Gericht: Verwaltungsgericht Aachen
Entscheidungsdatum: 12.07.2007
Aktenzeichen: 16 K 1715/06.PVL
Entscheidungsart: Beschluss
eigenes Abstract: Die Entscheidung betrifft die Streitfrage, ob die Inbetriebnahme eines Chat-Programms („Windows Messenger“) für die Kommunikation innerhalb einer Fachhochschulbibliothek mitbestimmungspflichtig ist. Geklagt hatte ein Bibliotheksmitarbeiter wegen der schriftlichen Aufforderung der Bibliotheksleitung, das genannte Programm anstelle des bisherigen Emailprogramms zu nutzen. Der Antrag des Klägers auf Überprüfung der Mitbestimmungspflicht wurde abgelehnt.
Instanzenzug:
– VG Aachen vom 12.7.2007, Az. 16 K 1715/06.PVL
– OVG NRW vom 30.1.2009, Az. 16 A 2412/07.PVL
Tenor: Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Inbetriebnahme des Chat- Programms „Windows Messenger“ innerhalb der Bibliothek der Fachhochschule B. (Fachhochschule) mitbestimmungspflichtig ist.
Der Kanzler der Fachhochschule übersandte dem Antragsteller „im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit“ ein Schreiben der Bibliotheksleiterin, in dem diese im Hinblick auf den geplanten Einsatz des Chat- Programms die Beteiligung des Antragstellers anregte. Das Programm ermögliche eine schnellere und unkompliziertere Kommunikation als die bisherigen e-mail-Programme.
Der Antragsteller forderte den Beteiligten mit Schreiben vom 15. November 2006 auf, das Mitbestimmungsverfahren nach § 72 Abs. 3 Nr. 6 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen – Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG) einzuleiten.
Dies lehnte der Beteiligte mit Schreiben vom 27. November 2006 ab und verwies zur Begründung darauf, dass das in Rede stehende Programm Bestandteil des bereits im Einsatz befindlichen Microsoft Windows Betriebssystems sei. Es handele sich daher nicht um die Einführung eines neuen Kommunikationsnetzes im Sinne des § 72 Abs. 3 Nr. 6 LPVG, sondern nur um die zusätzliche Nutzung einer schon vorhandenen Komponente des bestehenden Netzes der Fachhochschule. Die Änderung oder Ausweitung bestehender betrieblicher Informations- oder Kommunikationsnetze sei nach § 72 Abs. 3 Nr. 6 LPVG aber nur dann beteiligungspflichtig, wenn sie wesentlich sei. Dies sei hier nicht der Fall, weil die vom Schutzzweck der Norm erfassten Risiken für die Beschäftigten, insbesondere das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes oder von erhöhten Belastungen am Arbeitsplatz nicht auftreten könnten.
Der Antragsteller hat am 19. Dezember 2006 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet.
Er führt aus, dass der Tatbestand des § 72 Abs. 3 Nr. 6 LPVG unabhängig von der Bewertung der Wesentlichkeit der Änderung schon aufgrund der Neueinführung eines bisher nicht eingesetzten Programms erfüllt sei. Allein die Tatsache, dass das Programm schon installiert, aber nicht genutzt worden sei, ändere daran nichts. Es diene der Verkürzung der Arbeitsabläufe innerhalb der Bibliothek und der angeschlossenen Dienststellenteile.
Er beantragt, festzustellen, dass der Einsatz eines Chat-Programms innerhalb der Bibliothek der Dienststelle seiner Mitbestimmung unterliegt.
Der Beteiligte beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er wiederholt seine bisherigen Ausführungen und stellt klar, dass der Einsatz des Chat- Programms auf die Bibliothek begrenzt bleiben solle, allerdings auch die Bibliotheksnebenstellen außerhalb des Zentralgebäudes erfasse. Um sicherzustellen, dass die Kommunikation nur über das hausinterne Intranet ablaufe, sei eine neue Lizenz eingekauft worden, die auf dem Server installiert worden sei und bei dem Chat- Programm eine Verbindung über das Internet ausschließe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist mit Blick auf die Fortdauer der Maßnahme zulässig, aber unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Feststellung. Die Maßnahme ist zunächst nicht nach § 72 Abs. 3 Nr. 6 LPVG mitbestimmungspflichtig. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen in Rationalisierungs-, Technologie und Organisationsangelegenheiten bei Einführung, wesentlicher Änderung oder wesentlicher Ausweitung betrieblicher Informations- und Kommunikationsnetze. Unproblematisch erfüllt das Chat-Programm, mit dem die Mitarbeiter untereinander kommunizieren können, den Begriff eines betrieblichen Kommunikationsnetzes, d.h. eines technischen Systems, das dazu dient, Informationen von einem Ort zu einem anderen zu übermitteln. Die Neueinführung eines solchen Kommunikationsnetzes begründet nach dem Wortlaut der Norm unabhängig von ihrer Wesentlichkeit den Mitbestimmungstatbestand. Hier liegt aber keine Neueinführung, sondern nur eine Änderung des betrieblichen Kommunikationsnetzes vor, das die Voraussetzung der Wesentlichkeit nicht erfüllt. Ein Kommunikationsnetz wird neueingeführt, wenn die Dienststelle erstmals an ein solches Netz angeschlossen wird.
Vgl. Cecior/Dietz/Vallendar/Lechtermann/Klein (im Folgenden: Cecior), LPVG NRW, Stand Juli 2007, § 72 Rdnr. 337. Hier war das Programm, das die Chat-Kommunikation ermöglicht, auch schon bisher installiert, weil es Teil des Microsoft Windows Programmpaketes ist. Das Windows Messenger Programm war nur nicht zur Nutzung freigegeben. Zudem war keine Installation vorhanden, die die ausschließliche Kommunikation über das hausinterne Intranet ermöglichte. Damit war das Chat-Programm faktisch zuvor nicht nutzbar. Für die Abgrenzung der Neueinführung zur Änderung eines solchen Systems kann es entgegen der Auffassung des Beteiligten aber nicht allein darauf ankommen, ob ein System auch schon bislang installiert war. Eingeführt ist ein solches System erst dann, wenn es benutzt werden kann und darf, weil es zum Beispiel zur Nutzung freigegeben wird. Aber auch dann erfüllt nicht jede Freigabe eines vorhandenen oder verbesserten Systems den Begriff der Neueinführung. Ansonsten wäre immer dann, wenn die technische Verbesserung eines vorhandenen Programms (z.B. durch Update) erfolgt und zur Nutzungsfreigabe führt, die Mitbestimmung eröffnet. Damit wäre die zweite Alternative des § 72 Abs. 3 Nr. 5 LPVG, die die Mitbestimmung von der Wesentlichkeit der Änderung abhängig macht, überflüssig. Entscheidend für die Abgrenzung der Neueinführung von der bloßen Änderung eines Systems ist vielmehr, ob die zur Verfügung gestellte(n) Funktion(en) im Wesentlichen neu ist/ sind und mit Blick auf den Schutzzweck der Norm für die Beschäftigten belastende Auswirkungen haben können. Daran fehlt es hier. Dazu ist zu berücksichtigen, dass das in Rede stehende Chat-Programm nicht das erste Programm oder System zum elektronischen Kommunikationsaustausch zwischen den Bibliotheksmitarbeitern ist, sondern lediglich das bisherige e-mail Programm ersetzen oder ergänzen soll. Das neue Programm führt im Wesentlichen nur zu einer Vereinfachung der Ansteuerung eines internen Kommunikationspartners sowie einer Vereinfachung der (gleichzeitigen) Einsicht in Dokumente. Die Chat-Kommunikation ist nicht für den Kontakt mit den Bibliotheksnutzern freigeschaltet, sondern bleibt auf den Austausch der Kollegen beschränkt, so dass die Vereinfachungen des Kommunikationsweges auch nicht aufgrund ihrer Häufung eine völlig andersartige Qualität erreichen können. Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht mit Blick auf die technische Ausgestaltung des Kommunikationsweges. Dieser verläuft allein über das vorhandene Intranet, das zu diesem Zweck erweitert wurde und schafft daher keine neuen Gefahren für die Beschäftigten durch einen neuen „Datenkanal“ über das Internet. Insgesamt betrachtet, eröffnet das Chat-Programm nicht erstmals einen bisher nicht vorhandenen Informations- oder Kommunikationskanal, sondern dient nur der Vereinfachung einer schon bestehenden Kommunikationsmöglichkeit. In einem solchen Fall handelt es sich lediglich um die Änderung oder Ausweitung eines betrieblichen Kommunikationsnetzes.
Insoweit fehlt es an der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des Mitbestimmungstatbestandes. Indem der Gesetzgeber nur die „wesentliche“ Änderung oder Ausweitung beteiligungspflichtig gemacht hat, ist zum Ausdruck gebracht, dass der Personalrat nicht schon bei jeder Modernisierung oder Kapazitätserweiterung mitbestimmen soll. Im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm, die gewährleisten soll, dass die negativen Auswirkungen technischer Neuerungen auf die Beschäftigten erkannt und berücksichtigt werden, ist erforderlich, dass die Änderung oder Ausweitung die Interessen der Beschäftigten in ähnlicher Weise berührt, wie dies bei der Neueinführung eines Informations- und Kommunikationsnetzes der Fall ist. Das ist beim bloßen Austausch von technischen Einrichtungen meist nicht der Fall.
Vgl. Cecior, a.a.O., § 72 Rdnr. 336, 337.
Aus den obigen Ausführungen zur Abgrenzung der Neueinführung von der Ausweitung und Änderung eines Systems ergibt sich zugleich, dass eine wesentliche Änderung des internen Kommunikationsnetzes durch die Freischaltung des „Windows Messengers“ neben dem e-mail Programm nicht vorliegt. Insbesondere ist weder erkennbar noch auf ausdrückliche Nachfrage im Anhörungstermin vom Antragsteller geltend gemacht worden, dass die mit der Zurverfügungstellung des Programms einhergehenden Änderungen, wie vom Tatbestand der Norm gefordert, wesentliche, belastende Auswirkungen auf die davon betroffenen Beschäftigten haben. Dazu ist ergänzend zu berücksichtigen, dass die Freischaltung so ausgestaltet wurde, dass die Benutzung des Chat-Programms für jeden Beschäftigten freiwillig ist. Er kann sich auch nachträglich jederzeit aus diesem Kommunikationsweg ausklinken.
Ebenso wenig liegt der Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 3 Nr. 5 LPVG vor. Danach hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen in Rationalisierungs-, Technologie- und Organisationsangelegenheiten bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung oder zur Erleichterung des Arbeitsablaufs sowie Maßnahmen zur Änderung der Arbeitsorganisation , soweit sie nicht von den Nrn. 3 und 4 erfasst sind. Ausgehend von dem Schutzzweck der Vorschrift, die Beschäftigten vor möglicher körperlicher oder geistiger Überbeanspruchung zu bewahren, müssen alle diese Maßnahmen darauf abzielen, die individuelle Arbeitsleistung der Beschäftigten – bei gleicher Arbeitszeit – nennenswert quantitativ oder qualitativ zu erhöhen und damit die Effektivität der Arbeit zu steigern.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27. November 1991 – 6 P 7.90 – ZBR 1992, 275 und vom 30. August 1985 – 6 P 20.83 -, BVerwGE 72, 113; Cecior, a.a.O., § 72 Rdnr. 320 – 333.
Daran fehlt es hier. Es ist nicht erkennbar, dass Ziel der Maßnahme – jedenfalls auch – eine nennenswerte Steigerung der Arbeitseffektivität wäre. Vielmehr geht es zunächst nur darum, das alte Kommunikationssystem durch ein einfacheres und umkomplizierteres zu ergänzen. Schon allein dadurch, dass das neue Programm nur zur internen Kommunikation dient und die Arbeit der Beschäftigten lediglich begleitend prägt, fehlt es an der Wesentlichkeit der Änderung für die Beschäftigten. Die Arbeitsinhalte ändern sich dadurch nicht, auch verläuft der Kommunikationsweg wie oben gezeigt nicht wesentlich anders. Auch der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass die Einführung des neuen Systems etwa zu einem messbarem Freiwerden von Arbeitszeit geführt hätte, das in der Folge Rationalisierungsmaßnahmen nach sich ziehen könnte.
Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.