Gericht: Bundesarbeitsgericht
Entscheidungsdatum: 14.11.1991
Aktenzeichen: 8 AZR 145/91
Entscheidungsart: Urteil
eigenes Abstract: Die Klägerin ist beim Bibliotheks- und Informationssystem (BIS) der Universität Oldenburg angestellt und hat sich auf eine öffentlich ausgeschriebene, stellvertretende Leitungsstelle des BIS beworben. Diese Angestelltenstelle wird jedoch innerhalb des Bewerbungszeitraumes zur Unterbringung eines ehemaligen Soldaten gesperrt und in eine Beamtenstelle umgewandelt. Die Klägerin bezeichnet die Sperrung als rechtswidrig, da sie dem Grundsatz der Gleichbehandlung widerspräche und die geschlechtsspezifische Nichtberücksichtung ihr Persönlichkeitsrecht verletze. Die Klage wird in dritter Instanz vom BAG abgewiesen. Das beklagte Land habe gegenüber der Klägerin keine bestehende Pflicht verletzt, da es sich nicht um den Verlust eines vertraglich bereits festgelegten Arbeitsplatzes handele. Auch eine geschlechtsspezifische Benachteiligung läge nicht vor, da die Sperrung der Stelle alle Bewerber ungeachtet ihres Geschlechts beträfe.
Instanzenzug:
– ArbG Oldenburg vom 14.01.1988, Az. 1 Ca 454/87
– LAG Niedersachsen vom 18.11.1988, AZ. 12 Sa 454/88
– BAG vom 14.11.1991, AZ: 8 AZR 145/91
Tenor:
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. November 1988 – 12 Sa 454/88 – wird hinsichtlich der Hilfsanträge zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der gesamten Revision zu tragen.
Tatbestand:
Die Klägerin arbeitet seit dem 15. August 1985 als Angestellte mit 20 Wochenstunden im Bibliotheks- und Informationssysten (BIS) der Universität … des beklagten Landes und bezieht Vergütung nach VergGr. VI b BAT. Daneben war die Klägerin vom 1. Februar 1987 bis zum 30. September 1987 mit weiteren zehn Wochenstunden ebenfalls für das BIS befristet angestellt. Hierfür erhielt sie auch Vergütung nach VergGr. VI b BAT. In diesem Zeitraum nahm sie im Umfang von zehn Stunden wöchentlich einen Teil der Aufgaben der Stelle der stellvertretenden Leitung der Ortsleihstelle des BIS wahr.
Am 27. Februar 1987 schrieb die Universität … die Steile der stellvertretenden Leitung der Ortsleihstelle der BIS in einer regionalen Tageszeitung aus. Hierbei wurde eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden angegeben. Bewerbungsschluß war der 6. März 1987. Die Klägerin bewarb sich mit Schreiben vom 2. März 1987 um diese Stelle. Daneben gingen 25 weitere Bewerbungen ein.
Der Niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kunst teilte der Universität … mit Erlaß vom 5. März 1987 mit:
„Die mit dem Bezugsbericht gemeldete freie Stelle der Vergütungsgruppe VI b BAT wird hiermit gemäß § 9 Abs. 3 SVG zur Unterbringung eines ehemaligen Soldaten vom 1. Oktober 1987 ab gesperrt. Ich werde veranlassen, daß die freie Angestelltenstelle ab 01.10.1987 in eine entsprechende Beamtenstelle umgewandelt wird. Ich werde zu gegebener Zeit auf die Angelegenheit zurückkommen.“
Der Präsident der Universität … teilte der Klägerin mit Schreiben vom 16. März 1987 unter Rückgabe der Bewerbungsunterlagen mit, daß eine besetzbare Planstelle zur Zeit nicht verfügbar sei.
Die Stelle der Vergütungsgruppe VI b BAT wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1987 in eine Stelle der Besoldungsgruppe A 5 (beamtete Hilfskraft) umgewandelt.
Mit ihrer am 28. September 1987 erhobenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung des beklagten Landes begehrt, sie als Bibliotheksangestellte einzustellen und in der Benutzerabteilung des BIS zu beschäftigen. Hilfsweise hat sie Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung von Schadenersatz und weiter hilfsweise zur Aufnahme des Besetzungsverfahrens begehrt.
Sie hat behauptet, sie habe von allen Bewerbern die besten Aussichten gehabt, die ausgeschriebene Stelle zu erhalten. Sie hat geltend gemacht, die Stellensperrung sei rechtswidrig gewesen. § 10 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) sei unwirksam, weil er gegen Art. 3 GG und die EG-Richtlinie 76/207 verstoße. Die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung allein wegen ihres Geschlechts verletze zudem ihr Persönlichkeitsrecht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Bibliotheksangestellte (Vergütungsgruppe VI b BAT) einzustellen und in der Benutzerabteilung beim Bibliotheks- und Informationssystem der Universität … zu beschäftigen;
hilfsweise
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Schadenersatz in Höhe von drei Monatsgehältern einer Vergütung nach der Vergütungsgruppe VI b BAT für den Verlust des Arbeitsplatzes zu gewähren;
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Schadenersatz für den Verlust des immateriellen Schadens in Höhe von drei weiteren Monatsgehältern zu gewähren;
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, das Besetzungsverfahren aufzunehmen und die Bewerbung der Klägerin bei der Auswahl zu berücksichtigen.
Das beklagte Land hat geltend gemacht, es stehe ihm frei zu entscheiden, ob es eine Angestelltenstelle besetzen oder in eine Beamtenstelle umwandeln wolle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. In der mündlichen Verhandlung vom 18. November 1988 hatten die Parteien Einigkeit erzielt, daß der Wert für ein Monatsgehalt, soweit es als Schadenersatz verlangt wird, sich etwa auf 3.000,- DM brutto belaufen könnte.
Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Teilurteil vom 11. Dezember 1990 (- 7 AZR 186/89 -) die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit als unbegründet zurückgewiesen als über den Hauptantrag entschieden worden ist.
Das Präsidium des Bundesarbeitsgerichts hat mit Beschluß vom 11. März 1991 das Revisionsverfahren im übrigen dem Achten Senat zugewiesen.
Gründe:
Die Revision ist auch hinsichtlich der Hilfsanträge unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von drei Monatsgehältern entsprechend 9.000,- DM für den Verlust des Arbeitsplatzes.
Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 611 a Abs. 2 BGB.
1. Nach dieser Regelung ist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser dadurch erleidet, daß er darauf vertraut, die Begründung des Arbeitsverhältnisses werde nicht wegen eines Verstoßes gegen § 611 a Abs. 1 BGB unterbleiben. Somit kann gemäß § 611 a Abs. 2 BGB nur das sogenannte negative Interesse beansprucht werden. Eine über den Wortlaut dieser Norm hinausgehende Interpretation hat der erkennende Senat in den Urteilen vom 14. März 1989 (- 8 AZR 447/87 – BAGE 61, 209 und – 8 AZR 351/86 – BAGE 61, 219 = AP Nr. 5 und 6 zu § 611 a BGB) abgelehnt. Auf die ausführliche Begründung, an der der Senat festhält, wird verwiesen. Die Klägerin hat keine Gründe vorgetragen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten. Somit kann die Klägerin keinen pauschalen Schadenersatz in Höhe von 9.000,- DM wegen Verlustes eines vertraglich noch nicht erreichten Arbeitsplatzes beanspruchen.
2. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einem Verschulden des beklagten Landes bei Vertragsverhandlungen. Auch beim Verschulden bei Vertragsverhandlungen kann vom Geschädigten grundsätzlich nur Ersatz des negativen Interesses beansprucht werden. Zudem setzte ein solcher Anspruch voraus, daß das beklagte Land im Bewerbungsverfahren eine gegenüber der Klägerin bestehende Pflicht verletzt hätte. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen stellt regelmäßig keine derartige Pflichtverletzung dar, weil die Parteien bis zum endgültigen Vertragsabschluß in ihren Entschließungen frei sind. Sollte allerdings in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages erweckt worden sein, darf die derartig gebundene Partei die Vertragsverhandlung nicht mehr ohne triftigen Grund abbrechen (vgl. BGHZ 71, 386, 395).
Unter Beachtung dieser Grundsätze konnte das beklagte Land das Stellenbesetzungsverfahren abbrechen und der Klägerin ihre Bewerbungsunterlagen zurückreichen, ohne eine Pflichtverletzung im Sinne des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu begehen. Wenn die Klägerin auf das Zustandekommen des Arbeitsvertrags vertraute, war dieses Vertrauen nach dem in der Revisionsinstanz berücksichtigungsfähigen Sachverhalt nicht durch ein dem beklagten Land zurechenbares Verhalten erweckt worden. Vielmehr war die auf ein Begehren des Personalrates zurückgehende öffentliche Stellenausschreibung dazu geeignet, einer entsprechenden Vertrauensbildung entgegenzuwirken. Die Repräsentanten der Universität … und damit des beklagten Landes wollten die Eignung, Leistung und Befähigung der Klägerin erst noch mit den Qualifikationen anderer Bewerber vergleichen.
3. Weitere denkbare Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
II. Die Klägerin hat keinen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von drei Monatsgehältern.
Als Anspruchsgrundlage kommen allein §§ 831, 823 Abs. 1, 847 BGB oder §§ 31, 89, 823 BGB in Betracht. Maßgeblicher Sachvortrag zum Handeln eines Organs des beklagten Landes oder eines Verrichtungsgehilfen des beklagten Landes fehlt jedoch.
Darüber hinaus hat die Klägerin keine Verletzung eines ihrer nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte schlüssig dargelegt. In der geschlechtsspezifischen Benachteiligung könnte zwar eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Bewerbers liegen, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht des einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung der individuellen Persönlichkeit umfaßt (BAGE 61, 209, 212 = AP, a.a.O., zu A II der Gründe). Ein Arbeitgeber, der bei der Auswahl zu Unrecht auf das Geschlecht abstellt, beeinträchtigt die Entfaltungsmöglichkeiten der Bewerber, die dem gesuchten Geschlecht nicht angehören. Hierin kann eine Herabwürdigung der beruflichen Fähigkeiten der ausgeschlossenen Bewerber liegen.
Eine derartige Persönlichkeitsrechtsverletzung hat die Klägerin nicht dargelegt. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist ihr Persönlichkeitsrecht weder durch den Abbruch des Besetzungsverfahrens selbst noch dessen Form verletzt worden. Der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens betraf alle 26 Bewerber ungeachtet ihres Geschlechts, so daß eine geschlechtsspezifische Benachteiligung nicht erkennbar ist. Die Klägerin wäre durch diese Maßnahme des beklagten Landes in gleicher Weise belastet worden, wenn sie männlichen Geschlechts gewesen wäre.
Der Abbruch des Besetzungsverfahrens hatte seine Ursache, wie sich aus dem Erlaß des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 5. März 1987 ergibt, in einer Stellensperre gemäß § 9 Abs. 3 SVG, die die Umwandlung der Angestelltenstelle in eine Stelle für beamtete Hilfskräfte der Besoldungsgruppe A 5 Bundesbesoldungsordnung einleitete. Diese Stellenumwandlung wurde noch im Jahre 1987 abgeschlossen und stellte die wesentliche Bedingung der endgültigen Nichtberücksichtigung aller 26 Bewerber dar. Die von der Klägerin aufgeworfenen Frage, ob §§ 9, 10 SVG verfassungswidrig sind oder im Widerspruch zur EG-Richtlinie 76/207 stehen, ist daher nicht entscheidungserheblich. Hätte das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst diese Rechtsansicht der Klägerin geteilt, wäre es wegen fehlender Kompetenz nicht befugt gewesen, das Soldatenversorgungsgesetz als nachkonstitutionelles Bundesrecht ohne weiteres unangewendet zu lassen (vgl. hierzu nur BVerfGE 4, 331; 12, 180, 186). Die Besetzung der Angestelltenstelle hätte ungeachtet der Rechtsauffassung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst ausgesetzt werden müssen. Da das beklagte Land ohnehin die Umwandlung der Angestelltenstelle in eine Beamtenplanstelle betrieb und betreiben durfte, war es für die Rechtsstellung der Klägerin unerheblich, ob und aus welchen Gründen das beklagte Land eine Überprüfung oder Abänderung des Soldatenversorgungsgesetzes durch die zuständigen Organe veranlaßte oder nicht. Hierdurch konnte ihr Persönlichkeitsrecht nicht berührt werden.
III. Ein Anspruch der Klägerin, das Besetzungsverfahren aufzunehmen und die Bewerbung der Klägerin bei der Auswahl zu berücksichtigen, scheidet unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen bereits deshalb aus, weil es eine Angestelltenstelle der VergGr. VI b BAT nach der Umwandlung in eine Beamtenstelle der Besoldungsgruppe A 5 Bundesbesoldungsordnung nicht mehr gibt. Die Klage ist mit diesem Hilfsantrag auf eine rechtlich unmögliche Leistung gerichtet und deshalb zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.
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