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Gericht: Oberlandesgericht Köln

Entscheidungsdatum: 21.12.2007

Aktenzeichen: 81 Ss 111/07

Entscheidungsart: Beschluss

eigenes Abstract: Ein angeklagter Universitätsprofessor, der wertvolle Altbestände aus einer Hochschulbibliothek entwendet und weiterveräußert hatte und deshalb wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten strafrechtlich verurteilt wurde, legt Revision gegen das Urteil des Landgerichts ein.
Seine Rüge, in seinem Beweisantragsrecht verletzt worden zu sein, wird zurückgewiesen, da sich die gerichtliche Pflicht zur Beweiserhebung nicht aufs Geratewohl angestellte Vermutungen des Angeklagten erstreckt. Das Gericht führt weiterhin aus, dass es Buchkäufern auf einer Antiquariatsauktion normalerweise nicht gleichgültig ist, ob sie das Eigentum an den ersteigerten Werken erwerben.

Instanzenzug:
– AG Bonn vom 18.01.2006, Az. 66 Ls B 10/04
LG Bonn vom 17.01.2007, Az. 36 B 3/06
– OLG Köln vom 21.12.2007, Az. 81 Ss 111/07


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bonn vom 17. Januar 2007 wird als unbegründet verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe
Der Angeklagte, der in der Zeit von 1974 bis 1982 an der G-Universität in C die Fächer Germanistik, Soziologie und Politische Wissenschaften studiert hat und anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent tätig war, habilitierte im Jahre 1989. Seit 1994 ist er Universitätsprofessor C 4 für das Fachgebiet
Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 18. Januar 2006 wegen Betruges in sechs Fällen, davon einmal versucht, und wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Hiergegen haben sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.
Das Landgericht Bonn hat mit Urteil vom 17. Januar 2007 beide Rechtsmittel mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Betruges, versuchten Betruges und Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wird.
Zum Tatgeschehen hat die Kammer im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte ließ in der Herbstauktion 1997 des Auktionshauses T in L fünf historische Bücher (erschienen zwischen 1573 und 1680) verschiedener Autoren versteigern, welche er zuvor (in rechtsverjährter Zeit) aus dem Bestand der Universitätsbibliothek C entwendet und zum Zwecke der Verschleierung der Diebstähle gegen von ihm in aufwändiger Weise „bearbeitete“ andere Bücher (sog. Placebos) ausgetauscht hatte. Auf diese Weise erlöste er von fünf verschiedenen Erwerbern Kaufpreise zwischen 350 DM und 13.000 DM (insgesamt 26.150 DM). Zur Herbstauktion des Jahres 2002 lieferte der Angeklagte weitere drei von ihm aus der Universitätsbibliothek entwendete Werke (erschienen zwischen 1593 und 1704) ein, zu deren Versteigerung es wegen der zwischenzeitlich gegen ihn eingeleiteten Ermittlungen nicht mehr gekommen ist. Insgesamt hatte der Angeklagte im Zeitraum von 1988 bis 1997 bei dem genannten Auktionshaus 80 Werke versteigern lassen, die sämtlich titelmäßig Exemplaren entsprachen, die auf die vorbeschriebene Weise aus der Universitätsbibliothek C entwendet worden waren. Der Angeklagte ließ durch seinen früheren Verteidiger mit Schriftsätzen vom 18. Oktober 2002 und 16. September 2003 eine Reihe von gefälschten Unterlagen (Quittungen, Rechnungen sowie Schriftverkehr) zu den Akten reichen, um damit gegenüber den Ermittlungsbehörden den angeblich rechtmäßigen Erwerb der gestohlenen Bücher nachzuweisen.
Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 11. Juli 2007 Revision eingelegt, die er mit weiterem Schriftsatz vom 6. September 2007 begründet hat. Er rügt darin die Verletzung von materiellem und formellem Recht.

II.
Das form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Die Überprüfung des Berufungsurteils aufgrund der Revisionsbegründung ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.
1.
Der näheren Erörterung bedarf insoweit nur die Rüge, das Landgericht habe im Urteil einen in der Hauptverhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag zu Unrecht zurückgewiesen und damit sowohl gegen § 244 Abs. 3 StPO verstoßen als auch seine Aufklärungspflichten gemäß § 244 Abs. 2 StPO verletzt.
a)
Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:
Der Verteidiger hat in seinem Schlussplädoyer für den Fall, dass das Gericht davon ausgeht, die Erwerber der Bücher seien über deren Herkunft getäuscht worden und irrtumsbedingt davon ausgegangen, Eigentum an den versteigerten Büchern zu erwerben, die Vernehmung der jeweiligen Ersteigerer, der Zeugen B, U, D, H und des verantwortlichen Erwerbers für die Firma C1 beantragt. Dazu hat er behauptet, sämtliche Zeugen, bei denen es sich bis auf den Zeugen H um Antiquare bzw. Händler handeln soll, hätten sich keine Vorstellung darüber gemacht, ob der Einlieferer oder Auktionator verfügungsbefugt gewesen sei. Sie hätten stets damit gerechnet, beim Erwerb eines Buches auf der Auktion der Firma T kein Eigentum an dem ersteigerten Buch zu erlangen, weil das Buch einem Vorbesitzer abhanden gekommen wäre. Weiter heißt es im Beweisantrag, die Zeugen würden bekunden, dass das jeweils von ihnen ersteigerte Buch (ausgenommen der Privatersteher H) ausschließlich zum Zwecke der Weiterveräußerung ersteigert worden sei; sämtlichen Zeugen sei bekannt und bewusst gewesen, dass im Handel und bei Auktionen eine Vielzahl von Büchern angeboten würden, die einem Vorbesitzer abhanden gekommen seien und an denen man kein Eigentum erwerben könne. Die Zeugen hätten sich keine Vorstellung darüber gemacht, ob das Buch abhanden gekommen sei oder ob der Einlieferer oder der Auktionator über das Buch tatsächlich verfügungsbefugt oder übertragungsbefugt gewesen sei. Beim Erwerb alter Bücher rechneten sie stets damit, rechtlich kein Eigentum an dem Buch zu erwerben.
Das Landgericht hat die beantragte Beweiserhebung mit der Begründung abgelehnt, die Beweisbehauptungen seien ins Blaue hinein („aufs Geratewohl“) erfolgt, was im angefochtenen Urteil näher ausgeführt wird.
b)
Die auf die Verletzung des Beweisantragsrechts gestützte Rüge greift nicht durch. Die Kammer ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass ein nach der Vorschrift des § 244 Abs. 3 StPO zu beurteilender Beweisantrag nicht vorgelegen hat.
Zwar ist ein Prozessbeteiligter häufig gezwungen, eine bestimmte Beweistatsache zu behaupten, von deren Vorliegen er selbst nicht überzeugt ist. Dem Antragsteller kann es daher grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen unter Beweis zu stellen, die er lediglich für möglich hält (vgl. BGH NStZ 2006, 405) oder nur vermutet (BGHR StPO § 244 VI Beweisantrag 2; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 244 Rn 20 – jeweils m.w.N.). Jedoch besteht das Recht, Vermutungen in Beweisbehauptungen zu kleiden und so das Gericht zu ergänzenden Beweisaufnahmen zu zwingen, nicht schrankenlos. Würde man jede Möglichkeit der zufälligen Übereinstimmung einer aus der Luft gegriffenen, aufs Geratewohl angestellten Vermutung mit der Wirklichkeit als hinreichenden Grund für eine Beweistätigkeit des Gerichts genügen lassen, würde die Pflicht zur Beweiserhebung uferlos (vgl. Senat, VRS 73, 208; NStZ-RR 1997, 309, 310, Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl., S. 45; Herdegen, StV 1990, 518 ff.). Ein lediglich der Phantasie entsprungener freischwebender Satz, die aufs Geratewohl aus der Luft gegriffene Aussage kann nicht als Beweisbehauptung dienen (Schoreit in: Karlsruher Kommentar StPO, 5. Aufl., § 244 Rdnr. 44 m.w.N.). Es ist daher grundsätzlich anerkannt, dass das Gericht einem Beweisantrag dann nicht nachgehen muss, wenn jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, dass der Antragsteller die Erweisbarkeit der behaupteten Tatsache wenigstens für möglich hält (BGH NStZ 1989, 334 ff.; 1992, 397 ff.; 2004, 51; 2006, 405; KG VRS 101, 42; OLG Hamburg, StV 1999, 81, 82;; vgl. auch Meyer-Goßner a.a.O.; Löwe/Rosenberg-Gollwitzer, StPO, 5. Aufl., § 244 Rdnr. 104). Mit der einen „hohen argumentativen Aufwand erfordernden Begründung“ (BGH NStZ 2004, 51) darf die Beweiserhebung allerdings nur dann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bei einer solchen Sachlage auf Befragen keine plausible Antwort über seine Wissensquellen oder die Gründe für seine Vermutung geben kann (BGH StV 1985, 311; Meyer-Goßner a.a.O.).
Gemessen daran erfüllte das Beweisbegehren des Verteidigers nicht die Voraussetzungen, die an einen Beweisantrag zu stellen sind.
Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass es einem Erwerber im Rahmen einer Versteigerung in aller Regel nicht gleichgültig ist, ob er durch den Zuschlag das Eigentum erwirbt oder diese Rechtsfolge deswegen nicht eintreten kann, weil es sich um gestohlene Ware handelt. Es ist gerade Sinn eines auf Eigentumsverschaffung gerichteten (entgeltlichen) Rechtsgeschäfts, dass es vollständig und ordnungsgemäß erfüllt wird. Eine Einstellung, wie sie den Erstehern im Antrag unterstellt wird, widerspricht dagegen der üblichen Erwartung, gleich ob im Rahmen eines Kaufgeschäfts oder einer (privatrechtlichen Regeln unterliegenden) Versteigerung.
Dabei macht es entgegen der Auffassung der Revision keinen Unterschied, ob jemand eine Sache für sich selbst oder zum Zweck der Weiterveräußerung erstehen will. Auch in letzterem Fall hat der Ersteher ein Interesse daran, Berechtigter zu werden, was schon daraus folgt, dass er seinerseits gegenüber seinem späteren Vertragspartner in wirksamer Weise zu erfüllen hat. Nicht ohne Grund musste der Angeklagte dem Versteigerungshaus T ausdrücklich zusichern, dass er bezüglich der eingelieferten Bücher verfügungsberechtigter Eigentümer war. Damit sind die (üblichen) Vorstellungen und Erwartungen auch für den Kunsthandel eindeutig festgeschrieben worden.
Indem der Angeklagte sämtlichen Erwerbern mit jeweils identischer Begründung die gleiche Haltung unterstellt, ohne dabei zwischen den einzelnen Personen, bei denen es sich teils um gewerblich Handelnde, teils um private Ersteigerer handelt, zu differenzieren, hat er zum Ausdruck gebracht, dass sein Beweisbegehren in Wirklichkeit nicht auf die konkreten Vorstellungen und Erwartungen der jeweiligen Erwerber abzielte. Es ging ihm vielmehr ersichtlich um den Nachweis eines Erfahrungssatzes des Inhalts, dass für den Ersteher eines historischen Buches das Eigentum des Veräußerers immer ohne Bedeutung sei. Eine solche pauschalisierende Beweisbehauptung widerspricht angesichts des oben Gesagten umso mehr der Lebenserfahrung und ist daher noch weniger plausibel. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Existenz eines solchen Erfahrungssatzes sind auch weder im Beweisantrag vorgetragen worden, noch hat der Angeklagte, nachdem ihm in der Hauptverhandlung dazu Gelegenheit gegeben worden war (vgl. BGH StV 1985, 311), seine eventuellen Erkenntnisquellen mitgeteilt. Aus dem Umstand, dass der Verteidiger eine entsprechende Nachfrage der Kammer nicht beantwortet hat, kann nur der Schluss gezogen werden, dass der Angeklagte (wohlweislich) mit keinem der Erwerber Kontakt aufgenommen und ihn zu dessen Vorstellungen befragt hatte. Dem Landgericht ist schließlich auch darin beizupflichten, dass jemand, der sich keine Gedanken über die Verfügungsbefugnis des Veräußerers gemacht hat, auch keiner Fehlvorstellung insoweit unterlegen sein kann.
Die Ausführungen in der Revisionsbegründung vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Sie lassen zunächst außer Acht, dass die Behauptung einander sich ausschließender Tatsachen bereits für sich genommen einen hinreichenden Grund darstellen kann, einen Beweisantrag lediglich als Beweisermittlungsbegehren zu behandeln (vgl. BGH NStZ 1998, 209, 210). Das Landgericht hat im Übrigen in der von ihm zutreffend als widersprüchlich erkannten Formulierung des Beweisantrags nicht den maßgeblichen Zurückweisungsgrund gesehen. Ablehnungsgrund war vielmehr die Erwägung, dass angesichts der fernliegenden Beweisbehauptungen von einem ernsthaften Aufklärungsbegehren nicht ausgegangen werden konnte. Schon deswegen war der von der Revision für notwendig erachtete Hinweis nicht geboten. Die Verteidigung überspannt im Übrigen die Anforderungen an die gerichtliche Fürsorgepflicht, wenn sie im Rahmen der Bewertung eines durch einen (rechtskundigen) Verteidiger vorbereiteten Hilfsbeweisantrages Formulierungshilfen bezüglich der Schlüssigkeit des Antrags erwartet. Solche Anforderungen ergeben sich auch nicht aus den in der Revisionsbegründung zitierten Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen.
c)
Die Kammer war schließlich auch nicht im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht gehalten, die benannten Zeugen zu vernehmen. Zwar stellen Anträge wie der vorliegende grundsätzlich Beweisermittlungsbegehren dar. War aber nach dem Vorgesagten die Annahme fernliegend, den Erwerbern der Bücher sei es gleichgültig gewesen, mit dem Zuschlag Eigentum zu erwerben oder nicht, musste es sich der Kammer auch nicht aufdrängen, die zu dieser Behauptung benannten Zeugen gleichwohl zu befragen. Ob es sich bei dem Ankauf um routinemäßig ablaufende Massengeschäfte gehandelt hat, was die Revision in Zweifel zieht, kann im Übrigen dahinstehen. Das Landgericht ist von dieser Art von Geschäften nicht zwingend ausgegangen, sondern hat unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06) ausgeführt, dass der Aspekt des „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ insbesondere bei Massengeschäften greife. Wenn es sich aber, wie der Angeklagte meint, für die Ersteigerer um individuelle, aus dem üblichen Geschäftsbetrieb herausfallende Erwerbsvorgänge gehandelt hat, ist die Annahme umso fernliegender, ihnen sei die Herkunft der Bücher gleichgültig gewesen.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

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