- Bibliotheksurteile - https://www.bibliotheksurteile.de -

Vergabe von Next-Generation-Bibliotheksinfrastruktur unfair II

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf

Entscheidungsdatum: 27.06.2018

Aktenzeichen: Verg 4/18 [1]

Entscheidungsart: Beschluss

eigenes Abstract:

Ein Konsortium aus vor allem nordrhein-westfälischen Hochschulbibliotheken hat einen Vertrag zur Einführung einer cloudbasierten sog. Next-Generation-Bibliotheksinfrastruktur für die Hochschulbibliotheken des nordrhein-westfälischen Bibliotheksverbundes europaweit ausgeschrieben. Eine nicht berücksichtigte Firma erhob gegen das Ausschreibungsverfahren Beschwerde im Vergabegericht Rheinland. Das Gericht hat die Beschwerde zugelassen, das Bibliothekskonsortium legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Diese Beschwerde hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit diesem Beschluss abgewiesen.

Instanzenzug:

Vergabekammer Rheinland, 21.12.17 – VK VOL 23/17 [2]

Oberlandesgericht Düsseldorf, 27.06.2018 – Verg 4/18

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland, Kammer in Köln, vom 21. Dezember 2017 (VK VOL 23/17) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens – mit Ausnahme etwaiger Kosten der Beigeladenen – trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A.

Mit Bekanntmachung vom 16.06.2017 schrieb das I. des Landes Nordrhein-Westfalen (I.) als Vergabestelle für den Antragsgegner, ein Konsortium aus 43 Mitgliedern, bestehend aus dem Land Nordrhein-Westfalen, öffentlichen Hochschulen und Kunsthochschulen des Landes NRW, anerkannten Hochschulen in Nordrhein-Westfalen und der deutschen A. (A.) Stiftung des öffentlichen Rechts, einen Vertrag zur Einführung einer cloudbasierten sog. Next-Generation-Bibliotheksinfrastruktur für die Hochschulbibliotheken des nordrhein-westfälischen Bibliotheksverbundes im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Die Laufzeit des Vertrages soll fünf Jahre betragen.

Unter Abschnitt III.1.3 Technische und berufliche Leistungsfähigkeit verweist die Bekanntmachung auf „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“.

Die in den Vergabeunterlagen enthaltenen Teilnahmebedingungen verlangen zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit (Abschnitt III.1.3 der EU-Bekanntmachung) unter Ziffer 1 unter anderem jeweils zwei Referenzen für

„d. den Betrieb eines cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystems, in dem die Daten, die auf lokaler und kooperativer Ebene gehalten werden, eine CCO-Lizenz (https:// creativecommons.org / publicdomain / zero / 1.0 / deed.de) haben

e. in Deutschland bereits automatisierte Fernleihservices, dazu gehört der Anschluss an den ZFL-Server über das SLNP-Protokoll, in einem cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystem“

j. die Einrichtung der Grundkonstellation eines cloudbasierten Bibliothekssystems mit mehr als fünf Bibliotheken und mindestens bis zu 6.000 Ausleihen pro Tag pro Bibliothek mit der Referenz, dass die Daten skalierbar sind. Zur Skalierbarkeit der Daten ist anzugeben, mit welchen nachweisbaren Datenmengen die Systeme umgehen können.

l. die erfolgreiche Migration von Fremdsystemen (Lokalsysteme anderer Anbieter) innerhalb des deutschsprachigen Bereichs unter Berücksichtigung des europäischen Datenschutzes auf die neue cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware. Umfang der Migration der Lokaldaten: Bestandsdaten, Bewegungsdaten (mindestens Leihfristen und Gebühren)“.

Nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.07.2011[sic! vermutlich 2017] mehrere Rügen. Unter anderem beanstandete sie die vorgenannten Teilnahmebedingungen als vergaberechtswidrig und machte Verstöße gegen das Transparenzgebot geltend. Der Antragsgegner wies die Rügen mit Schreiben vom 18.07.2017 zurück.

Mit Informationsschreiben vom 25.07.2017 schloss der Antragsgegner den am 14.07.2017 von der Antragstellerin fristgerecht eingereichten Teilnahmeantrag aus. Er begründete dies mit der Nichterfüllung der Eignungskriterien zu Ziffer 1 Buchst. e und Buchst. l der Teilnahmebedingungen. Die Antragstellerin brachte am 01.08.2017 einen Nachprüfungsantrag an.

Sie macht geltend, der Antragsgegner schließe durch die Referenzanforderungen zu Ziffer 1 Buchst. e und Buchst. l der Teilnahmebedingungen faktisch den Wettbewerb aus, ohne dass dies gerechtfertigt sei. Es handle sich um einen hochspezialisierten Markt. Lediglich sie selbst und die Beigeladene als große Anbieter setzten eine Cloudlösung ein. Nur die Beigeladene könne die streitigen Referenzanforderungen erfüllen, was dem Antragsgegner aufgrund seiner Marktkenntnis bekannt gewesen sein müsse.

Der ZFL-Server mit SLNP-Anbindung (betr. Ziffer 1 Buchst. e der Teilnahmebedingungen) sei zwar eine technische Gegebenheit, die es allein in Deutschland gebe. Beides seien jedoch ihre eigenen Entwicklungen. Es sei ihr daher unproblematisch möglich, bis zur Live-Migration einer Bibliothek bis zum 01.01.2019 bzw. bis Herbst 2018 zu Testzwecken die technischen Anforderungen umzusetzen. Eine Referenz hierüber könne sie allein deshalb nicht vorweisen, weil bislang kein Auftraggeber nach dieser speziellen Verknüpfung verlangt habe. Für ihre bisherigen Kunden in Deutschland und Österreich, darunter die Fachhochschule N., sei die Anbindung an die Fernleihe per SLNP erst für Mitte 2018 vorgesehen.

Die Anforderungen zu Ziffer 1 Buchst. l der Teilnahmebedingungen – Migration von Fremdsystemen – seien nicht gerechtfertigt. Inhaltlich gehe es bei der Migration um das Know-how von bibliothekarischen Datenstrukturen, vom Export und von der Transformation von Daten. Mit über … Migrationen auf die firmeneigene cloudbasierte Managementsoftware aus insgesamt … Fremdsystemen könne sie, die Antragstellerin, einen reichen Erfahrungsschatz vorweisen. Sie könne zu allen abgefragten Anforderungen einzelne Referenzen vorlegen, nur eben nicht zusammen in einer einzelnen Referenz.

Auch die unter Ziffer 1 Buchst. d der Teilnahmebedingungen geforderte Referenz über den Betrieb eines cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystems, in dem die Daten, die auf lokaler und kooperativer Ebene gehalten werden, eine CCO-Lizenz haben, erschwere ihr den Zugang zum Vergabeverfahren. Technisch mache es keinen Unterschied, ob bibliographische Daten unter einer CCO-Lizenz oder CCBY oder nicht gesondert mit einer Lizenz ausgestattet werden.

Im Übrigen sei das Verfahren intransparent, da die veröffentlichten Vergabekriterien auf der eVergabe-Plattform des Landes NRW sowie die auf der Internetseite der EU-Bekanntmachungen zum Teil nicht identisch seien (der Punkt VI.3 Zusätzliche Angaben auf der Vergabeplattform NRW findet sich nicht vollständig auf der Seite der EU-Plattform wieder) und Nachfragen der Antragstellerin und weiterer Bieter zum Vergabeverfahren vom Antragsgegner zwar beantwortet worden seien, diese Antworten jedoch nicht allen Bietern zugänglich gemacht worden seien.

Die Anforderung zu Ziffer 1 Buchst. j der Teilnahmebedingungen mit der Formulierung „und mindestens bis zu 6.000 Ausleihen“ sei intransparent und ungeeignet für eine quantitative Bewertung des Ausleihvolumens.

Die Vergabeakten wiesen erhebliche Dokumentationsmängel auf, so hinsichtlich Auswahl, Herleitung, Begründung und Gewichtung der Eignungskriterien potentieller Anbieter.

Die Vergabekammer hat den Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin aufgehoben und den Antragsgegner dazu verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht den Teilnahmeantrag der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten. Sie hat den Nachprüfungsantrag für zulässig und begründet gehalten. Die Anforderungen zu Ziffer 1 Buchst. e und l der Teilnahmebedingungen stünden zwar mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung, seien jedoch nicht angemessen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

Er macht geltend, abgesehen von den sog. A-2019-Kriterien, die als Bedingungen für die Auftragsausführung erst im Zuge der Vertragsausführung zu erfüllen seien, müsse das System sofort einsatzfähig sein und über diejenigen Funktionen verfügen, die die jetzigen Bibliotheksmanagementsysteme auch erfüllen können. Daher solle ein bereits bestehendes EDV-System in Auftrag gegeben werden und nicht ein „Software-Entwicklungsprojekt“. Wie stets bei der Einführung neuer EDV-Systeme sei die Migration der Altdaten in das neue System problematisch und erfahrungsgemäß störanfällig, weswegen hohe Eignungsanforderungen zu stellen seien. Der Beschaffungsbedarf sei von besonderer Sensibilität, unter anderem wegen der anspruchsvollen Vorgaben des Datenschutzes, des enormen Investitionsaufwands und der durch nur begrenzt zur Verfügung stehende Haushaltsmittel vorgegebenen engen Zeitschiene.

Die Vergabekammer habe ihre Kompetenzen überschritten, indem sie ihre Erwägungen an die Stelle der Erwägungen des Auftraggebers gesetzt habe. So habe sie – die Anforderung zu Ziffer 1 Buchst. e der Teilnahmebedingungen betreffend – die Bedeutung eines funktionierenden automatisierten Fernleihsystems verkannt. Bezüglich der Anforderung zu Ziffer 1 Buchst. l der Teilnahmebedingungen sei es aufgrund der Besonderheiten im deutschsprachigen Raum erforderlich, dass gerade die Kombination der Kernmerkmale „Migration von Fremdsystemen“ und „Migration im deutschsprachigen Bereich“ in einer Referenz nachgewiesen werde.

Im Übrigen sei auch die Erfüllung der Referenzanforderungen zu Ziffer 1 Buchst. h und i durch die Bewerbung der Antragstellerin zweifelhaft; eine diesbezügliche Aufklärung sei wegen des Ausschlusses des Teilnahmeantrags aus anderen Gründen unterblieben.

Der Antragsgegner beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat des weiteren gerügt, dass die Vergabestelle keine Vorkehrungen getroffen habe, um eine sachwidrige Einflussnahme der Leiterin des I. T. auf die Vergabe, insbesondere die Festlegung der Teilnahmebedingungen, auszuschließen. Aufgrund ihrer Wahl vom 23.06.2017 in das Exekutivkommittee der E., eines Verbundes der Anwender der Produkte der Beigeladenen (F. M.) bestehe eine Interessenkollision.

Im Übrigen wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr Vorbringen vor der Vergabekammer und beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten verwiesen.

B.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat die Vergabekammer den Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin aufgehoben und den Antragsgegner dazu verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht den Teilnahmeantrag der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten.

I.

Allerdings ist, wie der Antragsgegner zutreffend geltend macht, der Nachprüfungsantrag nur teilweise zulässig.

1. Der Antragstellerin fehlt die Antragsbefugnis, § 160 Abs. 2 GWB, soweit sie rügt, die unter Ziffer 1 Buchst. d der Teilnahmebedingungen geforderte Referenz – Betrieb eines cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystems, in dem die Daten, die auf lokaler und kooperativer Ebene gehalten werden, eine CCO-Lizenz haben – erschwere ihr den Zugang zum Vergabeverfahren. Sie hat die Referenz erbracht, so dass ihr durch die Anforderung keine Verschlechterung ihrer Zuschlagschancen droht.

2. Hinsichtlich der Rüge, die Anforderung zu Ziffer 1 Buchst. j der Teilnahmebedingungen mit der Formulierung „und mindestens bis zu 6.000 Ausleihen“ sei intransparent und ungeeignet für eine quantitative Bewertung des Ausleihvolumens, ist aus demselben Grund die Antragsbefugnis zu verneinen.

3. Die Antragstellerin hat des Weiteren nicht dargelegt, in welcher Weise ihr durch eine Diskrepanz zwischen der Bekanntmachung auf der Internetseite der EU und dem Vergabemarktplatz NRW eine Verschlechterung ihrer Zuschlagschancen drohen könnte. Sie hat ihren Teilnahmeantrag unter Einbeziehung aller „zusätzlichen Angaben“ ordnungsgemäß abgegeben.

4. Es ist auch nicht ersichtlich, in welcher Weise sich die unterlassene Bekanntgabe des Email-Verkehrs mit Bietern zum Nachteil der Antragstellerin ausgewirkt haben könnte. Der Antragsgegner macht geltend, es handle sich nur um ohnehin aus den Vergabeunterlagen ersichtliche Inhalte. Die Antragstellerin hat mittlerweile durch die von der Vergabekammer gewährte Akteneinsicht Kenntnis vom Inhalt der Bieterkommunikation erhalten und ihren Vortrag nicht weiter präzisiert.

5. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag zulässig. Insoweit wird zum einen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen.

Zum anderen ist der Nachprüfungsantrag auch hinsichtlich der erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Rüge betreffend einen Interessenkonflikt der Leiterin des I. zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 160 Abs. 2 GWB, da sie Umstände vorbringt, bei deren Vorliegen das Vergabeverfahren zurückzuversetzen oder aufzuheben wäre. Da sie nach ihren Angaben hiervon erst kurz vor der mündlichen Verhandlung erfahren hat, liegt auch kein Verstoß gegen die Rügeobliegenheit des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB vor.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit die Antragstellerin sich gegen den Ausschluss ihres Teilnahmeantrags gemäß § 57 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VgV wehrt. Nach diesen Vorschriften sind Teilnahmeanträge von Unternehmen von der Wertung auszuschließen, wenn sie nicht die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen enthalten oder die Unternehmen die Eignungskriterien nicht erfüllen.

1. Die Antragsgegnerin hat die zu Ziffer 1 Buchst. e und l der Teilnahmebedingungen jeweils geforderten zwei Referenzen unstreitig nicht beigebracht, da sie über derartige Referenzen nicht verfügt. Hierauf darf der Ausschluss jedoch nur gestützt werden, wenn die Eignungsanforderungen wirksam aufgestellt und die Referenzen als Nachweis hierfür wirksam gefordert sind.

Die in den Teilnahmebedingungen zu Ziffer 1 Buchst. e und l aufgestellten Anforderungen sind nicht nur an den Voraussetzungen für die Forderung von Eignungsnachweisen (Referenzen) zu messen. Sie stellen zugleich in materieller Hinsicht Mindestanforderungen an die Eignung dar, die nur unter den Voraussetzungen des § 122 Abs. 4 GWB zulässig sind. Denn hat, wie im Streitfall, der Auftraggeber bestimmte Eignungsnachweise festgelegt ohne entsprechende Eignungskriterien zu benennen, ist von den Eignungsnachweisen auf die für den Auftrag maßgeblichen Eignungsanforderungen zu schließen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 13.06.2012, 1 Verg 2/12, juris Rn. 25; Opitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage, § 122 GWB Rn. 52).

Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB müssen Eignungskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung aufzuführen (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB). § 46 Abs. 1 Satz 1 VgV bestimmt, dass der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter Anforderungen stellen kann, die sicherstellen, dass die Bewerber oder Bieter über die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie ausreichende Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können.

Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VgV kann der Auftraggeber als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers oder Bieters die Vorlage von Referenzen über früher ausgeführte Aufträge verlangen. Diese sind in der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung anzugeben (§ 48 Abs. 1 VgV).

Bei der Bestimmung dessen, was durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt und ihm angemessen ist (nunmehr § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB in Umsetzung des Art. 58 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie 2014/24/EU), ist dem Auftraggeber ebenso wie bei der Prüfung der Eignung ein Entscheidungsspielraum zuzuerkennen, der einer lediglich eingeschränkten Nachprüfung der Nachprüfungsinstanzen auf Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums unterliegt, insbesondere darauf, ob von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist und allgemeine Wertungsgrundsätze beachtet worden sowie keine sachwidrigen Erwägungen in die Wertung eingeflossen sind (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 21.12.2011, VII-Verg 74/11, juris Rn. 33 mwN; OLG Koblenz, Beschluss v. 13.06.2012, 1 Verg 2/12, Leitsatz 2; OLG Karlsruhe, Beschluss v. 22.07.2011, 15 Verg 8/11, juris Rn. 34 ; OLG München, Beschluss v. 31.08.2010, Verg 12/10, juris Rn. 55).

Ein anderer Prüfungsmaßstab gilt für die Forderung von Nachweisen als Beleg für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit (§ 46 Abs. 3 VgV). Der Nachweis der Fachkunde kann nur in einer Form verlangt werden, die die Grenzen des zur Auftragserfüllung Notwendigen nicht überschreitet (OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.10.2006, 11 Verg 8/06, juris Rn. 39). Die Forderung von Nachweisen darf Bieterunternehmen nicht unzumutbar belasten (BGH, Urteil v. 10.06.2008, X ZR 78/07 – Nachunternehmererklärung, juris Rn. 14; Urteil v. 03.04.2012, X ZR 130/10, juris Rn. 17 f.). Zumutbarkeit und Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der uneingeschränkten Rechtskontrolle durch die Vergabenachprüfungsinstanzen unterliegen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.06.2014, VII-Verg 38/13, juris Rn. 23).

2. Gemessen an den vorgenannten Voraussetzungen ist die Forderung, dass die Bewerber jeweils zwei Referenzen über Aufträge mit den in Ziffer 1 Buchst. e und l der Teilnahmebedingungen genannten Merkmalen beibringen müssen, vergaberechtswidrig und damit unwirksam.

Zwar stehen die aufgestellten Eignungsanforderungen jeweils in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand, da eine berufliche Erfahrung des Bewerbers mit Leistungen gefordert wird, die Teil des ausgeschriebenen Auftrags sind. Jedoch sind die Eignungsanforderungen im Verhältnis zum Auftragsgegenstand nicht angemessen.

a) Die Forderung, dass die Bewerber „in Deutschland bereits automatisierte Fernleihservices, dazu gehört der Anschluss an den ZFL-Server über das SLNP-Protokoll, in einem cloudbasiserten Bibliotheksmanagement“ (Ziffer 1 Buchst. e der Teilnahmebedingungen), bereits erfolgreich ausgeführt haben müssen, steht nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand und verstößt damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Angemessenheit der Eignungsanforderung im Verhältnis zum Auftragsgegenstand ist Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Das Eigungskriterium muss geeignet und erforderlich sein, um die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen. Dabei sind u.a. die Komplexität des Auftrags sowie das Gewicht, das eine ordnungsgemäße Auftragserfüllung für den Auftraggeber hat, in den Blick zu nehmen (EuGH, Urteil v. 18.10.2012, C-218/11, juris Rn. 29; BT-Drs. 18/6281, S. 101; Ziekow in: Ziekow-Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 122 GWB Rn. 24).

Zwar rechtfertigt der zu vergebende Auftrag – jedenfalls dem Grunde nach – hohe Eignungsanforderungen. Es handelt sich um einen komplexen Auftrag, mit dem eine einheitliche cloud-basierte Infrastruktur für 42 Hochschulbibliotheken des Landes Nordrhein-Westfalen geschaffen werden soll. Hierbei sind Daten und Metadaten, die bisher in unterschiedlichen lokalen Bibliotheksmanagementsystemen gespeichert sind, zu migrieren. Wie der Antragsgegner vorträgt, ist, wie stets bei der Einführung neuer EDV-Systeme, die Migration der Altdaten in das neue System problematisch und erfahrungsgemäß störanfällig. Der Beschaffungsbedarf ist unter anderem wegen anspruchsvoller Vorgaben des Datenschutzes von besonderer Sensibilität. Es handelt sich um einen hohen Investitionsaufwand. Überdies ist aufgrund zeitlich nur begrenzt zur Verfügung stehender Haushaltsmittel eine enge Zeitschiene vorgegeben.

Angesichts der vorgenannten Umstände durfte der Antragsgegner es grundsätzlich als erforderlich ansehen, dass der potentielle Bieter bereits über Erfahrung mit der Durchführung gerade der nachgefragten Leistungen verfügt, um eine reibungslose Auftragsdurchführung sicherzustellen.

In die Angemessenheitsprüfung einzubeziehen sind indes auch die Auswirkungen der Eignungsanforderungen auf den Wettbewerb. Im Hinblick auf den in § 97 Abs. 1 GWB verankerten Wettbewerbsgrundsatz hat der Auftraggeber zwischen einer möglichst großen Auswahl von Angeboten, verbunden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für ein wirtschaftlich günstiges Angebot, und der Gefahr einer nicht ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags im konkreten Fall abzuwägen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.10.2006, 11 Verg 8/06 und 11 Verg 9/06, juris Rn. 39; Opitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage, § 122 GWB Rn. 92). Besonders hohe Anforderungen an die technische und berufliche Leistungsfähigkeit bzw. die berufliche Erfahrung können vor diesem Hintergrund insbesondere dann unangemessen sein, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, weil nur ein oder wenige Unternehmen diese Anforderungen erfüllen. In einem solchen Fall ist daher erforderlich, dass derartige Anforderungen durch gewichtige Gründe gerechtfertigt sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.09.2005, VII-Verg 49/05, juris Rn. 50). Je einschneidender der Wettbewerb beschränkt wird, desto höhere Anforderungen sind an das Vorliegen gewichtiger Gründe zu stellen. Dies gilt erst recht, wenn die Eignungsanforderung zu einem vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs führt. Dies kann nur in besonderen Ausnahmefällen gerechtfertigt sein.

Im Streitfall führen die hohen Anforderungen in Ziffer 1 Buchst. e der Teilnahmebedingungen zu einem gänzlichen Ausschluss des Wettbewerbs, der auch angesichts der vom Antragsgegner angeführten Besonderheiten nicht als gerechtfertigt anzusehen ist.

Festzustellen ist zunächst, dass die Antragstellerin und die Beigeladene Wettbewerber auf einem hochspezialisierten, zumindest europaweiten Markt für Informationstechnologie und Services für Bibliotheken sind. Auf diesem Markt gibt es nur wenige Anbieter; ihre Zahl dürfte, wie die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandung bestätigt haben, im einstelligen Bereich liegen. Führende Anbieter sind die Antragstellerin und die Beigeladene.

Die Datenspeicherung in einer Cloud ist eine innovative Lösung, die erst seit wenigen Jahren angeboten und genutzt wird. Nach Angaben der Antragstellerin werden in Deutschland cloudbasierte Bibliotheksinfrastrukturen bislang nur von ihr selbst und der Beigeladenen angeboten. Selbst wenn, was der Antragsgegner ohne nähere Substantiierung geltend macht, dies nicht zutreffen sollte, gibt es allenfalls wenige Anbieter im unteren einstelligen Bereich.

Bei dem streitigen Vergabeverfahren handelt es sich um ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, so dass gemäß § 42 Abs. 2 VgV nur solche Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, die ihre Eignung nachgewiesen haben und nicht ausgeschlossen worden sind. Werden Eignungsanforderungen aufgestellt, die nur ein Bewerber erfüllen kann, führt dies faktisch zu einem Ausschluss des Wettbewerbs.

Nur die Beigeladene hat bisher „in Deutschland bereits automatisierte Fernleihservices, dazu gehört der Anschluss an den ZFL-Server über das SLNP-Protokoll in einem cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystem“ (Ziffer 1 Buchst. e der Teilnahmebedingungen) – eine bestimmte Schnittstelle betreffend – realisiert und kann die geforderten zwei Referenzen vorlegen. Es handelt sich hierbei um eine deutsche Besonderheit, bei der im ZFL-Server, dem zentralen Fernleihserver, von Benutzern oder Bibliothekaren elektronisch aufgegebene Fernleihen verwaltet oder gesteuert werden; das SLNP-Protokoll ermöglicht die Verbindung zwischen dem ZFL-Server verbundseitig und den lokalen Bibliotheksverwaltungssystemen an den Hochschulen.

Unstreitig hat bislang allein die Beigeladene den Anschluss an den ZFL-Server über das SLNP-Protokoll in ihrer Cloud-Lösung realisiert.

Der Antragsgegner begründet – ausgehend von den im Ergebnis nicht tragfähigen Erwägungen der Vergabekammer zur mengenmäßigen Bedeutung der Fernleihe im Verhältnis zur Zahl der Gesamtausleihen – die Anforderung, dass der Bewerber diese Art der Schnittstelle bereits ausgeführt haben muss, im Wesentlichen mit der Bedeutung einer funktionierenden Fernleihe, die zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist, und dem Umstand, dass im Zuge des Verhandlungsverfahrens eine Teststellung nicht möglich ist, so dass die Beauftragung eines Unternehmens, das diese Art der Anbindung noch nicht umgesetzt hat, mit höheren, nicht hinnehmbaren Risiken behaftet sei.

Diese Argumente könnten einen völligen Ausschluss des Wettbewerbs jedoch nur rechtfertigen, wenn der Anschluss an den ZFL-Server über das SLNP-Protokoll in einem cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystem technisch derart anspruchsvoll und risikobehaftet wäre, das er von einem auf dem Markt für cloudbasierte Bibliotheksmanagementsysteme tätigen Unternehmen wie der Antragstellerin nicht ohne Weiteres ausgeführt werden kann, die Gewähr für eine ordnungsgemäße Vertragserfüllung vielmehr nur dann besteht, wenn der Bewerber genau diesen Anschluss bereits ausgeführt hat.

Derartige Gründe konnte der Antragsgegner nicht belegen. Er verweist zwar auf die Komplexität von Schnittstellen im Softwarebereich, durch die in der Regel komplexe Datenformate bzw. Strukturen ineinander umgewandelt werden müssen, was eine hohe Fehleranfälligkeit mit sich bringt, die Auswirkungen bis hin zum Scheitern des Gesamtprojekts nach sich ziehen kann. Des Weiteren erläutert er die Komplexität des Fernleihsystems und des zentralen Fernleiheservers (ZFL). Technisch komplex für die Realisierung bzw. Umsetzung der SLNP-Schnittstelle ist danach eine Softwareinstallation in mehreren Schritten mit Schnittstellenanpassungen seitens des Anbieters, des I. sowie der jeweiligen Bibliotheken. Die Funktionen, die von der Schnittstelle angesprochen werden, müssen in der Anwendung schon vorhanden sein. Zudem müssen die Funktionen so implementiert sein, dass sie auch über die Schnittstellen ansprechbar sind und nicht derart im System verdrahtet sind, dass eine teilweise Neu- bzw. Umprogrammierung dieser Teile notwendig ist, um sie über Schnittstellen ansteuern zu können.

Die vorgenannten Umstände rechtfertigen jedoch nicht den Schluss, dass nur ein Unternehmen, das einen solchen Auftrag bereits durchgeführt hat, in der Lage ist, den geforderten Anschluss vorzunehmen. Zu berücksichtigen ist, dass ohnehin nur hoch spezialisierte IT-Unternehmen mit entsprechendem Know-how als Bewerber in Frage kommen. Bei den zu verbindenden Komponenten und der geforderten Schnittstelle handelt es sich überdies nicht um eine besondere technische Entwicklung der Beigeladen, die von anderen auf dem Markt für cloudbasierte Bibliotheksmanagementsysteme tätigen Unternehmen wie der Antragstellerin nur unter Schwierigkeiten und infolgedessen hohem Risiko nachempfunden werden können. Es ist vielmehr im Gegenteil so, dass sowohl der ZFL-Server, dessen Komplexität unstreitig ist, als auch das SLNP-Protokoll von einem Unternehmen entwickelt worden sind, das in das Unternehmen der Antragstellerin integriert worden ist. Für einen Verlust dieses Know-how gibt es keine Anhaltspunkte, vielmehr werden diese Entwicklungen von der Antragstellerin nach wie vor gepflegt und weiterentwickelt. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin nicht in der Lage sein sollte, die geforderte Schnittstelle mit den von ihr entwickelten und vertriebenen Komponenten auszuführen. Hierfür spricht auch nicht der vom Antragsgegner angeführte Umstand, dass die Antragstellerin für ihren anderweitigen Auftraggeber, die Fachhochschule N. , den Anschluss des ZFL-Servers über das SLNP-Protokoll bislang noch nicht ausgeführt hat, sondern dies erst Mitte 2018 erfolgen soll. Der Zeitplan für die Ausführung dieser Leistungen beruht auf einer entsprechenden Absprache mit dem Auftraggeber.

b) Die Forderung, dass der Teilnehmer bereits erfolgreich die Migration von Fremdsystemen (Lokalsysteme anderer Anbieter) innerhalb des deutschsprachigen Bereichs unter Berücksichtigung des europäischen Datenschutzes auf die neue cloudbasierte Biblitheksmanagementsoftware in einem Auftrag realisiert haben muss, ist vergaberechtswidrig und damit unwirksam. Die Forderung ist unverhältnismäßig, weil die Bewerber die erforderliche Erfahrung in einem Auftrag kombiniert erworben haben und hierüber Referenzen beibringen müssen. Dies überschreitet die Grenze des zur Auftragserfüllung Notwendigen und belastet die Bewerber unzumutbar.

Im Ansatz ist nicht zu beanstanden, dass die Bewerber Erfahrung sowohl mit der Migration von Fremdsystemen auf die neue cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware als auch mit Migrationen innerhalb des deutschsprachigen Bereichs unter Berücksichtigung des europäischen Datenschutzes haben sollen. Insbesondere ist die geforderte Erfahrung mit Migrationen innerhalb des deutschsprachigen Bereichs aufgrund der vom Antragsgegner dargelegten Besonderheiten im deutschsprachigen Bibliothekswesen geeignet und erforderlich, die berufliche Eignung nachzuweisen. So wird, wie der Antragsgegner darlegt, im deutschsprachigen Bereich beispielsweise das Format MAB2 verwendet. Die Umwandlung der in diesem Format erfassten bibliografischen Datensätze in das international genutzte Format MARC21 stellt besondere Anforderungen, unter anderem, weil die beiden Datenformate insbesondere für bis 2015 erfasste Datensätze nicht auf Kompatibilität ausgerichtet sind.

Gleiches gilt für die Forderung nach Erfahrung mit der Migration von Fremdsystemen auf das angebotene cloudbasierte Bibliotheksmanagementsystem.

Allerdings folgt die Unangemessenheit der Anforderungen daraus, dass der Antragsgegner keine gewichtigen Gründe vorgetragen hat, die ausnahmsweise die hohen, den Wettbewerb ausschließenden Anforderungen an die Eignung der potentiellen Teilnehmer rechtfertigen.

Die Anforderung in Ziffer 1 Buchst. l der Teilnahmebedingungen führt zu einem völligen Ausschluss des Wettbewerbs. Wiederum hat, begründet dadurch, dass ein hochspezialisierter Markt mit nur zwei oder allenfalls wenigen Anbietern vorliegt und es sich um eine innovative Lösung handelt, nur die Beigeladene derartige Aufträge, die die Elemente „Migration von Fremdsystemen“, „im deutschsprachigen Raum“ und „auf eine cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware“ umfassen, bereits ausgeführt, während die Antragstellerin nach eigenen Angaben zwar über Referenzen zu den einzelnen Anforderungen verfügt, bislang aber noch keinen Auftrag ausgeführt hat, der alle drei Aspekte erfüllt.

Der Antragsgegner führt zur Rechtfertigung an, die Bewerber müssten die Summe der Anforderungen in jeweils einem Auftrag erbracht haben, weil gerade diese Kombination die spezifische technische Herausforderung darstellt, die gemeistert werden muss. Nur hierdurch habe er die hinreichende Sicherheit, dass die Leistungserbringung gelingt. So legt er u.a. – unwidersprochen – dar, dass maßgeblicher Bestandteil der zu vergebenden Leistung die Migration der Datenbestände sowohl des Verbundes als auch der angeschlossenen 42 lokalen Systeme mit acht unterschiedlichen Systemen ist. Hierzu muss der Auftragnehmer über eine kompetente und erfahrene Implementierungs- und Migrationsabteilung verfügen, die in der Lage ist, die vorhandenen Daten und Strukturen der aktuellen Systeme (Altsysteme) routiniert zu analysieren und zu konvertieren. Bei der Migration ist die Umsetzung von vollständigen Bestandsdaten über MARC21 erforderlich, wozu Erfahrung im deutschsprachigen Umfeld erforderlich ist. Insgesamt handelt es sich um eine anspruchsvolle, störanfällige Aufgabe, deren Scheitern bis hin zum Scheitern des Gesamtprojekts führen kann.

Dieses Vorbringen überzeugt nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum nur der Teilnehmer leistungsfähig sein soll, den konkret ausgeschriebenen Auftrag durchzuführen, der bereits eine Migration von Fremdsystemen im deutschsprachigen Raum auf eine cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware durchgeführt hat.

Zu berücksichtigen ist, dass sich die Ausschreibung an hoch spezialisierte Anbieter cloudbasierter Bibliotheksmanagementsysteme richtet, bei denen eine umfangreiche Erfahrung mit der Migration von Daten in unterschiedlichen Aufgabenstellungen vorauszusetzen ist. Die Antragstellerin beispielsweise ist seit zwanzig Jahren im deutschsprachigen Bereich tätig. … % der Bibliothekssysteme des Antragsgegners arbeiten mit Produkten der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat Migrationserfahrung sowohl mit dem eigenen Vorgängersystem SISIS-SunRise als auch dem Vorgängersytem der Beigeladenen Aleph und besitzt Migrationstools für … % der beim Antragsgegner verwendeten Systeme.

Nichts anderes ergibt sich aus den – insoweit nicht nachgelassenen – Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 23.05.2018. Der Umstand, dass sich die neue Software-Generation konzeptionell und technisch grundlegend von der alten Software unterscheidet, erklärt nicht, warum ein Bewerber die geforderte Erfahrung mit der Migration von Fremdsystemen auf ein cloudbasiertes Bibliotheksmanagementsystem nicht auch außerhalb des deutschsprachigen Raums gewonnen haben kann. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, warum die erforderliche Erfahrung mit Migrationen im deutschsprachigen Raum zwingend durch die Migration eines Fremdsystems auf ein cloudbasiertes Bibliotheksmanagementsystem im deutschsprachigen Bereich erworben sein muss und nicht beispielsweise – jeweils im deutschsprachigen Raum – durch die Migration eines Fremdsystems auf ein anderes System oder die Migration eines Eigensystems auf das angebotene cloudbasiertes Bibliotheksmanagementsystem.

III.

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, soweit die Antragstellerin eine Mitwirkung der Leiterin des I.  T. am Vergabe- und Vergabenachprüfungsverfahren trotz Bestehens eines Interessenkonflikts im Sinne des § 6 VgV rügt. Ein solcher Interessenkonfikt ist aus der Mitgliedschaft des I. im Anwenderverbund E. und der Tätigkeit seiner Leiterin im Exekutivausschuss dieser Organisation nicht herzuleiten.

Als Leiterin des I. und damit der Geschäftsführerin des Antragsgegners ist Frau T. zwar Mitarbeiterin des öffentlichen Auftraggebers (§ 6 Abs. 1 VgV) und kann im Sinne des § 6 Abs. 2 VgV Einfluss auf den Ausgang des Vergabeverfahrens nehmen. Ihre Mitgliedschaft im Exekutivausschuss der E. begründet jedoch kein direktes oder indirektes finanzielles, wirtschaftliches oder persönliches Interesse, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte. Ein solcher Interessenkonflikt ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin insbesondere nicht wegen einer Beratung oder Unterstützung der Beigeladenen im Sinne des § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV zu vermuten.

Bei der E. handelt es sich ausweislich ihrer Satzung um einen Zusammenschluss von Anwendern der F.-M. -Produkte der Beigeladenen („Deutschsprachige F.-M.-Anwendergruppe”).

Ziffer 2 der Satzung definiert als Zielsetzung der E.:

„2.1 Wechselseitige Unterstützung, Hilfestellung und Erfahrungsaustausch zwischen den Anwendern der F.-M.-Software.

2.2 Festlegung gemeinsamer Interessenfelder oder des Bestehens von Handlungsbedarf für bzw. die Einholung von Informationen von F. M. .

2.3 Unterstützung der Kommunikation zwischen F. M. sowie der mit ihr verbundenen Firmen und ihren Kunden im deutschsprachigen Raum zum gegenseitigen Vorteil.

2.4 Bündelung und Kanalisierung von Kundenwünschen zur Weiterentwicklung der verschiedenen Produkte sowie Weiterleitung an den Hersteller bzw. andere Anwendervertretungen unter

Berücksichtigung der Besonderheiten des Bibliothekswesens im deutschen Sprachraum.

2.5 Pflege der Zusammenarbeit mit der „International Group of F. M. Users“ (IGF.M.U) und anderen einschlägig tätigen professionellen Gruppen.“

Ihr satzungsmäßiger Zweck ist damit die Vertretung der Interessen der Anwender. Vorgesehen ist zwar, worauf die Antragstellerin zutreffend verweist, auch ein Austausch mit der Beigeladenen (F. M.), vom dem diese, ebenso wie die Anwender, profitieren soll (Ziffer 2.3). Der Austausch dient jedoch, wie insbesondere Ziffer 2.2 und 2.4 der Satzung verdeutlichen, nicht einer Interessenvertretung der Beigeladenen, sondern der Vertretung der Interessen der Anwender der Produkte gegenüber der Beigeladenen als deren Herstellerin.

Die Ausführungen der Antragstellerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 31.05.2018 nebst Anlagen führen nicht zu einer anderen Beurteilung der Interessenlage. Zwar pflegt der internationale Anwenderverbund IGF.M.U, zu dem Frau T. als Mitglied des Exekutivausschusses der E. den Kontakt pflegt, seinerseits „starke und positive Beziehungen“ mit F. M. mit dem Ziel einer Weiterentwicklung der Software und gemeinsamer Arbeit an Produktverbesserungen (Anlage BG 13). In diesem Zusammenhang wird in einer Präsentation der M.P. Working Group (Anlage BG 14) ausgeführt, man wolle auf die B. Roadmap aktiven Einfluss nehmen und der Beigeladenen als Partner und Berater zur Seite stehen. Hierbei handelt es sich jedoch ersichtlich nicht um ein Beratungs- oder Unterstützungsverhältnis im Sinne des § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV. Auch die internationale Tätigkeit des Anwenderverbundes dient, wie aus dem Internetauftritt der IGF.M.U (Anlage BG 13) deutlich wird, der Interessenvertretung der Anwender von F.-M.-Produkten. Sinngemäß heißt es, die IGF.M.U sei die kollektive gebündelte Stimme und Advokat der Anwender weltweit.

IV.

Auch im Übrigen geben die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten in den nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung entsprechend § 156 Abs. 1 oder § 156 Abs. 2 ZPO keinen Anlass.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 175 Abs. 2, 78 GWB.

VI.

Die Streitwertfestsetzung gemäß § 50 Abs. 2 GKG erfolgt, da ein Angebot der Antragstellerin nicht vorliegt, ausgehend von dem vom Antragsgegner geschätzten Auftragswert von 20.000.000 Euro.

Dieses Urteil bookmarken Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.