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Hausverbot mit sofortiger Vollziehung

Gericht: Verwaltungsgericht Frankfurt

Entscheidungsdatum: 29.06.2000

Aktenzeichen: 10 G 2220/00

Entscheidungsart: Beschluss

eigenes Abstract: Ein Bibliotheksnutzer legt Widerspruch gegen ein befristetes Hausverbot mit sofortiger Vollziehung ein, das auf Grund wiederholter Ruhestörung, verbaler Bedrohung der Mitarbeiter, unrechtmäßige Benutzung des Kopiergeräts, sowie dem Betreten interner Bibliotheksbereiche und Versorgung mit Büromaterialien, auferlegt wurde.
Der Widerspruch wird abgewiesen, da sich die Verbotsverfügung nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist und das öffentliche Interesse, die unverzüglich wiederherzustellende Ordnung, dem privaten Interesse des Klägers überwiegt.

Tenor
Die Anträge werden abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Der Streitwert wird 4.000 DM festgesetzt.

Gründe
I.
Der 1952 geborene und geschiedene Antragsteller bezeichnet sich als „Rechtsschutzdissident“ und benutzt die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main [1], deren Lesesäle und Katalogräume ohne förmliche Zulassung zugänglich sind, nach seinen Angaben seit 1971 und gibt ferner an, es sei zwischen ihm und dem Vizedirektor der Bibliothek im Jahre 1998 zu einem „Gentlemen-Agreement“ über die Bibliotheksbenutzung gekommen. Mit Bescheid vom 14.04.2000 erteilte der Direktor der Bibliothek dem Antragsteller ein Hausverbot für die Bibliothek „befristet auf die Dauer eines Jahres“ und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides unter Berufung auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Den Bescheid begründete er damit, dass der Antragsteller wiederholt interne Bereiche der Bibliothek betreten habe, um sich mit Büromaterialien zu versorgen, er habe auch nach Schließung der Informationsstelle den internen Bereich betreten. Ferner habe er von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verlangt, auf dem stadtinternen Dienstweg ehrverletzende, beleidigende und obszöne Schreiben zu befördern, er habe ein Kopiergerät benutzt, in dem noch Restgeld einer anderen Benutzerin vorhanden war und diese gehindert, zu kopieren. Ihm sei in der dritten Märzwoche 2000 ausdrücklich untersagt worden, seine private Schreibmaschine zu benutzen, weil dies zu einer fortgesetzten Ruhestörung führe, die nicht mit dem Zweck der Bibliothek in Einklang stehe. Trotz Verbot habe der Antragsteller mehrfach mit seiner Schreibmaschine gearbeitet, worauf ihm die Erteilung des Hausverbotes angekündigt worden sei. Seine Verhaltensweise verstoße gegen die allgemeinen Pflichten der Benutzerinnen und Benutzer der Bibliothek. Die Aufrechterhaltung eines geordneten Betriebes einer wissenschaftlichen Arbeitsstätte gebiete die Erteilung eines befristeten Hausverbotes. Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage würde den Sinn der Verfügung zunichte machen, weshalb die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt sei.
Gegen die Verfügung richtete sich der Widerspruch des Antragstellers vom 17.04.2000. Mit Antrag vom gleichen Tage hat der Antragsteller bei Gericht einen Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO gestellt und will die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Hausverbotsverfügung vom 14.04.2000 erreichen. Dafür hat er weiter Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten und beantragt, den Antrag „zurückzuweisen“. Sie begründet ihren Antrag damit, dass die Nutzer der Bibliothek sich so zu verhalten hätten, wie es dem Charakter einer wissenschaftlichen Arbeitsstätte entspreche (§§ 5 und 6 der Benutzungsordnung vom 16. Dezember 1994 (Amtsblatt 1994, 733)). Hierzu gehöre es, das sich ein Nutzer so verhalte, dass andere nicht mehr als unbedingt notwendig belästigt oder gestört werden. Diesen Verhaltensregeln werde der Antragsteller nicht gerecht, er habe massiv gegen die Benutzungsordnung verstoßen. Wegen der Einzelheiten der Vorfälle verweist sie auf dienstlichen Erklärungen zweier Bediensteter vom 02.05. und 29.05.2000. Zur Wiederherstellung der Ordnung des Hauses sei es notwendig gewesen, den Antragsteller dauerhaft aus dem Haus zu entfernen. Ein reiner Ausschluss von der Benutzung hätte die notwendige Beruhigung der Situation nicht erbringen können. Aus dem gleichen Grunde sei auch die sofortige Vollziehung der Verfügung notwendig gewesen, eine Fortdauer der Beeinträchtigungen für die Dauer des Widerspruchs bzw. Klageverfahrens könnte nicht hingenommen werden. Die Antragsgegnerin hat ihre Widerspruchsakte (W 5 – 141/00) vorgelegt. Die Kammer hat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter mit Beschluss vom 15.05.2000 übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).

II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe scheitert daran, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, weil die Sofortvollzugsanordnung der Hausverbotsverfügung rechtlich nicht zu beanstanden ist. Die privaten Interessen des Antragstellers, wie er sie in seinem Antragsschriftsatz vom 17.04.2000 ausführlich geschildert hat, überwiegen nicht den mit der Anordnung geltend gemachten öffentlichen Interessen an einer unverzüglich wiederherzustellenden Ordnung in der Bibliothek. Auf diese Interessenabwägung kommt es hinsichtlich einer Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs (§ 80 Abs. 5 VwGO) jedoch an, wenn sich die mit dem Widerspruch angegriffene Verfügung nicht von vornherein als offensichtlich rechtswidrig erweist. Dafür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. Zwar sieht die Benutzungsordnung der Bibliothek ein Hausverbot nicht ausdrücklich vor. Eine Berechtigung zum Hausverbot ist jedoch aus allgemeinen Grundsätzen über die Benutzung zu öffentlichen Zwecken gewidmeter Einrichtungen und deren Gebäude (§ 19 Abs. 1 HGO) auch ohne das Vorhandensein einer ausdrücklichen Norm gerechtfertigt. Auf diese Frage braucht jedoch hier nicht näher eingegangen zu werden, weil die auf Grund § 20 Abs. 1 HGO erlassene Benutzungsordnung dieselbe Sanktion durch den (zeitweisen) Ausschluss von der Benutzung der Bibliothek insgesamt in ihrem § 5 Abs. 3 Satz 1 vorsieht und die Verfügung damit dort ihre Rechtsgrundlage hat. Diese Norm ist nicht zu beanstanden und auch vom Antragsteller nicht angegriffen worden. Der Antragsteller hat auch die Voraussetzungen eines allgemeinen Benutzungsausschlusses erfüllt, denn er hat sowohl gegen allgemeine Ordnungsgrundsätze wie auch gegen die Benutzerordnung verstoßen. Lesesäle und Katalogräume sind zwar ohne förmliche Zulassung zugänglich (§ 3 Abs. 1 Benutzungsordnung), damit sind sie aber nicht „automatisch“ öffentlich zugänglich, ihre Benutzung ist jedoch nur dann gestattet, wenn sie mit dem Zweck der Bibliothek (Aufgaben) vereinbar ist. Die Aufgaben der Bibliothek sind in § 2 der Benutzungsordnung bestimmt worden; die Bibliothek dient als wissenschaftliche Bibliothek der Forschung, der Lehre und dem Studium, der beruflichen und der allgemeinen Bildung. Sie bietet dazu die Benutzung ihrer Bestände und ihrer Einrichtungen in den Räumen der Bibliothek, die Erteilung mündlicher und schriftlicher Auskünfte, die Anfertigung von Fotokopien aus ihren Beständen und die Vermittlung von Informationen durch Kataloge, Bibliographien, Dokumentationsdienste und elektronische Datenbanken an. Dazu gehören die von dem Antragsteller geltend gemachten Zwecke nicht (Schreiben privater Korrespondenz, wenn auch nur in geringem Umfang, Essen und Trinken im Eingangsbereich). Der Antragsteller ist auch auf die Zweckwidrigkeit seines Verhaltens hingewiesen worden bzw. es ist ihm die Unterlassung geboten worden. Mit seinem Antrag macht der Antragsteller auch nicht das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des allgemeinen Benutzungsverbotes geltend, sondern lediglich ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung. Nach seinem Vortrag rügt er das Nichteinschreiten gegen andere Nutzer, die zum Beispiel via Laptop im Lesesaal ihre private Korrespondenz schrieben oder die am Computer-Arbeitsplatz bei Recherchen Kaffee trinken. Der Vortrag des Antragstellers geht jedoch deshalb ins Leere, weil die Verbotsverfügung nicht auf das Schreiben privater Korrespondenz oder auf Essen und Trinken im Bibliotheksbereich gestützt wird, sondern auf das Betreten interner Bereiche und die Versorgung mit Büromaterialien aus diesen sowie die unrechtmäßige Benutzung des Kopiergerätes und die verbale Bedrohung von Mitarbeiterinnen der Benutzungsabteilung und die fortgesetzte Ruhestörung anderer Nutzer.
Da sich danach die Verbotsverfügung nicht als offensichtlich rechtswidrig erweist, sondern deren Bestand im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren überprüft werden müsste, kommt es auf eine Interessenabwägung der privaten Interessen des Antragstellers und der öffentlichen Interessen am geordneten Betrieb der Bibliothek an. Dabei überwiegen die öffentlichen Interessen bzw. die der anderen Bibliotheksbenutzer an ungestörtem Arbeiten. Der Antragsteller hat mit seinem Antragsschriftsatz auch lediglich sein verbotswidriges Verhalten wegen des ebenfalls verbotswidrigen Verhalten anderer Bibliotheksbenutzer und dem Nichteinschreiten der Bibliotheksleitung gerechtfertigt. Die öffentlichen Interessen an dem ordnungsgemäßen Betrieb der Bibliothek genießen daher den Vorrang, zumal keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass das Herausgreifen des Antragstellers aus dem Kreis derjenigen Nutzer, die sich ebenfalls verbotswidrig verhalten, willkürlich wäre. Auch der Antragsteller hat derartige Anhaltspunkte nicht geltend gemacht. Da der Antrag aus den oben genannten Gründen erfolglos ist, kommt eine Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller als unterlegener Beteiligter zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 25 Abs. 1, 13 Abs. 1 GKG. Dabei ist der sogenannte Regelstreitwert zugrunde gelegt worden, der im vorliegenden Eilverfahren halbiert wurde (§ 20 Abs. 3 GKG).

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