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Gericht: Verwaltungsgericht Gera

Entscheidungsdatum: 18.09.2002

Aktenzeichen: 2 K 721/99 GE

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Woizlawa Feodora Prinzessin Reuß klagt als Erbin von Fürst Heinrich XLV Reuß gegen den Freistaat Thüringen und begehrt die Aufhebung des Nießbrauchrechts an rd. 3.000 Büchern aus der Privatbibliothek des Schloßes Ebersdorf in Thüringen . Diese waren nach dem zweiten Weltkrieg dem Fürstentum Reuß enteignet worden. Das Gericht stellt fest, dass mit dem Zeitpunkt der Ausstellung und Aufbewahrung der Bücher in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek dem Beklagten ein öffentliches Nießbrauchrecht bis 2014 zusteht. Damit darf die Bibliothek das Kulturgut noch bis 2014 der Öffentlichkeit zugänglich machen und für Forschungszwecke bereitstellen. Die Klage wurde damit abgewiesen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich als Rechtsnachfolgerin nach dem Erbprinz H. XLV R. gegen die Feststellung eines Nießbrauchrechts nach dem Ausgleichsleistungsgesetz zu Gunsten der Beigeladenen.

Der Erbprinz wurde etwa im Jahre 1945 durch die russische Besatzungsmacht verhaftet und verschleppt. Er war Eigentümer unter anderem des Schlosses O. in Gera und des Schlosses E. .

Nach einem Tätigkeitsbericht des Städtischen Kulturamtes Gera für die Zeit vom 01. Juni bis 30. Juni 1946 stand dieser Monat ganz im Zeichen der „Bücherbeschaffung“. Insbesondere sei ein wertvoller Rest von ehemals 35.000 Büchern der Bibliothek Schloss O. mit 24 Büchern gerettet worden. Hierbei handele es sich um seltene Luther-Bibeln und theologische Literatur der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Weiterhin seien in diesem Monat der Stadtbibliothek 4.077 Bände aus der ehemaligen Bibliothek des Schlosses E. zugeführt worden. Hierzu seien zwei Fahrten mit einem LKW nötig gewesen. Die Bücher seien in E. unsachgemäß aufbewahrt worden und hätten Schäden erlitten. Die E. Bibliothek setze sich hauptsächlich aus Reisebeschreibungen, aus juristischen und theologischen Werken des 18. Jahrhunderts zusammen; ein kleiner Teil bestehe aus der sogenannten galanten und schönen Lektüre dieses Jahrhunderts.

Nach einem Verzeichnis der aus dem Besitz des Erbprinzen R. hergestellten und für Museumszwecke verwertbaren Gegenstände ist unter der laufenden Nummer 750 vermerkt, dass aus der ehemaligen Schlossbibliothek E. eine große Anzahl älterer Bücher gerettet worden sei. Die Bücher befänden sich zur Sicherung und Aufnahme bei der Stadt Gera.

Der Erbprinz H. XLV R. ist durch Beschluss des Amtsgerichts Büdingen im Jahre 1962 mit Wirkung zum 31. Dezember 1953 für tot erklärt worden. Er ist von seinem Adoptivsohn H. dem I. Prinz R. auf der Grundlage eines privatschriftlichen Testaments vom 14. April 1944 beerbt worden. H. der I. Prinz R. verstarb 1982. Gemäß des Erbscheins des Amtsgerichts Büdingen vom 11. März 1987 ist die Klägerin Alleinerbin nach ihrem Ehemann.

Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 01. Oktober 1990 neben dem enteigneten Immobilienbesitz auch die Rückübertragung beweglicher Sachen, wie Kunstgegenstände, Gemälde und Schmuck an. Eigentümer der Vermögenswerte sei H. der XLV, Erbprinz R. gewesen. Das Eigentum und die Inhaberschaft an diesen Vermögenswerten sei ihm entzogen worden.

Mit Bescheid des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 26. September 1996 wurde der vermögensrechtliche Antrag der Antragstellerin auf Rückgabe aller beanspruchter Vermögenswerte abgelehnt, weil das Vermögensgesetz nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG nicht zur Anwendung komme. Sämtliche Vermögenswerte seien auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 29. Oktober 1996 Klage (2 K 1470/96.GE). Mit Schreiben vom 21. Oktober 1997 zog sie ihre Klage hinsichtlich der dort beanspruchten beweglichen Sachen zurück. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Oktober 1997 wurde das Verfahren insoweit eingestellt.

Mit Bescheid vom 16. Januar 1998 stellte das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen fest, dass die Klägerin gemäß § 1 Absatz 1; § 5 AusglLeistG Berechtigte des beweglichen nicht einheitswertgebundenen Vermögens sei, das am 08. Mai 1945 in Thüringen im Eigentum des Erbprinzen XLV. R. gestandenen habe.

Nachdem der Klägerin mit Schreiben vom 4. November 1998 die beabsichtigte Entscheidung zur Stellungnahme übersandt worden war, wurde mit dem streitbefangenen Bescheid vom 18. März 1999 unter Bezugnahme auf die im Bescheid vom 16. Januar 1998 getroffene Feststellung der Anspruchsberechtigung der Klägerin nach dem Ausgleichsleistungsgesetz die durch die Klägerin beantragten Gegenstände aus der ehemaligen Bibliothek Schloss E., welche sich gegenwärtig im Besitz der Beigeladenen befänden, gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichsleistungsgesetz an sie zurückübertragen. Eine die 3.063 Bände umfassende Auflistung sei als Anlage beigefügt (Ziff. 1). Ferner wurde festgestellt, dass über die Buchbestände der E. Schlossbibliothek, die auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage entschädigungslos enteignet worden seien und nicht Gegenstand dieses Bescheides seien, gesondert entschieden werde (Ziff. 2). Schließlich wurde festgestellt, dass die unter Ziffer 1 genannten beweglichen Sachen Güter im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 Ausgleichsgesetz seien, welche zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Für diese beweglichen Sachen bestehe ein bis zum 30. November 2014 befristetes unentgeltliches öffentliches Nießbrauchrecht. Nießbraucher sei die Beigeladene. Ob und zu welchen Bedingungen der Nießbraucher nach Ablauf dieser Frist eine Fortführung des Nießbrauchs geltend machen könne, regele sich nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 Satz 2 Ausgleichsleistungsgesetz (Ziff. 3). Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass nach Abdankung des letzten regierenden Fürsten H. XXVII. R. am 10 .November 1918 und der nachfolgenden Bildung des Volksstaates R. im April 1919 die Beziehungen des Hauses R. die jüngere Linie zum Staat vertraglich neu geregelt worden seien. Das hierzu am 22. Dezember 1919 vom Volksstaat R. erlassene Gesetz habe u.a. das uneingeschränkte Privateigentum am fürstlichen Hauseigentum anerkannt. Dazu zähle grundsätzlich auch das Mobiliarvermögen einschließlich vorhandener Kunstwerte. Die fürstlichen Sammlungen und Kunstwerke seien zum größten Teil in den Schlössern O..E., dem damaligen Wohnsitz der Familie, untergebracht gewesen. Der im Jahre 1928 verstorbene H. XXVII. sei von dem Erbprinz H. XLV. R., dem Rechtsvorgänger der Klägerin beerbt worden. Ende 1945 sei der Erbprinz durch die sowjetische Besatzungsmacht inhaftiert worden; über sein weiteres Schicksal lägen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Nach den vorliegenden Dokumenten sei davon auszugehen, dass der größte land- und forstwirtschaftliche Besitz des Erbprinzen H. XLV. R. der Bodenreform unterfallen sei. Die Enteignung der beweglichen Sachen seien schließlich durch das Gesetz über die Enteignung ehemaliger Fürstenhäuser im Lande Thüringen (FEG) vom 11. Dezember 1948 erfolgt. Die im Tenor genannten Buchbestände stammten nach Angaben der Klägerin aus dem Schloß E. und gehörten zur ehemaligen Schlossbibliothek, die ursprünglich mehr als 40.000 Bände umfasste. Ein Großteil der Bestände sei 1945 durch sowjetische Besatzungstruppen abtransportiert worden. Die verbliebenen Bücher unterfielen daher dem FEG. Sie seien laut eines Tätigkeitsberichts vom 30. Juni 1946 der Stadtbibliothek Gera übergeben worden. Im Juli 1961 seien sie aus dem Stadtarchiv Gera nach W. gebracht worden und der Thüringischen Landesbibliothek, der Vorgängereinrichtung der Beigeladenen, zur Übernahme angeboten worden. Es seien dort 3.068 Bände identifiziert worden. Die Herkunft der Bücher aus der ehemaligen Bibliothek des Schlosses E. sei unstreitig. Die verfahrensgegenständlichen Buchbestände unterfielen § 5 Abs. 2 AusglLeistG Es bestehe ein befristetes unentgeltliches öffentliches Nießbrauchrecht, da sie zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmtes Kulturgut darstellten. Die Bücher befänden sich derzeit in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, in einem Magazin, der sogenannten Carlsmühle in W.. Sie seien nach der Übernahme aus dem Stadtarchiv Gera 1961 nicht inventarisiert und in den allgemeinen Bestand der Bibliothek aufgenommen worden. Die Erfassung sei anhand einer provisorischen handschriftlichen Kartei erfolgt und mittlerweile durch EDV aufbereitet worden. Die Zugänglichkeit der Bestände für die Öffentlichkeit habe u.a. durch Auslage des Verzeichnisses im Katalograum bestanden. Der historisch wertvolle Bestand sei von besonderem Forschungsinteresse eines interessierten Fachpublikums und Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten. Die Einordnung als Kulturgut ergebe sich auf Grund der Verbindung mit historischen Ereignissen und einer bestimmten historischen Persönlichkeit. Denn der kulturelle Rahmen des Buchbestandes stehe in enger Beziehung zu Schloss E. und der Geschichte des Hauses R. und allgemein zur Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts. Auf eine nähere Qualifizierung eines jeden einzelnen Buches komme es daher nicht an. Die Buchbestände seien der Öffentlichkeit zugänglich. Sofern sie sich nicht in den der Öffentlichkeit zugänglichen Räumen befänden, garantiere ein Fahrdienst den Transport der Bestände zu dem fachinteressierten Nutzer. Ca. 750 Bände, welche ehemals in Kisten auf dem Dachboden des Hauptgebäudes gelagert hätten, seien bereits im Jahre 1996 in das Magazin Carlsmühle integriert worden. Dies treffe auch für die bis 1996 im historischen Schillerhaus ausgestellten 317 Bände zu, welche dort jederzeit für Benutzer zugänglich gewesen seien.

Die Klägerin hat am 21. April 1999 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Auslegung des Begriffs „Kulturgut“ anhand des Gesetzes zum Schutze des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 8. Juni 1955 zu erfolgen habe. Der Buchbestand werde auch nicht einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bei dem streitbefangenen Buchbestand handele es sich nicht um „die E. Schlossbibliothek“, die aus über 40.000 Büchern bestanden habe, sondern um einen Restbestand von etwa 3.000 Büchern aus der Privatbibliothek im Schloss E.. Der Buchbestand sei schließlich auch nicht auf besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden. Die auf der Grundlage des Fürstenenteignungsgesetzes erfolgte Enteignung der streitbefangenen Buchbestände verstoße gegen ein besatzungshoheitliches Enteignungsverbot. Den dem SMAD-Befehl 64 nachfolgenden Enteignungsgesetzen sei die besatzungshoheitliche Grundlage entzogen worden. Darüber hinaus fehle es für das Fürstenenteignungsgesetz auch an einer besatzungshoheitlichen Ermächtigungsgrundlage. Für das Gesetz sei als Grundlage kein SMAD-Befehl ersichtlich.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 18. März 1999 hinsichtlich seiner Ziffer 3 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten festzustellen, dass ein Nießbrauchrecht hinsichtlich des streitbefangenen Bibliotheksbestand nicht besteht.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Bei den Buchbeständen handele es sich um Kulturgut im Sinne von § 5 Abs. 2 Ausgleichsleistungsgesetz. Bei einer Aufnahme in das Verzeichnis des national wertvollen Kulturgutes nach dem Gesetz zum Schutze deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6. August 1995 handele es sich nur um ein Indiz. Der Begriff des Kulturgutes umfasse aber nicht nur Kunstwerke im engeren Sinne, sondern auch Zeugnisse der Geschichte aus allen Bereichen. Selbst wenn es sich nur um Erinnerungsstücke handele, könne sich ihr kultureller Rang aus der Verbindung mit historischen Ereignissen oder mit bestimmten Persönlichkeiten ergeben. Dies ergebe sich vorliegend aus der Geschichte des Hauses R..

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Direktors der Herzogin Anna Amalia Bibliothek der Beigeladenen, des Zeugen Dr. K. und des sachverständigen Zeugen von T.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf Inhalt der Gerichtsakten (2 Bde.) und den des Behördenvorganges (1 Bd.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Nach Auffassung der Kammer ist das Begehren der Klägerin gemäß § 88 VwGO dahingehend zu konkretisieren, dass die Regelung in Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides mit der Anfechtungsklage angefochten und daneben die Feststellung begehrt wird, dass ein öffentliches Nießbrauchsrecht gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 des Ausgleichsleistungsgesetzes -AusglLeistG- (BGBl., S. 2624) geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 15. September 2000 (BGBl. I S. 1382) kraft Gesetzes nicht entstanden ist. Denn das erkennbare Rechtsschutzziel der Klägerin kann allein mit der Anfechtung der Regelung in Ziffer 3 des Bescheides des Beklagten nicht erreicht werden. Die dort im Wege eines Verwaltungsaktes erfolgte Feststellung des kraft Gesetzes entstehenden Nießbrauchsrechts an den streitbefangenen Buchbeständen hat nur deklaratorische Wirkung. Mit der bloßen Aufhebung dieser Regelung kann daher die von der Klägerin angestrebte Klärung nicht erreicht werden, dass diese gesetzliche Rechtsfolge hinsichtlich der streitbefangenen privaten Schlossbibliothek nicht eingetreten ist. Deshalb ist auf Grund des Begehrens der Klägerin neben der Aufhebung dieser Regelung ferner im Wege der Feststellungsklage die Klarstellung anzustreben, dass die angegriffene Rechtsfolge nach § 5 Absatz 2 Satz 1 AusglLeistG nicht eingetreten ist. Die Verpflichtung des Beklagten, einen entsprechenden feststellenden Verwaltungsakt zu erlassen, bedarf es daher nicht.

Die so verstandenen Klagen sind zulässig, aber nicht begründet.

Die genannte Regelung des Bescheides des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für das in Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides festgestellte öffentliche Nießbrauchsrecht an den hier streitbefangenen Buchbeständen ist § 5 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Anwendbarkeit des Ausgleichsleistungsgesetzes auf die noch vorhandenen Bestände der Bibliothek des Rechtsvorgängers der Klägerin nicht ausgeschlossen. Die von ihr erhobenen Angriffe gegen die Annahme einer besatzungshoheitlichen bzw. besatzungsrechtlicher Enteignung der hier streitbefangenen Buchbestände greifen nicht durch, weil mit Bescheid des Thüringer Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 26. September 1996 u.a. der vermögensrechtliche Antrag auf Rückübertragung aller beweglicher Sachen abgelehnt worden ist. Die hiergegen am 29. Oktober 1996 erhobene Klage (2 K 1470/96 GE) ist durch die Klägerin hinsichtlich der beweglichen Sachen zurückgenommen worden, so dass zwischen den Beteiligten mittlerweile bestandskräftig feststeht, dass die beweglichen Sachen – mithin auch die hier streitbefangenen Buchbestände – auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage enteignet worden sind.

Nach dem somit zur Anwendung kommenden § 5 Abs. 2 Ausgleichsleistungsgesetz, dessen Verfassungsmäßigkeit feststeht (BVerfG, B. v. 22. November 2000 – 1 BvR 1120/95 u.a. BVerfGE 102, 254 ff. = VIZ 2001, 16 ff.= DVBl. 2001,21 ff.), bleibt das zur Ausstellung in der Öffentlichkeit bestimmte Kulturgut für die Dauer von 20 Jahren unentgeltlich dem Zwecke der Nutzung seitens der Öffentlichkeit oder der Forschung gewidmet (unentgeltlicher öffentlicher Nießbrauch). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der streitbefangene Bibliotheksbestand war am 01. Dezember 1994 zur Ausstellung in der Öffentlichkeit bestimmt. Dieser Zeitpunkt ist hier maßgebend, weil das Nießbrauchrecht an Kulturgütern kraft Gesetzes und damit am Tag des Inkrafttretens des Ausgleichsleistungsgesetzes – also dem 01. Dezember 1994 – entsteht ( vgl. Art. 13 des Gesetzes über die Entschädigung nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen und über staatliche Ausgleichsleistungen für Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ( Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz – EALG) vom 27. September 1994 (BGBl. S. 2642)). An diesem Stichtag musste die Sache vom Verfügungsberechtigten zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen sein, damit ein öffentlicher Nießbrauch entstehen konnte. Daraus folgt, dass ein Nießbrauch auch nicht nachträglich begründet werden kann, indem ein zum Stichtag noch nicht zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmtes Kulturgut zu einem späteren Zeitpunkt ausgestellt wird ( vgl. Hellmann in : Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Band 2 , Stand: Juni 2001; § 5 AusglLeistG, Rdnr. 94 ff.). Bei der Prüfung, ob das Kulturgut am Stichtag zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmt war, ist maßgebend auf seine tatsächliche Verwendung abzustellen. Die Sache ist dann zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmt, wenn sie zum genannten Stichtag etwa Bestandteil einer bestehenden Ausstellung war, also die Sache vom Verfügungsberechtigten tatsächlich ausgestellt wurde. Das Merkmal der Ausstellung setzt dabei voraus, dass die Sache für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich war. Deshalb ist es nicht ausreichend, wenn die Gegenstände nur auf Grund privater Veranstaltungen einem bestimmten Personenkreis zugänglich waren. Dagegen ist es unerheblich, wenn etwa in Museen und Sammlungen Öffnungszeiten einzuhalten sind. Ferner kann die Zweckbestimmung der Vorschrift auch dann erfüllt sein, wenn – wie der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 AusglLeistG bereits nahe legt – das Kulturgut zum Stichtag nicht ausgestellt wurde, aber zu diesem Zeitpunkt die konkrete und nachprüfbare Absicht zu einer späteren Ausstellung bestand. Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Kulturgut für eine bereits zum Stichtag geplante Ausstellung benötigt wurde. Hierbei muss die Sache nachvollziehbar in die Ausstellungskonzeption passen. Sofern die geplante Ausstellung nicht innerhalb von zwei Jahren durchgeführt wird, kann der Berechtigte im Anschluss an die Restitution einen Antrag auf Überprüfung und Beendigung des Nießbrauchsrechts nach § 5 Abs. 2 Satz 4 AusglLeistG stellen. Ferner ist die Zweckbestimmung ebenfalls erfüllt, wenn das Kulturgut zum Stichtag aus im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 AusglLeistG triftigen Gründen nicht ausgestellt wurde, weil der Gegenstand restauriert oder erforscht werden musste. Allerdings ist auch hier Voraussetzung, dass die spätere Ausstellung konkret und nachprüfbar beabsichtigt war (vgl. Hellmann in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, a.a.O., § 5 AusglLeistG, Rdnr. 95 ff.). Speziell bei Buchbeständen in Bibliotheken gelten insoweit Besonderheiten, als das Tatbestandsmerkmal „Bestimmung zur Ausstellung für die Öffentlichkeit“ nur bedingt passt. Literatur in öffentlichen Bibliotheken dient in erster Linie Forschungs- und nicht Ausstellungszwecken. Deshalb ist hier auf die öffentliche Zugänglichkeit des Bibliothekbestandes oder die entsprechende Absicht hierzu im Zeitpunkt des genannten Stichtages abzustellen.

Gemessen daran ist die Kammer davon überzeugt, dass die hier streitigen Buchbestände zum Zeitpunkt des Stichtages zur Ausstellung für die Öffentlichkeit bestimmt bzw. der interessierten Öffentlichkeit zugänglich waren. Der Zeuge Dr. K. hat insoweit nachvollziehbar und glaubhaft bestätigt, dass die in den 60er Jahren von der damaligen Landesbibliothek in W. übernommenen Buchbestände einer interessierten wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden, wobei diese insbesondere für Historiker, Germanisten; Kunsthistoriker und Theologen von Interesse waren. Die streitbefangenen Buchbestände wurden nach seinen Angaben zunächst bis zum Jahre 1994 im Lesesaal der Anna-Amalia-Bibliothek in W. dem interessierten Publikum zur Verfügung gestellt. Hierbei ist es unerheblich, dass die Buchbestände ab Ende 1994 auf Grund eines Umzuges der Bibliothek verpackt werden mussten und in diesem Zeitraum die Nutzung, wie der Zeuge bekundete, nur eingeschränkt bzw. überhaupt nicht dem wissenschaftlichen Publikum zur Verfügung standen. Denn zum einem bestand für die Zwischenlagerung der im alten Magazin gelagerten Buchbestände ein sachlicher Grund, da die Lagerzustände in dem alten Magazin nur mangelhaft waren. Zum anderen besteht auf Grund der Aussage des Zeugen Dr. K. für die Kammer kein Zweifel daran, dass der Beigeladene seit den 60er Jahren und insbesondere nach der Wiedervereinigung die Buchbestände einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen wollte und der betreffende Bibliotheksbestand als Sonderbestand in die Anna-Amalia-Bibliothek aufgenommen und inventarisiert werden sollte, um diesem Zweck gerecht zu werden. Dies ergibt sich insbesondere auch auf Grund des durch den Zeugen Dr. K. dargelegten Umstandes, dass die betreffenden Buchbestände Signaturschilder erhielten. Deshalb ist es nicht maßgebend, dass ein konkretes Konzept zur Nutzung der Buchbestände auf Grund einer elektronischen Katalogisierung erst ab 1998 vorhanden gewesen ist. Denn diese Verfahrensweise führte nur zu einer Optimierung der Erfassung der Buchbestände. Deren Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit war hingegen auch schon im Dezember 1994 gewährleistet oder soweit das nur eingeschränkt möglich war, jedenfalls beabsichtigt. Der Zeuge Dr. K. bestätigte insoweit, dass das interessierte Fachpublikum Anfragen an die Anna-Amalia-Bibliothek bereits seit Anfang der 90er Jahre stellen konnte, ob gesuchte Bücher aus dem streitbefangenen Bücherbestand vorhanden seien. Die nach der glaubhaften Aussage des Zeugen Dr. K. im Museum im Schillerhaus im Zeitpunkt des hier maßgebenden Stichtages ausgestellten 317 Exemplare aus dem streitbefangenen Bibliotheksbestand waren aufgrund des Ausstellungsortes ebenfalls ersichtlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Dass diese Buchbestände nach dem Vorbringen der Beigeladenen 1997 in dem Magazin „Carlsmühle“ integriert wurden, ist unerheblich.

Darüber hinaus handelt es sich entgegen der Auffassung der Klägerin bei den Buchbeständen der ehemaligen privaten Schlossbibliothek E. auch um Kulturgut im Sinne der Bestimmung. Ob die Merkmale eines Kulturgutes vorliegen, lässt sich abstrakt nicht abschließend bestimmen. Maßgebend ist eine Gesamtschau im jeweiligen Einzelfall. Ausschlaggebend ist die exemplarische Bedeutung des Gegenstandes für einen bestimmten Lebensbereich. Als Kulturgüter sind demnach auch kunsthandwerkliche Arbeiten, wie etwa Schmuck, Silber und Glaswaren, Keramik, Möbel anzusehen, ebenso Handschriften, Bücher oder Zeugnisse der Druckkunst. Selbst wenn es sich bei den Gegenständen als solche lediglich um Erinnerungsstücke handelt, kann sich ihr kultureller Rang aus der Verbindung mit historischen Ereignissen oder bestimmten Persönlichkeiten ergeben. Diese Beziehung zu bestimmten Persönlichkeiten kann auch nur von regionaler Bedeutung sein. Ein wichtiger Hinweis ist ferner die Ausstellung des betreffenden Gegenstandes etwa in einem Museum (vgl. Schulte in: Motsch/Rothenbach/Löffler/Schäfer/Zilch, Kommentar zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz EALG, Stand: Januar 1999, § 5 AusglLeistG, Rdn. 63 ff.). Deshalb ist die Annahme eines Kulturgutes nicht davon abhängig, ob der jeweilige Gegenstand vom Kulturgüterbegriff des Gesetzes zum Schutze des Deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung vom 6. August 1955 (BGBl. I S. 501) erfasst wird. Vielmehr wurde eine entsprechende engere Regelung, wie sie im Regierungsentwurf (BTDrs. 12/4887 S. 13) und in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BTDrs. 12/7588 S. 14) vorgesehen war, nicht übernommen und durch die geltende weite Gesetzesfassung ersetzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. November 2000 – 1 BvR 1120/95 – a.a.O.). Er umfasst deshalb bewegliche Gegenstände und Sammlungen von religiösem, künstlerischem, kulturellem, historischem, archäologischem und urkundlichem oder wissenschaftlichem Wert, sowie Gegenstände, die sich üblicherweise in religiösen Institutionen, Museen, öffentlichen oder privaten Sammlungen, Bibliotheken oder Archiven befinden.

Hiervon ausgehend bestehen hinsichtlich der fraglichen Buchbestände keine Zweifel, dass es sich um Kulturgüter handelt. Die Bücher werden seit den 60iger Jahren in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in W. aufbewahrt und befinden sich im Besitz der Stiftung W., der Beigeladenen. Sie werden einem interessierten Fachpublikum auch im Wege der Fernleihe zur Verfügung gestellt. Der Bezug zu einer historischen Persönlichkeit mit jedenfalls regionalem Bezug liegt auf der Hand. In diesem Zusammenhang bekundete der sachverständige Zeuge von T., dass es sich bei dem streitigen Bibliotheksbestand um die Privatbibliothek des Fürstenhauses R. in E. handelt und die entsprechenden literarischen Neigungen des Fürstenhauses wiederspiegeln. Dass es sich nach den Angaben des Zeugen von T. um die Privatbibliothek des Erbprinzen R., H. des XLV, handelt, steht der Annahme, dass es sich bei dem betreffenden Buchbestand um Kulturgut handelt nach den genannten Maßstäben nicht entgegen. Dies gilt auch dann, wenn, wovon auch die Kammer ausgeht, die Buchbestände nur lückenhaft vorhanden sind und deshalb, wie der Zeuge von T. bekundete, nur Rückschlüsse auf bestimmte Fachrichtungen zulassen, die im Fürstenhaus von Interesse waren. Darüber hinaus bekundete der Zeuge, dass es trotz des lückenhaften Bestandes möglich ist, gewisse Rückschlüsse auf künstlerische oder wissenschaftliche Interessen des Fürstenhauses zu ziehen. Ferner ist es nach seiner Einschätzung auch möglich, auf Grund der derzeitigen Bestände wissenschaftliche Schlüsse entsprechender Art zu ziehen. Deshalb ist es unerheblich, dass der Zeuge von T. andererseits den wissenschaftlichen Wert der Bibliothek auf Grund seiner Lückenhaftigkeit nicht besonders hoch einschätzt. Der Zeuge Dr. K. bestätigte in diesem Zusammenhang, dass es sich bei dem Bestand um eine homogene Einheit handele, die in ihrer Geschlossenheit ein typisches Beispiel einer Adelsbibliothek darstelle.

Hiervon ausgehend ist auch die Feststellungsklage nicht begründet. Es wird insoweit auf die vorstehende Begründung verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Darüber hinaus entspricht es der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für nicht erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und damit auch nicht am Kostenrisiko teilgenommen hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § § 708 Nr. 11, 711 ZPO

Die Berufung gegen dieses Urteil ist ausgeschlossen (§ 6 AusglLeistG i.V.m. § 37 Abs. 2 VermG).

Die Revision ist gemäß § 135 VwGO nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 132 Abs. 2 VwGO nach Auffassung der Kammer nicht vorliegen.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wir auf 4084 € festgesetzt (§ 13 Absatz 1 Satz 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 Satz 1 VermG).

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