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Gericht: Verwaltungsgericht Berlin

Entscheidungsdatum: 11.02.2005

Aktenzeichen: 60 A 34.04

Entscheidungsart: Beschluss

Eigenes Abstract: Anlässlich der Videoüberwachung in der neu errichteten Universitätsbibliothek verlangt der Antragsteller, ein Beteiligungsverfahren durchzuführen. Er sieht sein Mitbestimmungsrecht verletzt, da die Videokameras dokumentieren können, welcher Mitarbeiter wann den Lesesaals oder das Dienstgebäude betritt oder verlässt.

Instanzenzug:
– VG Berlin vom 11.02.2005, Az. 60 A 34.04
OVG Berlin-Brandenburg vom 28.02.2006, Az. 60 PV 19.05
BVerwG vom 26.09.2006, AZ 6 PB 10/06

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gem. § 85 Abs. 1 Nr. 13 PersVG dadurch verletzt hat, dass er im Bereich der Universitätsbibliothek Videokameras installiert hat, ohne zuvor ein Beteiligungsverfahren durchzuführen.
2.
Der Wert für die anwaltliche Gebührenberechnung wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Bei dem Beteiligen wurde ein neues Gebäude für die Universitätsbibliothek errichtet.

Dieses Gebäude hat einen Benutzereingang und einen Zugang zu einem Vorlesungsbereich von der Fstraße her. Gegenüberliegend befindet sich ein Eingang, der nur für Bedienstete benutzbar ist. Der engere Lesebereich ist zur Fstraße hin durch eine Glaswand und zur gegenüberliegenden Seite durch eine Rigipswand abgegrenzt. Der Besucherzugang zu dem engeren Lesebereich wird durch ein Portal abgesichert, das ein nicht entsichertes Buch anzeigt und Alarm auslöst. Weiter befinden sich aus dem Lesebereich mehrere Fluchtnottüren. Über sämtlichen Türen befinden sich Kameras.

Bei der Begehung des Gebäudes stellte der Antragsteller dies fest. Mit Schreiben vom 5. Oktober 2004 forderte er den Beteiligten daraufhin auf, ein Mitbestimmungsverfahren durchzuführen.

Mit Schreiben vom 15. Oktober und 9. November 2004 teilte der Beteiligte mit, eine Beteiligung sei nicht notwendig, da die Kameras nicht dazu dienten, Mitarbeiter der Bibliothek oder der Universität aufzunehmen, sondern nur außerhalb der Dienstzeiten in Betrieb seien, oder tagsüber, wenn die Entriegelung von Türen ohne Schlüssel vorgenommen würde.

Daraufhin hat der Antragsteller das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet.

Er vertritt die Ansicht, dass eine Beteiligungspflicht sich aus § 85 Abs. 1 Nr. 13 PersVG bereits dann ergebe, wenn eine technische Anlage grundsätzliche geeignet sei, Daten zu erfassen, die eine spätere Kontrolle des Ordnungs- oder Leistungsverhaltens ermöglichten.

Der Antragsteller beantragt, festzustellen, dass der Beteiligte sein Mitbestimmungsrecht dadurch verletzt hat, dass er im Bereich der Universitätsbibliothek Videokameras installiert hat, ohne zuvor eine Beteiligungsverfahren durchzuführen.

Der Beteiligte beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er vertritt folgende Ansicht: Zwar sei es richtig, dass nach der Rechtsprechung ein Mitbestimmungstatbestand bereits dann vorliege, wenn eine Anlage objektiv zur Überwachung von Bediensteten geeignet sei. Allein die abstrakte Möglichkeit reiche aber nicht aus, da sonst der Wortlaut unzulässig ausgedehnt würde. Es müsste vielmehr bei der Interpretation der Norm deren Schutzzweck herangezogen werden. Im vorliegenden Fall seien die Videokameras als Komponenten der Einbruchsanlage ausschließlich zum Schutze vor Angriffen auf das Eigentum der Universität eingerichtet worden, nicht jedoch, das Personal zu überwachen. Nach der subjektiven Zielsetzung seinen die Kameras nicht zur Überwachung des Personals installiert worden.

In der Anhörung hat der Beteiligte die Funktion der Kameras näher erläutert: Die Kamera, die den Eingangsbereich abdecke, werde nur durch einen Alarm des Buchsicherungsportals ausgelöst. Die Kameras über den Fluchttüren würden nur ausgelöst, wenn eine der Türen unbefugt geöffnet würde. Die Kamera über den Eingang für Bedienstete würde auch nur ausgelöst, wenn eine der Fluchttüren aus dem Inneren des Lesebereichs unberechtigt geöffnet würde. Während die Kamera über den Eingang zum engeren Lesebereich nachts ausgeschaltet sei, seinen die übrigen Kameras so geschaltet, dass sie in Betrieb gingen, wenn eine der Außentüren ungerechtfertigt geöffnet würde. Die Regelungen könnten vom Platz des Pförtners im Eingangsbereich beeinflusst werden. Durch eine dienstliche Weisung sei es ihm aber untersagt, eine andere Steuerung vorzunehmen.

II. Der Antrag ist begründet.

Der Beteiligte hat das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 85 Abs. 1

Nr. 13 PersVG dadurch verletzt, dass er in der neu errichteten Universitätsbibliothek die Videoüberwachung installiert und in Betrieb genommen hat, ohne zuvor ein Beteiligungsverfahren durchzuführen. Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat mit, bei der Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistungen der Dienstkräfte zu überwachen.

Zutreffend gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht nur dann vorliegen, wenn der Dienststellenleiter die Absicht hat, die Einrichtung zu einem Überwachungszweck einzusetzen, sondern bereits dann, wenn sie objektiv hierzu geeignet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1987, 6 P 32/84, PersV 1989, 68; BAG, Beschluss vom 9. September 1975, 1 ABR 20/74, NJW 1976, 261). Diese Auslegung folgt zwar nicht unmittelbar dem Wortlaut der Norm, steht zu ihr aber auch nicht in Widerspruch. Entscheidend für die Auslegung der Vorschrift ist deren Schutzzweck. Dieser ist darauf gerichtet, den von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle für den Persönlichkeitsschutz der Beschäftigten ausgehenden Gefahren durch eine gleichberechtigte Beteiligung der Personalvertretung zu begegnen. Dem Beteiligen ist zuzugeben, dass aber nicht die Inbetriebnahme jeder objektiv zur Überwachung geeigneten Anlage ein Mitbestimmungsrecht auslöst. Aus dem genannten Schutzzweck der Norm ergibt sich, dass auch die Sicht der Beschäftigten zu berücksichtigen ist. Daher ist objektivfinal darauf abzustellen, ob eine Anlage aus der Sicht eines objektiven Betrachters – losgelöst von den subjektiven Vorstellungen des Dienststellenleiters – zur Überwachung der Leistungen und des Verhaltens der Beschäftigten „geeignet“ und daher grundsätzlich „bestimmt“ ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. September 1992, 6 P 26/90, PersR 1993, 28).

Die Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere die Kameras, die auf den Publikumszugang zum engeren Lesebereich und den Zugang für die Bediensteten gerichtet sind, können auch aus der Sicht eines objektiven Betrachters eine Überwachung jedenfalls des Verhaltens der Beschäftigten befürchten lassen. Diese Kameras können danach wie sie angebracht sind, jederzeit dokumentieren, welcher Bedienstete wann den engeren Bereich des Lesesaals oder das Dienstgebäude betritt oder verlässt. Diese Überwachungsfunktion ist auch gegenwärtig und ohne eine Änderung der technischen Anlage oder der Software möglich. Der Beteiligte hat selbst eingeräumt, dass selbst der Pförtner im Eingangsbereich in der Lage wäre, die Aufzeichnungsvorgaben zu ändern. Irgend welche Sicherungen, die auch für den Dienststellenleiter nur schwer und mit größerem Aufwand abänderbar wären, liegen nicht vor (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. September 1992, a. a. O.).

 


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