auf einen Buchbestand von 25.000 Bänden abstelle, beziehe sich auch die Anzahl der Entleihungen auf Buchbände; die Klägerin habe aber die Grenze von 100.000 Entleihungen nur unter Einbeziehung von AV-Medien und Zeitschriften überschritten. Die persönliche Voraussetzung einer abgeschlossenen Fachausbildung im Tarifsinne habe die Klägerin im übrigen erst mit Vorlage des Gleichstellungsbescheides am 6. September 1994 erfüllt, so daß ihr die höhere Vergütung keinesfalls schon ab 1. März 1994 zugesprochen werden könne; auch die Zinsforderung sei unberechtigt, da ein Verschulden bei der Eingruppierung der Klägerin nicht gegeben sei.

Das beklagte Land beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich die Urteilsbegründung zu eigen und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die vom beklagten Land vorgetragenen Beispiele von Einzelmaßnahmen der Frau … in bezug auf den Standort … fielen überwiegend in die Zeit einer längerdauernden Arbeitsunfähigkeit (vom 20. Februar bis 12. Mai 1995) und einer anschließenden Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell bis zum 7. Juli 1995, sowie in die Zeit einer längeren Arbeitsunfähigkeit ihrer, der Klägerin, Stellvertreterin, Frau … (vom 23. Juni bis zum 28. August 1995). Davor und danach habe Frau … keine maßgebliche Leitungstätigkeit entfaltet. Die Anzahl der Entleihungen liege im gesamten Klagezeitraum über der tariflichen Grenze von 100.000; auf eine Differenzierung nach Buchbänden und anderen Medien komme es nicht an.

Entscheidungsgründe

1. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Nachdem in zweiter Instanz im wesentlichen unstreitig geworden ist, daß die maßgeblichen Entscheidungen über Bestandsaufbau und Bestandspflege auch für den Standort … letzten Endes nicht von der Klägerin, sondern am Standort … von Frau … und Frau … getroffen werden, kann die Klägerin nach Auffassung der Berufungskammer nicht als „Leiterin“ der „öffentlichen Bücherei“ (Teilbücherei) am Standort … angesehen werden. Darauf, wieviel Freiraum ihr bei der Gestaltung der täglichen Arbeitsabläufe faktisch belassen wird, kommt es hierbei nicht entscheidend an. Die Eingruppierungsfeststellungsklage, die nach allgemeiner Auffassung als zulässig anzusehen ist (vgl. etwa BAG AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975), ist hiernach nicht begründet

2.1 Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet sowohl kraft vertraglicher Verweisung als auch kraft Nachwirkung der Erste Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) und die ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder jeweils geltenden Fassung Anwendung). Für die Eingruppierung kommt es nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT-O darauf an, ob bei der Tätigkeit der Klägerin zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die die Anforderungen der Merkmale der von ihr begehrten Vergütungsgruppe erfüllen. Die einschlägigen Bestimmungen lauten insoweit:

Vergütungsgruppe IV a
1. …
6. Angestellte fit abgeschlossener Fachausbildung für den bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Diplombibliothekare)
a. als Leiter von öffentlichen Büchereien mit einem Buchbestand von mindestens 25.000 Bänden und durchschnittlich 100.000 Entleihungen im Jahr …

während in die darunterliegende Vergütungsgruppe IV b eingruppiert sind:
1.
10. Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für den bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Diplombibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit,
a. denen mindestens ein Diplombibliothekar oder eine gleichwertige Fach kraft mindestens der Vergütungsgruppe V b Fallgr. 16 oder 17 ständig unterstellt ist,
b. als Leiter von öffentlichen Büchereien mit einem Buchbestand von mindestens 12.000 Bänden und durchschnittlich 48.000 Entleihungen im Jahr,
c. als Leiter von Stadtteilbüchereien (Nebenstellen) mit einem Buchbestand von mindestens 15.000 Bänden und durchschnittlich 60.000 Entleihungen im Jahr.

2.2 Mit dem Arbeitsgericht (und der Klägerin) geht die Berufungskammer zunächst davon aus, daß die. Klägerin eine abgeschlossene Fachausbildung für den bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Abschluß Diplombibliothekar) schon zu Beginn des Klagezeitraums besessen und nicht erst mit Vorlage des Gleichstellungsbescheides des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 1. Juli 1994 am 6. September 1994 erlangt hat. Der Gleichstellungsbescheid hat – bei jedenfalls seit 1987 gleichbleibender Tätigkeit der Klägerin – keine konstitutive, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung.

2.3 Des weiteren erfüllen die Räumlichkeiten in der …, in denen der Arbeitsplatz der Klägerin angesiedelt ist, das Merkmal der „öffentlichen Bücherei“. Unter diesem Begriff, der im Tarifvertrag nicht definiert, sondern vorausgesetzt wird, versteht die Kammer eine planmäßige, nach Sachgebieten und Verfassern geordnete Sammlung von Printmedien, insbesondere Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, die räumlich abgegrenzt und die der Bevölkerung allgemein zugänglich ist. Für die Abgrenzung einer Bücherei von einem bloßen Teil einer (unter Umständen auf mehrere Räumlichkeiten verteilten) Bücherei ist dabei nach Auffassung der Kammer darauf abzustellen, ob ein eigenständiger Katalog vorhanden ist. Nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin (in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer) ist der Bestand des Standortes … in einem eigenen, dort vorhandenen Katalog erfaßt. Daß der Bestand der … außerdem auch in dem in der … befindlichen Zentralkatalog erfaßt ist, steht hiernach der Annahme nicht entgegen, daß der in der … untergebrachte Printmedienbestand eine Bücherei im Tarifsinne bildet.

2.4 Ob der Standort …, neben der Anforderung „mindestens 25.000 Bände“, die für den gesamten Klagezeitraum unstreitig ist, auch die Anforderung von „100.000 Entleihungen“ bereits seit 1. März 1994 oder erst seit Januar 1995 erfüllt (m.a.W.: Ob es insoweit nur auf Bücher und vergleichbare Broschüren ankommt oder auf die in der … vorhandenen Medien insgesamt), kann dahingestellt bleiben.

2.5 Denn auch bei letzterer Annahme kann die Klägerin nach ihren ebenfalls in mündlicher Verhandlung vor der Berufungskammer gemachten Angaben nicht als „Leiterin“ des Standorts … im Tarifsinne angesehen werden

Dabei geht die Kammer zunächst, wiederum zugunsten der Klägerin, davon aus, daß bei der Leitungstätigkeit im Sinne der Vergütungsgruppe IV a/6 a (wie auch im Sinne der Vergütungsgruppe IV b/10 c) nicht gesondert dargestellt werden muß in welchem zeitlichen Umfang beim klagenden Arbeitnehmer herkömmliche bibliothekarische Arbeiten neben der eigentlichen Leitungstätigkeit anfallen. Arbeiten, die sich auf die Leitung der Bücherei beziehen (etwa: Organisation der Arbeitsabläufe, fachliche Anweisung der unterstellten Mitarbeiter, Erstellung der Dienst- und Ausleihpläne, Entwurf und Fortentwicklung der Büchereikonzeption), lassen sich von „normalen“ bibliothekarischen Arbeiten (wie Auskunft und Beratung der Benutzer, Erfassung, Bestandsaufbau und Bestandspflege, Aussonderung nicht mehr benötigter Medien) nicht trennen; letztere bilden nach Auffassung der Kammer mit den ersteren einen einheitlichen Arbeitsvorgang „Leitung der Bücherei“. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang nach Auffassung der Kammer nicht anders zu beurteilen als bei der Wahrnehmung von Leitungsaufgaben im Pflegebereich einer Krankenhausstation (vgl. dazu BAG – 4 AZR 458/91 – vom 29. April 1992), bei der „Leitung von Instandsetzungsbereichen“ im Sinne der Vergütungsgruppe IV b/1 c der Anlage 1 a, Teil II, Abschn. Q (vgl. dazu BAG – 4 AZR 298/92 – vom 24. März 1993) oder bei der „Leitung von Erziehungsheimen“ im Sinne der Vergütungsgruppe III/1 der Anlage 1 a, Teil II, Abschn. G, Unterabschn. II in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung (vgl. dazu BAG – 4 AZR 270/95 – vom 23. Oktober 1996).

Geht man mit der Klägerin davon aus, daß die vom beklagten Land mit der Berufung vorgetragenen Einzelbeispiele von Eingriffen der Frau … in die Arbeitsabläufe des Standorts … nur damit zu erklären sind, daß im fraglichen Zeitraum entweder die Klägerin selbst oder aber ihre Stellvertreterin arbeitsunfähig erkrankt waren, und daß im übrigen Frau … der Klägerin bei der Gestaltung der Arbeitsabläufe verhältnismäßig freie Hand läßt, kann dennoch nicht davon ausgegangen werden, daß die Leitung der Bücherei im tariflichen Sinne zu der von der Klägerin auszuübenden Tätigkeit gehört. Unter „Leitung“ ist in der Verwaltungssprache die Verbindung von Aufgaben der Planung, Organisation, Anweisung, Koordination und Kontrolle zu verstehen; als Eingruppierungsmerkmal nach dem BAT ist für den Begriff des „Leiters“ weiter erforderlich, daß dieser für eine Einrichtung, einen Teil derselben oder einen abgrenzbaren Aufgabenbereich die Verantwortung trägt (vgl. insbesondere BAG – 4 AZR 270/95 – vom 23. Oktober 1996 m.w.N.).

Bei einer Bücherei kann von Leitungstätigkeit im Tarifsinne nach Auffassung der Kammer nur dann gesprochen werden, wenn der Leiter in bezug auf sämtliche wesentlichen bibliothekarischen Aufgaben Entscheidungsbefugnisse und damit die Verantwortung zu tragen hat. Bei einer öffentlichen Bücherei gehört hierzu nach Auffassung der Kammer insbesondere eine Entscheidungsbefugnis in Fragen der Auswahl und der Aussonderung der vorhandenen Medien (Bestandsaufbau und Bestandspflege), sowie Entscheidungsbefugnisse im Bibliotheksmanagement wie Zusammenarbeit mit übergeordneten Stellen, Aufstellung von Zielen für alle Bereiche der Bibliothek und Festlegung der Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Bibliotheken (vgl. Blätter zur Berufskunde der Bundesanstalt für Arbeit, Diplombibliothekar/-in an öffentlichen Bibliotheken, 8. Aufl. 1996, Seite 7 – 11). In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer ist jedoch deutlich geworden, daß die Klägerin insoweit zwar Vorschläge machen kann, Entscheidungsbefugnisse im engeren Sinne bei ihr aber nicht liegen. Die Klägerin hatte noch in erster Instanz behauptet, sie sei verantwortlich für den Bestandsaufbau und die Bestandskonzeption in der … und verwalte selbständig den ihr nur pauschal zugewiesenen Etat. Sie hat jedoch im Termin vor der Berufungskammer eingeräumt, daß sie etwa hinsichtlich der Anschaffung neuer Bücher oder Zeitschriften auch für ihren Bereich nur Vorschläge macht, daß die Entscheidungsbefugnisse aber insoweit bei Frau … bzw. bei deren Vorgesetzter Frau … liegen und daß es durchaus vorkomme, daß Frau … und Frau … ihren Vorschlägen nicht folgen, etwa im Hinblick auf die Bestände, die an anderen Standorten vorhanden sind, oder generell im Hinblick auf die von der … aus verfolgte Konzeption. Dann aber liegt die tariflich relevante Leitungsmacht auch in bezug auf die Bücherei in der … in den Händen der Frau … und der Frau …, auch wenn diese vor Ort nicht häufig in Erscheinung treten. Dies wird auch daran deutlich, daß Frau … die immerhin fünf Stunden pro Woche am Ausleihdienst in der … teilnimmt, der Klägerin die dafür geltenden Zeiten selbst vorgibt. Es wird weiter deutlich daran, daß sämtliche Kontakte zu übergeordneten Stellen und die Mitarbeit im Berliner Arbeitskreis der Leiter der Hauptbibliotheken nicht von der Klägerin, sondern von Frau … wahrgenommen werden. Hiernach kann die Klägerin nicht als „Leiterin“ einer öffentlichen Bücherei im Sinne der Vergütungsgruppe IV a, Fallgr. 6 a BAT-O angesehen werden, auch wenn sie räumlich entfernt von der vom beklagten Land mit Recht als Leiterin der Hauptbibliothek bezeichneten Frau … arbeitet und diese ihr, wegen der räumlichen Verhältnisse im Bezirk … und der historische gewachsenen Strukturen, mehr Freiheiten beläßt, als dies in den Hauptbibliotheken der anderen Bezirke der Fall sein mag.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

4. Die Revision wird nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen; veröffentlichte Judikatur zum Tarifbegriff des „Leiters einer Bücherei“ ist bislang nicht bekannt.

Dieses Urteil bookmarken Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.