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Gericht: Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 16.08.1990

Aktenzeichen: 7 B 67/90

Entscheidungsart: Beschluss

Eigenes Abstract: Eine Verlagsgesellschaft verweigert die Pflichtablieferung einer Studie zum Thema Tourismus an die Universitätsbibliothek mit dem Argument, diese weder zu besitzen noch verlegt zu haben. Ihre Klage blieb in erster und zweiter Instanz ohne Erfolg, ebenso wie ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Die Gerichte sind der Ansicht, dass die Klägerin am Vertrieb der Studie maßgeblich beteiligt war und somit zumindest als abgabepflichtige Mitverlegerin anzusehen ist.

Instanzenzug
– VG Berlin vom 09.11.1988, Az: 1 A 227.86
– OVG Berlin vom 23.01.1990, Az: 3 B 35.89
– BVerwG vom 16.08.1990, Az: 7 B 67/90

Gründe
1. Die Klägerin, eine Verlagsgesellschaft, wehrt sich gegen einen Bescheid, mit dem die beklagte Universität unter Berufung auf § 11 des Berliner Pressegesetzes vom 15. Juni 1965 (GVBl. S. 744) in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Anbietung und Ablieferung von Pflichtexemplaren vom 19. Oktober 1965 (GVBl. S. 1826) angeordnet hat, der Universitätsbibliothek ein Pflichtexemplar der 1985 erschienenen „Tourismus-Studie International“ anzubieten und zu liefern. Sie hat unter anderem vorgetragen, sie sei nicht Verlegerin oder Mitverlegerin der genannten Studie; weder habe sie deren Erscheinen oder Verbreiten bewirkt noch habe sie mit dem Vertrieb irgend etwas zu tun; sie könne die Studie auch nicht vorlegen, weil sie sie nicht besitze.

2. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin waren ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

3. Auch die Beschwerde, mit der die Klägerin die Nichtzulassung der Revision angreift, kann keinen Erfolg haben. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund, die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhe auf dem Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 86 Abs. 1 VwGO), liegt nicht vor.

4. Die Beschwerde rügt (Abschnitt II 1 der Beschwerdeschrift), daß das Berufungsgericht es unterlassen habe, Rechtsanwalt O., wie in der Berufungsbegründungsschrift angeboten, zum Beweis dafür zu vernehmen, daß die Klägerin die streitbefangene Studie gar nicht besitze. Sie übersieht, daß Rechtsanwalt O. in der Berufungsbegründungsschrift nur zum Beweis des Inhalts seiner in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht abgegebenen Erklärung benannt worden ist: Er habe nicht erklärt, die Klägerin sei nicht bereit, die Studie dem Gericht zur Einsichtnahme in das Impressum vorzulegen, sondern er habe gesagt, die Klägerin sei hierzu nicht in der Lage, weil sie nicht im Besitz dieses Werkes sei. Als Beweismittel zur Klärung der Frage, ob die Klägerin noch ein Exemplar der Studie besitzt, war Rechtsanwalt O. somit nicht benannt, und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern er über diese Frage aus eigener Kenntnis hätte Auskunft geben können. Davon abgesehen kam es dem Berufungsgericht ersichtlich auf diese Frage aus Rechtsgründen nicht an. Auch das Berliner Pressegesetz stellt hierauf nicht ab. Es ist übrigens nicht zweifelhaft, daß die Leistungspflicht, die einen noch nicht auf ein bestimmtes Stück individualisierten Gegenstand betrifft, nicht schon allein dadurch erlischt, daß der Leistungsverpflichtete den Gegenstand nicht besitzt (vgl. im Privatrecht die Regelung bei nur der Gattung nach bestimmten Gegenständen in den §§ 243 Abs. 1, 279 BGB).

5. Ein Aufklärungsmangel liegt auch nicht darin, daß das Berufungsgericht, wie die Beschwerde rügt (Abschnitt II 2 a der Beschwerdeschrift), den Steuerberater D. nicht als Zeugen vernommen hat. Dieser hatte in einer dem Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung überreichten „Bescheinigung“ bestätigt, daß von der Klägerin nach den Ausgangsrechnungen der Jahre 1985 bis 1989 kein Exemplar der Studie vertrieben oder veräußert worden sei. Dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen, wenn es nach seiner – für den Umfang seiner Aufklärungspflicht maßgeblichen – eigenen sachlich-rechtlichen Rechtsauffassung hierauf angekommen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Das Berufungsgericht ist dem Vortrag der Klägerin, die Studie werde von der Beigeladenen verlegt und vertrieben, gefolgt, allerdings nicht dahingehend, daß die Beigeladene allein, sondern daß die Klägerin und die Beigeladene zusammen als Verleger anzusehen seien (Urteilsabdruck S. 9). Daß die Klägerin sich zumindest als Mitverlegerin betätigt hat, hat es aus einer Reihe von Beweisanzeichen gefolgert (Urteilsabdruck S. 9 und 10); es hat diese dahingehend gewürdigt, daß die Klägerin am Vertrieb der Studie maßgeblich beteiligt war, und hieraus den rechtlichen Schluß gezogen, daß sie bezüglich dieser Druckschrift die wesentlichen Merkmale einer Verlegerin aufweist. Wenn die Klägerin lediglich Mitverlegerin war, kam es aber darauf, ob sie bei der Rechnungsführung in Erscheinung getreten ist, nicht entscheidend an; denn nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts tat es der Verleger-Eigenschaft der Klägerin keinen Abbruch, wenn die „technische Abwicklung“, insbesondere die Erstellung der „Ausgangsrechnungen“, nicht durch sie, sondern durch die Beigeladene vorgenommen worden ist (Urteilsabdruck S. 10).

6. Soweit die Beschwerde (Abschnitt II 2 b bis f) weitere Aufklärungsrügen erhebt, müssen diese schon daran scheitern, daß nicht angegeben wird, welche Beweismittel das Berufungsgericht hätte heranziehen sollen und welches Ergebnis deren Verwertung gehabt hätte. Davon abgesehen trifft der Vorwurf, die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhe auf Vermutungen, nicht zu.

7. Mit der Feststellung, Klägerin und Beigeladene seien personell und organisatorisch „offenbar“ eng miteinander verflochten (Urteilsabdruck S. 9), wird nicht, wie die Beschwerde meint (Abschnitt II 2 b), eine Vermutung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat hiermit vielmehr zusammengefaßt, was in den darauf folgenden Ausführungen im einzelnen erläutert wird. Daß die dort aufgeführten, für die enge Verflechtung sprechenden Tatsachen unrichtig sind, macht auch die Beschwerde nicht geltend. Die Formulierung, wegen der engen Verflechtung sei „nicht anzunehmen“, daß die Klägerin auf die Ausführung der bei ihr eingehenden Bestellungen keinen Einfluß habe (Urteilsabdruck S. 10), ist – entgegen der Beschwerde (Abschnitt II 2 e) – ebenfalls nicht als Ausdruck einer bloßen Vermutung, sondern als Sachverhaltswürdigung zu verstehen. Dasselbe gilt für die von der Beschwerde (Abschnitt II 2 f) zitierte Wendung, bei der in der Dokumentation des S.-Verlages erwähnten Marketinganalyse zum Tourismus könne es sich nur um die streitige Studie handeln (Urteilsabdruck S. 10). Auf welchen Gründen dieser Schluß beruht, wird im Urteil im unmittelbaren Anschluß daran (Urteilsabdruck S. 10/11) ausgeführt. Die Beschwerde hat übrigens diese Feststellungen nicht substantiiert bestritten. Sie bestreitet ferner nicht, daß „die Bestellungen der Buchhändler infolge der Verwendung der ISBN-Stammnummer der Klägerin teilweise über die Klägerin eingingen“ (so die Beschwerde in Abschnitt II 2 c). Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß damit auch die Verbreitung der Studie durch die Klägerin erfolgte (Urteilsabdruck S. 9), ist nicht – wie die Beschwerde meint (Abschnitt II 2 c) – eine Vermutung, sondern die Subsumtion des tatsächlichen Vorgangs unter den Begriff des Verbreitens.

8. Eine Vermutung hat das Berufungsgericht lediglich hinsichtlich der Erstellung der „Ausgangsrechnungen“ durch die Beigeladene geäußert (Urteilsabdruck S. 10). Auch insoweit ist dem Berufungsgericht indessen – entgegen der Beschwerde (Abschnitt II 2 d) – ein Aufklärungsmangel nicht vorzuwerfen. Es handelt sich hier um eine Wahrunterstellung zugunsten der Klägerin; das Berufungsgericht legt seinen Überlegungen den Vortrag der Klägerin zugrunde, bei ihr sei keine „Ausgangsrechnung“ angefallen. Für das Berufungsgericht war dieser Umstand indessen, wie bereits oben ausgeführt, nicht entscheidungserheblich. Denn auch wenn allein die Beigeladene die „Ausgangsrechnungen“ erstellt habe – so führt das Berufungsgericht aus (Urteilsabdruck S. 10) -, rechtfertige das nicht die Annahme, allein die Beigeladene sei Verlegerin der Studie.

9. Die Aufklärungsrügen sind somit unbegründet. Übrigens hat auch der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin im Berufungsverfahren offenbar kein Aufklärungsdefizit gesehen; denn ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Berufungsgerichts hat er einen Beweisantrag nicht gestellt.

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