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Kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach Arbeitsunfähigkeit

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm

Entscheidungsdatum: 02.04.2015

Aktenzeichen: 15 Sa 1827/14 [1]

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract:

Eine Fachreferentin einer Universitätsbibliothek kann ihre Arbeit durch ihre Krankheit nicht mehr wahrnehmen. Sie wurde von ihrem Arzt arbeitsunfähig geschrieben. Sie verklagt ihren Arbeitgeber, dass sie weiterhin als Fachreferentin arbeiten darf oder zumindest als Angestellte der Universitätsbibliothek. Nach dem die Vorinstanz die Klage abgewiesen hat, weißt nun auch das Berufungsgericht die Klage ab. Die Fachreferentin habe keinen Anspruch auf einen Arbeitsplatz bei ihrer Arbeitgeberin.

 

Instanzenzug:

Arbeitsgericht Dortmund, 26.11.204 – 8 Ca 2078/14

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf (leidensgerechte) Beschäftigung.

Es wird von der Darstellung des sorgfältig und umfassend aufbereiteten erstinstanzlichen Tatbestand abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 26.11.2014 die Klage abgewiesen und seine Entscheidung wesentlich so begründet:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf ihre Beschäftigung als Fachreferentin in der Universitätsbibliothek. Sie sei hierzu gesundheitlich nicht in der Lage, wie sie sich aus dem arbeitsmedizinischen Gutachten ergebe. Aus dem von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Gutachten folge, dass die Klägerin für jede Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht arbeitsfähig sei. Da die Klägerin den begutachtenden Arzt nicht von der Schweigepflicht entbunden habe, könne sich das Gericht nicht näher mit dem Gutachten auseinander setzen. Dem Ergebnis des Gutachtens stehe die ärztliche Bescheinigung des die Klägerin behandelnden Arztes Dr. I nicht entgegen.

Der Hilfsantrag sei unzulässig, da nicht hinreichend bestimmt. Ihm könne nicht entnommen werden, welche konkreten Tätigkeiten die Klägerin weiter verrichten könne. Dies gelte auch in Bezug auf die Norm des § 81 Abs. 4 SGB IX. Die darlegungspflichtige Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, denen hätte entnommen werden können, welche Tätigkeiten sie konkret noch erbringen könne.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.12.2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 23.12.2014 Berufung eingelegt und diese mit am 12.02.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Berufung rügt, dass das Arbeitsgericht auf der Basis einer Einigung der Parteien das Gutachten privat eingeholt habe. Da der Neurologe Dr. I die gutachterliche Erkenntnis entkräftet habe, hätte das Arbeitsgericht sie – die Klägerin – zur Streitfrage des auch anderweitigen Einsatzes begutachten lassen müssen. Der Hilfsantrag sei hinreichend bestimmt. Er sei entsprechend der Vereinbarungen im ursprünglich schriftlichen Arbeitsvertrag formuliert. Das müsse mit LAG Rheinland-Pfalz (8 Sa 512/12) reichen. Auch berücksichtige das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung nicht, dass die Beklagte ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt habe. Das verändere die Darlegungslast hin zu der Beklagten. Schließlich meint die Klägerin, die Beklagte verhalte sich in hohem Maße widersprüchlich. Es wird insoweit für die weiteren Einzelheiten auf den Schriftsatz der Klägerin vom 13.02.2015 (Blatt 136 bis 138 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.11.2014, 8 Ca 2078/149, wird abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Fachreferentin in der Universitätsbibliothek zu beschäftigten,

hilfsweise,

die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Angestellte in der Universitätsbibliothek zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin insgesamt zurückzuweisen.

Sie tritt der Entscheidung des Arbeitsgerichts bei. Es gebe bei ihr keinen Arbeitsplatz, auf dem die Klägerin, wie es der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. I attestiert habe, „geistig einfache Tätigkeiten“ verrichten könne.

Der Hilfsantrag sei mangels vollstreckungsfähigen Inhalts unzulässig. Dem stehe die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz nicht entgegen. Den Obliegenheiten des § 81 Abs. 4 SGB IX sei sie nachgekommen. Nach entsprechenden Bemühungen ihrerseits habe sie feststellen müssen, dass die Klägerin auf nicht absehbare Zeit Grundfunktionen an ihrem PC-Arbeitsplatz nicht selbstständig ausführen könne. Schließlich sei die Klägerin auch auf die Einladung ihres – der Beklagten – Rektors vom 02.07.2014 zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht bereit gewesen.

Wegen des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird verwiesen auf deren wechselseitige Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen in erster und zweiter Instanz, die insgesamt Gegenstand der letzten mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf ihre Beschäftigung als Fachreferentin in der Universitätsbibliothek noch – hilfsweise verfolgt – als Angestellte der Universitätsbibliothek.

I.

Ein Anspruch der Klägerin, als Fachreferentin in der Universitätsbibliothek der Beklagten beschäftigt zu werden, besteht nicht.

1. Mit dem Arbeitsgericht ist das Berufungsgericht davon überzeugt, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, eine Tätigkeit als Fachreferentin in der Universitätsbibliothek zu erbringen. Nach dem arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 24.01.2014, erstellt von dem Facharzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. med. X, S, ist die Klägerin

„nicht mehr in der Lage, ihre geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Sie ist in diesem Sinne leistungsunfähig.“ Diese Feststellungen implizieren ohne Weiteres, dass die Klägerin in keiner Weise mehr in der Lage ist, als Fachreferentin in der Universitätsbibliothek zu arbeiten.

2. Dass die Klägerin das Ergebnis des in dem Rechtsstreit 6 Ca 436/13, Arbeitsgericht Dortmund, erhobenen Sachverständigengutachtens nicht für sich gelten lassen will, ist unerheblich. Zum einen hat sie selbst es verhindert, dass in dem Rechtsstreit eine intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten des Gutachtens erfolgen konnte mangels Entbindung des Sachverständigen von der ärztlichen Schweigepflicht. Zum anderen ist ihrer Rechtsansicht in der Berufung, es sei das arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten vom 24.01.2014 ein privat eingeholtes Gutachten, nicht zu folgen. Das Privatgutachten versteht sich als ein Gutachten, dass sich eine Partei bei einem von ihr ausgesuchten Sachverständigen beschafft; es wird damit zum Parteivorbringen (Baumbach, u. a., ZPO, Übers § 402 Rn. 21 m.w.N.). Vorliegend hatten sich die Parteien indes in dem vorangegangenen Rechtsstreit 6 Ca 436/13 im Termin der öffentlichen Sitzung am 28.03.2013 dezidiert auf die Einholung des anschließend gefertigten medizinischen Sachverständigengutachtens, zu erstellen durch den Arbeitsmediziner Dr. X, geeinigt. Bei diesem vom Arbeitsgericht sodann eingeholten Gutachten handelt es sich daher nicht um ein Privatgutachten, sondern erkennbar um ein Sachverständigengutachten im Sinne der §§ 402 ff. ZPO; die Einigung der Parteien auf eine bestimmte Person des Sachverständigen, der das Gericht Folge zu geben hat, sieht § 404 Abs. 4 ZPO ausdrücklich vor.

3. Das Ergebnis des Sachverständigengutachtens wird nicht durch die fachärztliche Bescheinigung des die Klägerin behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. I vom 12.05.2014 entkräftet.

Nach den Feststellungen dieses Arztes ist die Klägerin lediglich noch in der Lage, „körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten“ zu verrichten, und zwar in einem Umfang von drei bis sechs Stunden (arbeits-)täglich. Damit bescheinigt der Arzt nicht, dass die Klägerin die nach ihrem Arbeitsvertrag zu verrichtenden Tätigkeiten der EG 14 TV-L, die solche des höheren Dienstes nicht geistig einfacher Art sind, erbringen kann. Zudem fehlt der ärztlichen Bescheinigung, auch hierauf weist das Arbeitsgericht zutreffend hin, jede Auseinandersetzung mit den am Arbeitsplatz der Klägerin zu erbringenden Leistungen. Ein Erkenntniswert dahingehend, dass die Klägerin noch nach ihrem Arbeitsvertrag als Fachreferentin in der Universitätsbibliothek beschäftigt werden kann, ist der Bescheinigung des Dr. I nicht entnehmbar.

II.

Der hilfsweise gestellte Antrag der Klägerin auf die Weiterbeschäftigung als Angestellte in der Universitätsbibliothek ist unzulässig. Auch dies hat das Arbeitsgericht völlig zutreffend erkannt. Es kann insoweit auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen werden, denen sich das Berufungsgericht anschließt, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Die Berufung gibt Anlass zu folgenden Anmerkungen:

1. Für Klageanträge sind die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§ 133, § 157 BGB) heranzuziehen. Es ist nicht am buchstäblichen Wortlaut des Antrags zu haften. Das Gericht hat vielmehr den erklärten Willen zu erforschen, wie er sich aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage ergibt (BAG, 26.03.2015 – 2 AZR 783/13, juris).

2. Der Antrag der Klägerin, sie als Angestellte der Universitätsbibliothek zu beschäftigen, genügt nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein. Die klagende Partei muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt. Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen. Der Streit der Parteien darf insbesondere nicht in die Vollstreckung verlagert werden (BAG, 10.05.2005 – 9 AZR 230/04, AP Nr. 8 zu § 81 SGB IX; LAG Rheinland-Pfalz, 15.10.2014 – 4 Sa 126/14, juris).

Diesen Anforderungen wird der Beschäftigungsantrag der Klägerin nicht gerecht. Ihm ist weder aus sich heraus noch aus der Begründung zu entnehmen, um welche Art von Beschäftigung es der Klägerin geht. Der im Antrag enthaltene Begriff „Angestellte der Universitätsbibliothek“ ist völlig unbestimmt. Insbesondere erläutert die Klägerin nicht im Einzelnen, welche konkrete Tätigkeiten sie weiterhin in der Lage ist zu verrichten. Gerade unter Berücksichtigung des Ergebnisses des arbeitsmedizinischen Gutachtens, wonach die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, irgendeine Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt zu erbringen, wäre es ihre Sache gewesen, den Antrag, jedenfalls aber die Begründung konkreter zu gestalten und weitere Ausführungen dazu zu machen, mit welchen Tätigkeiten die Beklagte sie unter Berücksichtigung ihres Gesamtgesundheitszustandes noch beschäftigen kann. Der Verweis der Klägerin auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (8 Sa 512/12) bleibt für sich genommen unzureichend. In dem vom LAG Rheinland-Pfalz entschiedenen Fall hatte zwar der dortige Kläger seine Weiterbeschäftigung als Arbeiter beantragt. Gleichwohl ist eine Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Rechtsstreit nicht gegeben. Denn nach dem dortigen Sachverhalt enthielt ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten eine genaue Auflistung der Tätigkeiten, die der dortige Kläger zukünftig noch ausüben konnte. Da für die Beurteilung der Zulässigkeit eines Klageantrags auch die Klagebegründung heranzuziehen ist, war in dem von der Klägerin angezogenen Rechtsstreit von einem zulässigen Antrag auszugehen. Vorliegend indes hat die Klägerin keinen Vortrag dazu gehalten, wie sie sich konkret ihre Beschäftigung unter Berücksichtigung ihres gesundheitlichen Zustandes vorstellt.

c) Auch unter Berücksichtigung von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX ist eine Zulässigkeit des hilfsweise verfolgten Beschäftigungsantrags nicht gegeben.

Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX haben schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Der Arbeitgeber erfüllt diesen Anspruch regelmäßig dadurch, dass er dem Arbeitnehmer die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeit zuweist. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer diese wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, so führt dieser Verlust nach der Konzeption der §§ 81 ff. SGB IX nicht ohne Weiteres zum Wegfall des Beschäftigungsanspruchs. Der Arbeitnehmer kann dann Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht abdeckt, auf eine entsprechende Vertragsänderung. Macht der schwerbehinderte Arbeitnehmer den Beschäftigungsanspruch nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB XI geltend, so hat er nach den allgemeinen Regeln grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Dazu muss er sein eingeschränktes Leistungsvermögen darlegen und ggfs. beweisen, seine Weiterbeschäftigung geltend machen und die Beschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen, die seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen sollen.

Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin weder im Klageantrag noch in der Klagebegründung Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt, die unter Berücksichtigung ihres aus gesundheitlichen Gründen sehr eingeschränkten Leistungsvermögens in Frage kommen. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass unstreitig eine Weiterbeschäftigung der Klägerin am allgemeinen Arbeitsmarkt nach den Feststellungen des arbeitsmedizinischen Sachverständigen nicht mehr möglich ist. Es kann deshalb dahinstehen, inwieweit die Beklagte – letztlich nicht erfolgreiche – Anstrengungen unternommen hat, die Klägerin in die Lage zu versetzen, Grundfunktionen an ihrem PC-Arbeitsplatz selbständig ausführen zu können.

Auch die Ausführungen der Klägerin selbst zu einem widersprüchlichen Verhalten der Beklagten vermögen zur Zulässigkeit des Hilfsantrags nichts beizutragen.

Gleiches gilt für den Vortrag der Parteien zum betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX. Zum einen hat die Klägerin nach der Einladung des Rektors der Beklagten vom 02.07.2014 keine Bereitschaft gezeigt, am vorgeschlagenen betrieblichen Eingliederungsmanagement mitzuwirken, zum anderen ist es für den vorliegenden Rechtsstreit um die (leidensgerechte) Beschäftigung der Klägerin rechtlich jedenfalls nicht von Belang, ob die Parteien in der Vergangenheit das gesetzlich vorgesehene Instrument des betrieblichen Eingliederungsmanagements ordnungsgemäß durchgeführt haben.

III.

Die Klägerin als mit dem Rechtsmittel unterlegene Partei hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen.

Gesetzliche Gründe gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG für eine Zulassung der Revision waren nicht gegeben.

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