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Gericht: Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 13.11.1997

Aktenzeichen: 1 StR 323/97

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Der Verwaltungsdirektor einer Fachhochschule wird zu einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte sich in neun Fällen wegen Bestechlichkeit und in drei Fällen wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht. Er hatte mit einer Buchhandlung höhere Rabatte ausgehandelt und die Differenz auf sein Privatkonto verbucht.

weitere Informationen:
BGH, Mitteilung vom 13.11.1997

Instanzenzug:
– LG Offenburg vom 11.11.1996, Az. 13 Js 1/94 – 13 KLs 1/95
– BGH vom 13.11.1997, Az. 1 StR 323/97

Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit dem Angeklagten im Fall II.2. der Gründe des Urteils des Landgerichts O. vom 11. November 1996 die Annahme von Vorteilen zur Last gelegt wird, die ihm vor dem 20. Januar 1989 zugeflossen sind.
Insofern fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.
II. Auf die Revision des Angeklagten wird das genannte Urteil im Fall II.2. der Urteilsgründe im übrigen sowie im gesamten Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
III. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
IV. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Bestechlichkeit in neun Fällen und Urkundenfälschung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte, soweit er verurteilt wurde, mit der Sachrüge, einer auf Fall II.2. der Urteilsgründe bezogenen Verfahrensrüge und dem Hinweis auf Strafverfolgungsverjährung wegen eines Teils der in diesem Fall abgeurteilten Tathandlungen. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.
I.
1.
Dem Angeklagten liegen Taten zur Last, die er als Regierungsrat in der Funktion des Verwaltungsdirektors der Fachhochschule O. begangen haben soll.
a) Nach den Feststellungen suchte der Angeklagte wegen der schlechten Finanzausstattung der Bibliothek der Fachhochschule nach einem Lieferanten für Fachbücher, der einen Rabatt gewähren würde, welcher über den nach § 16 GWB zulässigen vertraglichen Preisbindungen der Händler höchstmöglichen Preisnachlaß für Hochschulen von fünf vom Hundert hinausgehen würde. Er vereinbarte mit der Geschäftsführerin der Buchhandlung S. einen Rabatt für Bestellungen der Hochschule von 16 vom Hundert, für Bestellungen von Fachhochschulangehörigen einen solchen von 13 vom Hundert; der Angeklagte selbst sollte 16 vom Hundert Preisnachlaß für eigene Bestellungen erhalten. Alle Rabatte sollten an ihn gezahlt und zur Verschleierung des Verstoßes gegen die vertragliche Preisbindung als Vermittlungsprovision bezeichnet, aber an die Besteller abgeführt werden.
Der Angeklagte hatte anfangs „die Absicht, damit ausschließlich der Fachhochschule und deren Mitgliedern finanzielle Vorteile zu verschaffen“. Er bestellte von 1977 bis zum Mai 1993 aufgrund der Rabattvereinbarung Bücher bei der Firma S. Im Jahr 1982 forderte er von dieser, daß die Rabatte auf ein privates Konto überwiesen werden sollten. Dadurch wollte er „einerseits noch besser als bisher die Entdeckungsmöglichkeit des Verstoßes gegen die Preisbindung der Buchhandlung verhindern“; andererseits wollte er die Verfügungsmöglichkeit über die eingehenden Beträge auch für eigene private Zwecke nutzen“, wovon er in der Folgezeit auch Gebrauch machte. „Ihm kann nicht widerlegt werden, daß er anfänglich noch vorhatte, jeweils für einen Ausgleich zu sorgen und auf längere Sicht diejenigen Beträge, die der Fachhochschule als ‚versteckte Rabatte‘ zustanden, ihr durch entsprechende Bareinzahlungen bei der Zahlstelle auch zukommen zu lassen.“ Er zahlte die ihm überwiesenen Beträge aber „weder zeitnah noch in entsprechender Höhe“, sondern in ‚glatten‘ Beträgen ein und bezeichnete diese als Spenden eines Fördervereins. In 8 Fällen wurden ihm so ab dem 22. September 1989 – jedenfalls für jeden einzelnen Fall in nicht verjährter Zeit – insgesamt 53.291,99 DM an Rabatten für Bibliotheksbestellungen überwiesen, von denen er 45.500 DM an die Fachhochschule weiterleitete.
b) Die Firma L. GmbH führte Reinigungsarbeiten für die Fachhochschule durch. Deren Geschäftsführer fürchtete aufgrund von Beanstandungen der Reinigungsarbeiten um den Fortbestand des Vertragsverhältnisses. Der Angeklagte bot ihm an, die Firma L. zu beraten. Er wollte nicht in ein Beschäftigungsverhältnis treten, sondern sich eine laufende Nebeneinnahme als Gegenleistung dafür verschaffen, daß er von der Weiterleitung von Beanstandungen an das für den Vertragsschluß und die Kündigung zuständige Liegenschaftsamt in seiner Eigenschaft als Verwaltungsdirektor absehen und nicht selbst eine Kündigungserklärung aussprechen würde. Die Firma L. nahm dieses Angebot an. Daraufhin wurden dem Angeklagten von Januar 1984 bis März 1992 monatlich 390 DM, von April 1992 bis November 1992 monatlich 393 DM überwiesen.
c) Die Ehefrau des Angeklagten war als Schreibkraft für die Fachhochschule in Heimarbeit tätig. Ihre tägliche Arbeitszeit betrug nach dem Arbeitsvertrag drei Stunden. Der Personalrat war darum besorgt, daß sie gegenüber anderen Beschäftigten bevorzugt werde. Bei der Prüfung ihrer Weiterbeschäftigung wurde der Personalrat vom Rektor angehört. Dessen Schreiben bezüglich der „Weiterbeschäftigung von Frau Lu. als Schreibkraft im Umfang von täglich zwei Stunden“ war vom Angeklagten bewußt unrichtig aufgesetzt worden. Dem Rektor fiel dies nicht auf. Der Personalrat stimmte der Weiterbeschäftigung in dem im Schreiben genannten Umfang zu. Zwischen dem 12. und 14. Januar 1987 änderte der Angeklagte die Bezeichnung der täglichen Arbeitszeit seiner Ehefrau sowohl in der Abschrift des Schreibens des Rektors als auch in der Zustimmung des Personalrats so, daß der Anschein erweckt wurde, es sei von einer täglichen Arbeitszeit von drei Stunden die Rede gewesen. Aufgrund der verfälschten Unterlagen unterzeichnete der Rektor den Arbeitsvertrag mit der Arbeitszeitbestimmung für drei Stunden. Wegen einer Beanstandung durch den Personalratsvorsitzenden legte der Angeklagte diesem im Frühjahr 1989 eine Fotokopie des verfälschten Schreibens des Rektors aus dem Jahre 1987 vor, um damit den angeblichen Inhalt der früheren Vereinbarung zu beweisen.
2. Das Landgericht hat angenommen, bei den acht Überweisungen der Firma S. an den Angeklagten (Tatkomplex II.1. der Urteilsgründe) habe es sich um Vergehen der Bestechlichkeit gehandelt. Der Angeklagte habe durch Verleitung der Buchhandlung S. zum Bruch der Preisbindungen seine Dienstpflichten verletzt. Dafür habe er einen Vorteil erlangt. Zwar erfüllten Zuwendungen, die Dritten zugute kommen, diese Voraussetzung nicht. Jedoch habe er durch Entgegennahme der Überweisungen auf sein Privatkonto Vorteile in Form der Verfügungsmöglichkeit über das Bankguthaben erlangt.
Die Annahme der Zahlungen der Firma L. (Tatkomplex II.2. der Urteilsgründe) seien Einzelakte einer Bestechlichkeit. Es liege eine natürliche Handlungseinheit vor. Die Strafverfolgung sei deshalb nicht für Einzelakte verjährt.
Bei den Urkundenfälschungen (Tatkomplex II.3. der Urteilsgründe) handele es sich, da drei Urkunden gefälscht wurden, um drei rechtlich selbständige Handlungen.
3. Die Revision beanstandet mit der Sachrüge die Verurteilung wegen Bestechlichkeit in acht Fällen im Tatkomplex II.1.. Im Tatkomplex II.2. liege keine natürliche Handlungseinheit vor. Daher sei Strafverfolgungsverjährung bezüglich aller vor dem 20. Januar 1989 beendeten Handlungen eingetreten. Gegen die verbleibende Verurteilung wendet sich die Revision mit einer Verfahrensrüge wegen Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO. Gegen die Verurteilung wegen Urkundenfälschung in drei Fällen im Tatkomplex II.3. macht sie mit der – in der Verhandlung vor dem Senat modifizierten – Sachrüge geltend, daß nur zwei Taten vorlägen.
II.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Bestechlichkeit in acht Fällen im Tatkomplex II.1. der Urteilsgründe ist rechtsfehlerfrei.
Der Angeklagte hat durch die Entscheidung, Bücher bei der Firma S. zu bestellen, weil diese unter Bruch eigener Vertragsbindungen überhöhte Preisnachlässe gewährte und die Beträge ihm selbst zu unkontrollierter eigener Verfügung überließ, seine Dienstpflichten verletzt. Er hat bei der zu treffenden Ermessensentscheidung (vgl. Jescheck in LK StGB 11. Aufl. § 332 Rdn. 7; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 332 Rdn. 5) über die Auswahl des Lieferanten auf den Wettbewerb Einfluß genommen, ohne daß dies im öffentlichen Interesse dringend geboten gewesen wäre. Bereits dies war eine sachfremde Erwägung, deshalb war seine Auswahlentscheidung ermessensfehlerhaft und damit dienstpflichtwidrig. Auf die weitere Frage, ob auch die Berücksichtigung der beabsichtigten Vorteilsverschaffung bei der Auswahlentscheidung ein Pflichtverstoß des Amtsträgers sein kann (abl. BGHSt 15, 239, 241 ff.; Jescheck aaO m.w.Nachw.), kommt es daher hier nicht mehr an.
Der Angeklagte hat als Gegenleistung für seine pflichtwidrige Diensthandlung einen Vorteil angenommen. Vorteil im Sinne des § 332 StGB ist jede Leistung, auf die der Amtsträger keinen Anspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder auch nur persönliche Lage objektiv verbessert (vgl. BGHSt 31, 264, 279; 33, 336, 339; 35, 128, 133). Diese Leistung muß nach dem zur Tatzeit geltenden Recht (§ 332 StGB aF) für den Amtsträger selbst eine Besserstellung zur Folge haben (BGH aaO, ferner BGHSt 14, 123, 127; anders nunmehr § 332 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997, BGBl. I S. 2036). Nach den Feststellungen hat der Angeklagte hier jedenfalls durch die von ihm angestrebte und von seiner Vertragspartnerin hingenommene Möglichkeit zur unkontrollierten Verfügung über das seinem privaten Baukonto jeweils vereinbarungsgemäß gutgeschriebene Buchgeld einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil erlangt (vgl. BGHSt 35, 128, 135; Tröndle, StGB 48. Aufl. § 332 Rdn. 11a). In einer solchen Liquiditätserweiterung liegt im vorliegenden Fall ein eigener wirtschaftlicher Vorteil, der Gegenstand der Unrechtsvereinbarung mit der Firma S. gewesen war.
2. a) Im Fall II.2. der Urteilsgründe ist das Landgericht zu Unrecht von einer natürlichen Handlungeinheit der monatlichen Zahlungen ausgegangen (vgl. BGH NStZ-RR 1996, 354 = BGHR StGB vor § 1 Serienstraftaten Bestechung 1).
Zwar geht die Annahme der monatlichen Zahlungen der Firma L. auf eine einheitliche Unrechtsvereinbarung zurück. Doch besitzen die einzelnen Handlungen der Annahme der Vorteile insbesondere dann, wenn die Laufzeit der Vorteilsgewährung offen ist, die Vorteilsgewährung also „open-end“-Charakter trägt, eigenständiges Gewicht. Die ihnen einheitlich zugrundeliegende Unrechtsvereinbarung verklammert diese Handlungen nicht zur tatbestandlichen Handlungseinheit (BGHSt 41, 292, 302 f.; BGH NStZ 1995, 92). Dies wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn bereits in der Unrechtsvereinbarung eine Gesamtsumme der zu leistenden Vorteile festgelegt worden wäre und diese in Teilleistungen erbracht würden. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die monatlichen Zahlungen sollten erfolgen, solange der Dienstvertrag Bestand haben würde; auf dessen Fortbestand sollte der Angeklagte hinwirken. Damit war jedoch die Gesamtsumme der Leistungen an den Angeklagten bei Abschluß der Unrechtsvereinbarung noch nicht absehbar. Jede einzelne Vorteilsannahme bildet deshalb eine selbständige Straftat. Diese unterliegt gesondert der Strafverfolgungsverjährung.
Die Annahme einer fortgesetzten Handlung, die zu einer Gesamtverjährung führen könnte, kommt nach den Grundsätzen von BGHSt 40, 138 ff. auch für Bestechungsdelikte nicht mehr in Betracht (BGHSt 41, 292, 302; BGH NStZ 1995, 92).
Demnach ist die Strafverfolgung wegen aller einzelnen Bestechlichkeitshandlungen verjährt, die vor dem 20. Januar 1989 beendet wurden. Die erste Unterbrechungshandlung im Sinne der Verjährungsbestimmungen war der Erlaß eines Durchsuchungsbeschlusses am 20. Januar 1994. Wegen der vor jenem Zeitpunkt genannten Taten stellt der Senat das Verfahren wegen des Verfahrenshindernisses der Strafverfolgungsverjährung ein.
b) Im übrigen muß der Schuldspruch neu gefaßt werden. Welche der genannten rechtlich selbständigen Handlungen als Vorteilsannahme und welche als Bestechlichkeit anzusehen sind, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Dies bedarf daher auf die Sachbeschwerde des Angeklagten neuer Prüfung. Auf die von ihm zusätzlich erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.
3. Die Verurteilung wegen Urkundenfälschung in drei Fällen ist nicht zu beanstanden.
Das Verfälschen der beiden Schreiben durch den Angeklagten im Jahre 1987 erfolgte durch verschiedene tatbestandsmäßige Handlungen. Ob die – engen – Voraussetzungen einer natürlichen Handlungseinheit vorliegen (BGH, Urt. vom 25. September 1997 – 1 StR 481/97 m.w.Nachw.), unterliegt in Grenzfällen tatrichterlicher Wertung. Hier ist der Entscheidung des Landgerichts ein Rechtsfehler bei dieser Wertung nicht zu entnehmen.
Das im Jahre 1989 erfolgte Gebrauchmachen des Angeklagten von einer dieser verfälschten Urkunden stellt gegenüber der Verfälschung derselben Urkunde eine rechtlich selbständige Handlung dar (§ 53 Abs. 1 StGB). Herstellen einer falschen Urkunde oder Verfälschen einer echten Urkunde und Gebrauchmachen hiervon sind nach der Rechtsprechung grundsätzlich rechtlich selbständige Handlungen (BGHSt 17, 97, 99 f.; BGH, Urt. vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96), sofern keine fortgesetzte Handlung oder natürliche Handlungseinheit vorliegt. Ersteres Rechtsinstitut ist – auch für die Urkundenfälschung (BayObLG wistra 1996, 236, 237) – mit BGHSt 40, 138 ff. entfallen, letzteres greift hier ersichtlich nicht ein.
III.
Der Strafausspruch ist aufzuheben, soweit im Fall II.2. der Urteilsgründe unter Wegfall einzelner Taten im Umfang der Strafverfolgungsverjährung wegen Tatmehrheit der Vergehen nunmehr Einzelstrafen zu bilden sind. Diese dürfen jeweils und hinsichtlich der daraus (hypothetisch) zu bildenden Gesamtstrafe die frühere Einzelstrafe nicht übersteigen (vgl. BGHSt 14, 5, 7; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 5).
Bei Tatmehrheit kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Aufhebung eines Einzelstrafausspruchs zur Aufhebung weiterer, für sich genommen rechtsfehlerfreier Strafaussprüche führen, wenn nicht auszuschließen ist, daß diese durch den Rechtsfehler im Ergebnis beeinflußt sind (BGH NJW 1979, 378; 1981, 2204, 2206; StV 1984, 204). Dies kann insbesondere dann gelten, wenn es sich bei der rechtsfehlerhaft festgesetzten Einzelstrafe um die höchste Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) handelt oder wenn die abgeurteilten Taten in einem engen inneren Zusammenhang stehen (BGH, Urt. vom 16. Mai 1995 – 1 StR 117/95). Beides ist hier der Fall.

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