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Auszahlung von nicht genommenen Urlaubstagen

Gericht: VG Berlin

Entscheidungsdatum: 25.02.2020

Aktenzeichen: 28 K 130.17 [1]

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Eine Bibliotheksinspektorin, die nach längerer Krankheit wegen Berufsunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, verklagt ihren Arbeitgeber, die krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen  Urlaubstage ausgezahlt zu bekommen. Da sie mit ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung hatte, zwar Teilzeit beschäftigt zu sein, aber Vollzeit arbeitete und die Überstunden im Block als Freizeit zu nehmen, klärt das Verwaltungsgericht Berlin nun einerseits, wie viel Urlaubsanspruch besteht und ausgezahlt werden muss und andererseits die Frage, ob mit der Inanspruchnahme der Blockfreizeit der Urlaubsanspruch eines Jahres sinkt.

Leitsatz

Weder der unionsrechtlich geregelte Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Mindesturlaubs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG noch die Berliner Erholungsurlaubsverordnung (EurlVO) sehen eine anteilige Kürzung dieses Anspruch von vier Wochen (20 Tagen) wegen einer im Blockmodell gewährten Freistellungsphase vor. § 4 Abs. 2 EurlVO betrift lediglich die Kürzung des nach § 4 Abs. 1 EurlVO vorgesehenen landesrechtlichen Urlaubsanspruchs von 30 Tagen.

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 5. August 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2017 verurteilt, an die Klägerin weitere Urlaubsabgeltung für sieben Tage in 2015 in Höhe von 661,02 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin und die Beklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Erholungsurlaub.

Die 1… geborene Klägerin stand bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand im Statusamt einer Bibliotheksinspektorin (Besoldungsgruppe A 9) im Dienste der Beklagten. Seit Januar 2003 war ihre Arbeitszeit im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung in Form einer Blockfreizeit auf 65,83 v. H. der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ermäßigt. Dabei war vereinbart, dass die Klägerin mit der vollen wöchentlichen Arbeitszeit ihren Dienst versieht und im Gesamtzeitraum von 52 Wochen einen Anspruch darauf hat, die über die Teilzeitbeschäftigung hinaus gehenden Dienststunden im Block als Freizeit zu nehmen (Blockmodell). Im Jahr 2014 nahm die Klägerin einen Arbeitszeitverkürzungstag-Tag (AZV-Tag) sowie 21 Urlaubstage. Im Jahr 2015 gewährte die Beklagte der Klägerin einen AZV-Tag. Die Klägerin nahm vom 7. April 2015 bis 24. August 2015 Freizeitausgleich im vereinbarten Blockmodell. Ab dem 25. August 2015 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Mit Ablauf des 30. April 2016 wurde sie wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
Mit Schreiben vom 20. Mai 2016 beantragte die Klägerin die Abgeltung von insgesamt 36 nicht in Anspruch genommenen Urlaubstagen für die Jahre 2014 (6 Tage), 2015 (20 Tage) und 2016 (10 Tage).
Mit Bescheid vom 5. August 2016 gewährte die Beklagte der Klägerin für diese Zeiträume eine Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 1.763,05 €. Dabei legte sie zugrunde, dass der Klägerin der Urlaub für 2014 unter Berücksichtigung der vereinbarten Blockfreizeit bereits vollständig gewährt worden sei. Für das Kalenderjahr 2015 belaufe sich der Abgeltungsanspruch wegen der Blockfreizeit für zwölf Urlaubstage auf 1.133,19 Euro. Dabei sei auch der im Jahr 2015 gewährte AZV-Tag anzurechnen. Für das Kalenderjahr 2016 belaufe sich der Abgeltungsanspruch für 6,67 Tage auf 629,86 Euro.
Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im September 2016 Widerspruch. Zur Begründung führte er im Kern aus, die Klägerin habe im Kalenderjahr 2014 keinen Urlaub erhalten. Für das Jahr 2015 habe sie Anspruch auf Gewährung des gesamten Mindesturlaubs von 20 Tagen. Die Gewährung der Blockfreizeit stelle keine Gewährung des unionsrechtlich gesicherten Mindesturlaubs dar. Der Anspruch auf Gewährung einer Blockfreizeit führe auch nicht dazu, dass sich die Arbeitszeit der Klägerin auf weniger als 5 Tage pro Woche reduziere. Der AZV-Tag sei auf die Urlaubsgewährung nicht anzurechnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2017 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin teilweise ab, indem sie für nicht in Anspruch genommenen Mindesturlaub im Jahr 2015 für 12 Tage eine Abgeltung in Höhe von 1.416,48 € (brutto) gewährte. Bei der Ermittlung des Abgeltungsbetrages sei – anders als im Ausgangsbescheid – ein Jahresdurchschnitt von vier individuellen Wochenarbeitstagen zu Grunde zu legen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Im Jahr 2014 habe die Klägerin insgesamt 21 Tage Erholungsurlaub und einen AZV-Tag genommen, sodass ihr für dieses Jahr kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung mehr zustehe. Für das Jahr 2015 müsse die gewährte Blockfreizeit bei der Ermittlung des Anspruchs auf Mindesturlaub berücksichtigt werden. Arbeit in einer „Fünf-Tage-Woche“ bedeute, dass auch in jeder Woche fünf Arbeitstage lägen. Sei die Arbeitszeit so verteilt, dass in unregelmäßigen Zeiträumen zusätzliche freie Tage anfielen, müssten diese nach Auskunft der Senatsverwaltung für Inneres und Sport in Anwendung von § 4 Abs. 2 Erholungsurlaubsverordnung berücksichtigt werden. Die Klägerin habe im Jahr 2015 insgesamt 97 Werktage Freizeitausgleich in Blockfreizeit erhalten. Hieraus folge eine auf das Urlaubsjahr gerechnete durchschnittliche Arbeitszeit von vier Arbeitstagen/Woche.
Mit ihrer im Mai 2017 erhobenen Klage begehrt die Klägerin weitere Urlaubsabgeltung. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Für das Jahr 2014 verbleibe ein Restanspruch von 6 Urlaubstagen. Im Jahr 2015 sei ihr gar kein Urlaub gewährt worden. Es sei rechtswidrig, den Abgeltungsanspruch des Jahres 2015 anteilig wegen der vereinbarten Blockfreizeit zu reduzieren. Sie werde hierdurch in doppelter Weise benachteiligt. § 4 Abs. 2 der Erholungsurlaubsverordnung könne nicht zur Kürzung des europarechtlich zu gewährenden Mindesturlaubs führen, sondern allenfalls zur Kürzung des kalenderjährlich zustehenden Urlaubs von 30 Urlaubstagen. Dies ergebe für sie einen Anspruch auf 24 Urlaubstage, welcher die europarechtlich abzugeltenden 20 Mindesturlaubstage übersteige. Eine weitere Kürzung des europarechtlichen Mindesturlaubs sei nicht zulässig. Mit Schriftsatz von November 2017 hat die Klägerin klargestellt, dass sie einen Abgeltungsanspruch für das Kalenderjahr 2014 nicht mehr aufrechterhalte.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,den Bescheid der Freien Universität Berlin vom 6. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an sie eine weitere Urlaubsabgeltung für 14 Urlaubstage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt zur Begründung vor, bei der Berechnung der abzugeltenden Urlaubstage komme es allein darauf an, wieviele Urlaubstage in einem Jahr genommen worden seien, selbst wenn es sich um übertragene Urlaubtage aus dem Vorjahr handele. AZV-Tage seien Urlaubstagen gleichgestellt. Der Mindesturlaub bei einer Fünf-Tage-Woche betrage 20 Urlaubstage. Der Urlaubsanspruch vermindere sich, wenn weniger regelmäßige Arbeitstage/Woche anfielen. Maßgeblich sei die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt des Urlaubsjahres.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge (vier Bände Personalakten der Klägerin) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Soweit die Klägerin angekündigt hat, ihre Klage in Hinblick auf den Abgeltungsanspruch für das Jahr 2014 nicht mehr aufrecht zu erhalten, ist dies nach verständiger Würdigung als teilweise Rücknahme der Klage zu verstehen. Diesbezüglich wird das Verfahren eingestellt (§ 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die im Übrigen aufrechterhaltene Klage, über die aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und teilweise begründet.
1. Der als Verpflichtungsklage formulierte Antrag ist in einen Leistungsantrag umzudeuten (§ 88 VwGO). Klagegegenstand ist die finanzielle Abgeltung von Urlaub nach Ausscheiden aus dem (aktiven) Beamtenverhältnis, mithin ein auf einen bestimmten Betrag gerichteter Zahlungsanspruch. Zwar kommt grundsätzlich auch eine Verpflichtungsklage – gerichtet auf Feststellung eines den Anspruch feststellenden Verwaltungsakts – in Betracht. Besteht aber unmittelbar ein Anspruch auf Zahlung zur Abgeltung nicht genommenen Erholungsurlaubs, ist die allgemeine Leistungsklage zur Durchsetzung dieses Anspruchs rechtsschutzintensiver.
2. Die Klage ist begründet, soweit sie die weitere Abgeltung von Urlaubstagen im Jahr 2015 betrifft. Diesbezüglich hat die Klägerin Anspruch auf finanzielle Abgeltung von weiteren sieben Urlaubstagen (dazu unter a). Dagegen hat die Klägerin keinen weiteren Anspruch auf finanzielle Abgeltung für das Jahr 2016 (dazu unter b).
a) Anspruchsgrundlage für die begehrte Abgeltung ist Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl.EU 2003, L 299, S. 9 ff.; „RL 2003/88/EG“). Danach darf der nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG zustehende bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), welchem das Bundesverwaltungsgericht und die Instanzgerichte gefolgt sind, räumt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten, einen Anspruch auf finanzielle Abgeltung des bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommenen Mindestjahresurlaubs ein, den die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen (vgl. m.w.N. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012, Neidel, C-337/10). Solange sie diese Umsetzungspflicht – wie im vorliegenden Fall – nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 –, juris Rn. 32; BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 – BVerwG 2 C 3.15 –, juris Rn. 9 – 12).
Die Klägerin unterfällt bezogen auf den hier maßgeblichen Anspruchszeitraum dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG; der Anspruch auf Urlaub ist zudem weder verfallen noch verjährt. Die Beendigung des Beamtenverhältnisses der Klägerin durch die Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit ist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Denn seit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses bestand keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 –, juris Rn. 12).
Der Urlaubsanspruch der Klägerin für das Kalenderjahr 2015 war im Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 20. Mai 2016 auch noch nicht verfallen. Er verfiel nach § 9 Abs. 2 Satz 2 (Berliner) Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamten und Richter (Erholungsurlaubsverordnung – EurlVO) fünfzehn Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres und damit erst 15 Monate nach Ablauf des 31. Dezember 2015 (zur Zulässigkeit des Verfalls BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 –, juris Rn. 20).
Der Klägerin stand für das Jahr 2015 nach Maßgabe der vorgenannten EuGH-Rechtsprechung europarechtlicher Mindesturlaub von 20 Tagen zu. Hiervon hatte die Klägerin einen Tag in Form des AZV-Tages genommen. Dieser steht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung funktional einem Mindesturlaubstag gleich (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 –, juris Rn. 34). Darüber hinaus hat die Beklagte weitere 12 Tage bereits abgegolten.
Die Beklagte durfte den für das Jahr 2015 abzugeltenden europarechtlichen Mindesturlaub der Klägerin in Höhe von 20 Tagen nicht unter Berücksichtigung ihrer Blockfreizeit anteilig kürzen. Der Höhe nach beschränkt sich der unionsrechtliche Abgeltungsanspruch auf den europarechtlichen Mindesturlaub von vier Wochen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 –, juris Rn. 18). Dies ergibt bei einer Fünf-Tage-Woche einen Mindesturlaubsanspruch im Jahr von 20 Tagen (BVerwG, a.a.O., Rn. 34). Es existiert im vorliegenden Fall auch keine gesetzliche Grundlage dafür, den europarechtlichen Mindesturlaub von 20 Tagen zu kürzen.
Europarechtliche Vorgaben zur Kürzung des aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG folgenden Abgeltungsanspruches liegen nicht vor. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie regelt wiederum, dass der bezahlte Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf. Aus der Formulierung „nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung […], die in den einzelstaatlichen [Vorgaben] vorgesehen sind“ folgt, dass die konkrete Ausgestaltung des Mindesturlaubsanspruchs und dessen finanzielle Abgeltung den Mitgliedstaaten vorbehalten ist.
Derartige nationale Regelungen hinsichtlich der Berechnung des abzugeltenden europarechtlichen Mindesturlaubsanspruches existieren jedoch nicht. Die hier allein einschlägige EUrlVO regelt zwar eine anteilige Berechnung des Urlaubsanspruches in ihrem § 4 Abs. 2. Nach dieser Vorschrift wird zum Zwecke der Errechnung des Urlaubsanspruches der Jahresdurchschnitt der regelmäßigen Arbeitszeit gebildet. Es kann dahinstehen, ob auf dieser Grundlage eine Freistellungsphase bei der Ermittlung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überhaupt berücksichtigt werden darf (ablehnend zur brandenburgischen Erholungsurlaubsverordnung: VG Cottbus, Urteil vom 13. August 2015 – 4 K 1382/14 –, juris Rn. 28 ff.; bestätigt durch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. August 2016 – OVG 4 N 44.15 –, juris Rn. 6 ff.). § 4 Abs. 2 EUrlVO bezieht sich jedenfalls nur auf den in § 4 Abs. 1 EUrlVO geregelten landesrechtlichen Urlaub von 30 Tagen. Den europarechtlich vorgeschriebenen Mindesturlaub von vier Wochen und den daraus im vorliegenden Fall resultierenden Abgeltungsanspruch betrifft die Regelung indessen nicht. Für die Klägerin ergäbe sich in Anwendung des § 4 Abs. 1, 2 EUrlVO für das Jahr 2015 allenfalls, dass sie – unter Berücksichtigung ihrer Blockfreizeit – 24 Urlaubstage gehabt hätte, die sie wegen ihrer Erkrankung nicht mehr nehmen konnte. Legt man diese Berechnung zu Grunde, hatte die Klägerin jedenfalls Anspruch auf finanzielle Abgeltung von 20 dieser 24 Tage, denn der europarechtliche Abgeltungsanspruch ist auf 20 Tage beschränkt, da für die Klägerin eine günstigere landesrechtliche Vorschrift zur Abgeltung nicht besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 –, juris Rn. 18).
Eine Kürzung des abzugeltenden Mindesturlaubsanspruchs unter Berücksichtigung der Freistellungsphase folgt auch nicht aus dem Zweck des europarechtlichen Mindesturlaubsanspruchs. Zweck des Mindesturlaubs ist es, dem Arbeitnehmer im europarechtlichen Sinne zu ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dies setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausgeübt hat, die es zu dem in der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit rechtfertigt, dass er über einen Zeitraum der Erholung, der Entspannung und der Freizeit verfügt (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Dico, C-12/17, juris Rn. 27 f.; EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2018, Hein, C-385/17 –, juris Rn. 26 f.).
Diesem Grundsatz entsprechend ist höchstrichterlich bereits entschieden, dass in dem Jahr der Beendigung des Beamtenverhältnisses nur anteiliger Mindesturlaub besteht und nur anteilig abzugelten ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 35.).
Das von der Klägerin und der Beklagten im vorliegenden Fall gewählte Blockmodell stellt eine besondere Form der Teilzeitbeschäftigung dar, die dadurch geprägt ist, dass die Klägerin in der Dienstleistungsphase eine über ihre Teilzeitquote liegende Dienstleistung erbringt und dafür im Gegenzug von der entsprechenden Verpflichtung in der Freistellungsphase von der Erbringung der Dienstleistung befreit wird. Es bezieht sich allein auf die Verteilung der im gesamten Jahr geschuldeten Arbeitszeit und nicht auf die Beschäftigungszeit als solche. Die in der Arbeitsphase zusätzlich erbrachte aber nicht bezahlte Dienstleistung wird in die Freistellungsphase übertragen. Das Modell beruht auf der Annahme einer auch in der Freistellungsphase unterstellten Dienstleistung (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 – BVerwG 2 C 3.15 –, juris Rn. 18 zur Altersteilzeit). Der Umstand, dass die Klägerin „vorgearbeitet“ hat, um hierfür einen Freizeitausgleich zu erhalten, kann nicht mit einer Situation gleichgestellt werden, in welcher – wie im Fall der Elternzeit (s. EuGH, Rs. „Dico“, a.a.O.) oder der unterjährigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses – überhaupt nicht gearbeitet und auch nicht vorgearbeitet wurde. Die Klägerin war indessen im gesamten Jahr 2015 Beschäftigte und hat – wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten – in der Summe ihre auf die Teilzeit bezogene Arbeitsleistung erbracht und sich daher den Mindestjahresurlaub von 20 Tagen erarbeitet. Dies folgt der Überlegung, dass auch Arbeitszeitguthaben und Mehrarbeit durch Freizeit und nicht durch Urlaubstage auszugleichen sind und auf Freizeitausgleich kein Urlaub anzurechnen ist. Andernfalls würde der Arbeitnehmer, der sogar aufgrund einer erhöhten Arbeitsleistung Anspruch auf Erholung und Freizeit hat, schlechter gestellt als derjenige, der in derselben Zeit weniger gearbeitet hat. Dies würde auch dem Zweck des Erholungsmindesturlaubs widersprechen. Der EuGH hat mit der finanziellen Abgeltung bezahlten Mindesturlaubs zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei dem bezahlten Mindesturlaub um einen geldwerten Vorteil handelt, der sich im Falle der notwendigen Abgeltung in einen Zahlungsanspruch umwandelt. Daher greift auch die Argumentation zu kurz, dass eine Kürzung des Mindesturlaubs gerechtfertigt sei, weil „im Durchschnitt“ weniger als fünf Tage in der Woche gearbeitet wurde.
Soweit der EuGH zu unterbrochenen Zeiträumen durch Elternzeit oder wechselnde Arbeitszeiten wegen Kurzarbeit ausgeführt hat, dass die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich anhand der Zeiträume der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen sind (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Dico, C-12/17, juris Rn. 28; EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2018, Hein, C-385/17 –, juris Rn. 27), ändert dies hieran nichts. An den Tagen der Kurzarbeit sind die gegenseitigen Leistungspflichten zwar wie im vorliegenden Fall nach Maßgabe der Arbeitszeitverkürzung suspendiert, obwohl formell betrachtet das Arbeitsverhältnis weiter besteht (s. bereits EuGH, Urteil vom 8. November 2012 – C-229/11 und C-230/11 –, juris Rn. 28 und 32). Anders als im Fall der Klägerin wird bei Kurzarbeit jedoch nicht vorgearbeitet. Für den Zeitraum der sich an den Mutterschutz anschließenden Elternzeit hat der EuGH ebenfalls ausgeführt, dass die gegenseitigen Pflichten in diesem Zeitraum suspendiert sind, obwohl das Beschäftigungsverhältnis fortbesteht (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Dico, C-12/17, juris Rn. 35). Wiederum aber unterscheidet sich diese Konstellation von der hiesigen, weil die Leistung nicht im Vorhinein erbracht worden ist. Darüber hinaus lagen in diesen vom EuGH entschiedenen Fällen stets einschlägige nationale Vorschriften vor, welche die anteilige Berechnung des abzugeltenden Mindesturlaubsanspruchs regelten. In der Rechtssache „Hein“ (Urteil vom 13. Dezember 2018, C-385/17), welche die Berechnung der Urlaubsvergütung unter Berücksichtigung von Kurzarbeitszeiträumen im Baugewerbe zum Gegenstand hatte, regelte der einschlägige Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe im Einklang mit § 13 Abs. 2 des Mindesturlaubsgesetzes für Arbeitnehmer (BUrlG) die Modalitäten für die Berechnung der „Urlaubsvergütung“. Dieser sah vor, dass Zeiten der Kurzarbeit bei der Berechnung der Höhe der Urlaubsvergütung zu berücksichtigen seien, was zu einer Kürzung der Urlaubsvergütung führte. In der Rechtssache „Dico“ (Urteil vom 4. Oktober 2018, C-12/17), welche die Kürzung des Abgeltungsanspruches um den Zeitraum der Elternzeit betraf, regelte das rumänische Recht, dass der Arbeitsvertrag im Zeitraum des Elternurlaubs ausgesetzt sei und sah diesen Zeitraum anders als Zeiten des Mutterschaftsurlaubs nicht als Zeiträume „tatsächlicher Arbeitsleistung“ an (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, Dico, C-12/17, juris 14 f.). Der EuGH entschied zu diesen nationalen Vorschriften, dass derartige Regelungen mit den Vorgaben der RL 2003/88/EG vereinbar seien. Eine solche Kürzung des europarechtlichen Mindesturlaubsanspruches sehen die hier einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften jedoch nicht vor.
Ebenso wenig ergibt sich ein Recht zur hier vorgenommenen Kürzung aus der europarechtlichen Rechtsprechung zum sogenannten „Pro-rata-temporis-Grundsatz“, der in § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (Anhang zur Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP and EGB geschlossenen Rahmenvereinigung über Teilzeitarbeit), niedergelegt ist. Der EuGH hat zwar in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass der „Pro-rata-temporis-Grundsatz“ es rechtfertige, den Mindestjahresurlaub für Zeiträume, in denen in Teilzeit gearbeitet wurde, gegenüber Zeiträumen, in denen in Vollzeit gearbeitet wurde, zu reduzieren (vgl. EuGH, Urteil vom 11. November 2015, Greenfield, C-219/14, juris Rn. 37; Urteil vom 8. November 2012, Heimann und Toltschin, C-229/11 und C-230/11, juris Rn. 34). Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich indes nicht, dass hieraus automatisch eine Kürzung des abzugeltenden europarechtlichen Mindesturlaubs aus Art. 7 Abs. 1, 2 RL 2003/88/EG folgt (a.A. VG Cottbus, Urteil vom 21. März 2013 – 5 K 1130/12 –, juris Rn. 22). Vielmehr hat der EuGH lediglich nationalrechtliche Vorschriften, die diesem Grundsatz Rechnung tragen, für mit dem Unionsrecht vereinbar gehalten. Selbst wenn im Einklang mit dieser Rechtsprechung eine Berechnung – wie sie in § 4 Abs. 2 EUrlVO vorgesehen ist – zulässig wäre, würde dies allenfalls dazu führen, den zustehenden Urlaub der Klägerin aufgrund der landesrechtlichen Regelung auf 24 von 30 Tagen zu reduzieren. Eine (darüber hinausgehende) Kürzung des europarechtlichen Mindesturlaubsanspruchs von 20 Tagen sehen die landesrechtlichen Vorschriften indessen nicht vor.
Nach Auffassung der Kammer wäre eine Kürzung des europarechtlichen Mindesturlaubs von 20 Tagen allenfalls dann denkbar, wenn bereits nach den landesrechtlichen Regelungen eine Kürzung auf weniger als 20 Tage erfolgen müsste, da die Abgeltung von Mindesturlaub voraussetzt, dass ein entsprechend nationalstaatlicher Anspruch auf entsprechenden Urlaub besteht. Insoweit ließe sich auch vertreten, dass die landesrechtliche Regelung der Umsetzung der Richtlinie dient. Es ist aber nicht zulässig, eine landesrechtliche Kürzungsregelung, die von einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen ausgeht, in der Weise mit dem europarechtlichen Anspruch auf Mindesturlaub zu kombinieren, dass letzterer zur Grundlage der Kürzung herangezogen wird. Der Landesgesetzgeber kann zwar eine solche Regelung vorsehen, eine analoge Anwendung der Kürzungsvorschriften zu Lasten der Arbeitnehmer scheidet indessen aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher auch von dem im Arbeitsrecht höchstrichterlich anerkannten Fall der Altersteilzeit im Blockmodell (vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2019 – 9 AZR 481/18 –, juris Rn. 32 ff.). Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts betraf die Anwendung des BUrlG. § 3 Abs.1 BUrlG sieht einen Mindesturlaubsanspruch von 24 Tagen vor. § 7 BUrlG regelt die Modalitäten des Zeitpunktes, der Übertragbarkeit und der Abgeltung des Urlaubs. § 7 Abs. 4 BUrlG sieht einen eigenen Abgeltungsanspruch vor. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts betraf demnach die Frage, ob der nach § 3 Abs. 1 BUrlG zustehende Urlaub unter Berücksichtigung des Blockzeitmodells gekürzt und dementsprechend gekürzt nach § 7 Abs. 4 BUrlG abgegolten werden dürfe. Anders als im vorliegenden Fall bestanden nationale Vorgaben zur Berechnung des abzugeltenden Urlaubsanspruches. Diese gehen sogar für den Fall der Vollzeittätigkeit über den europarechtlichen Mindesturlaubsanspruch hinaus, denn sie sehen die Abgeltung von 24 Urlaubstagen vor. Dementsprechend erfolgt dort die Berechnung des anteiligen Urlaubs auf der Grundlage von 24 Tagen.
Der Höhe nach ermittelt sich der Zahlungsanspruch der Klägerin für weitere noch nicht abgegoltene sieben Urlaubstage auf Grundlage ihrer Besoldung für die drei Monate vor Beginn des Ruhestandes (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – BVerwG 2 C 10.12 –, juris Rn. 24 – 26), folglich für Februar, März und April 2016. Diese belief sich nach den insoweit unbestrittenen Angaben in der Personalakte der Klägerin (Bl. 1058) auf insgesamt 6.138,09 €. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte von einer falschen Besoldungshöhe für die Monate Februar bis April 2016 ausgegangen ist, sind weder ersichtlich noch dargetan. Dies ergibt für die noch abzugeltenden sieben Urlaubstage einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von (gerundet) 661,02 € [(6.138,09 €)/13 Wochen = 472,16 € / 5 x 7 = 661,02 €].
b) Für das Jahr 2016 steht der Klägerin dagegen keine weitere Urlaubsabgeltung zu. Die Beklagte hat den Urlaubsanspruch zutreffend unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Zurruhesetzung zum 30. April 2016 für den Zeitraum von Januar bis einschließlich April 2016 berechnet (insgesamt 121 Tage). Zutreffend ging sie für diese Zeit von einer Fünf-Tage-Woche (Personalakte Bl. 1059) aus. Für diesen Zeitraum hatte die Klägerin Anspruch auf 6,61 Urlaubstage [20 – (20×245/366) = 20-13,39 = 6,61]. Dabei wird zugrunde gelegt, dass das Jahr 2016 366 Tage hatte. Diesen Anspruch hat die Beklagte vollumfänglich abgegolten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
III. Die Berufung war zuzulassen, da die Frage, ob der europarechtliche Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs in entsprechender Anwendung der Erholungsurlaubsverordnung im Falle eines Blockmodells anteilig zu kürzen ist, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ihre Klärung im Berufungsverfahren ist – auch mit Blick auf die bereits ergangene Rechtsprechung des EuGH zu Kürzungsmöglichkeiten des Mindesturlaubsanspruchs und der bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Blockzeitmodellen – zur Wahrung der Einheitlichkeit sowie Fortbildung des Rechts geboten.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 1.322,05 Euro festgesetzt.
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