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Gericht: Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 16.04.2015

Aktenzeichen: I ZR 69/11

Entscheidungsart: Urteil

Eigenes Abstract: Nach Aussetzung des Rechtsstreits um die Verfügbarkeit digitalisierter Lehrbücher an den elektronischen Leseplätzen und der Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung urteilte der BGH nun endgültig im langjährigen Verfahren zwischen dem Ulmer Verlag und der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt. Der BGH folgte in seinem Urteil der Entscheidung des EuGH, so dass das Anbieten von eigens digitalisierten Lehrbüchern an elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken und die anschließende von Nutzern vorgenommene Verfielfältigung durch Ausdrucken oder Speichern auf externen Geräten zum privaten Gebrauch nunmehr rechtlich erlaubt ist.

Instanzenzug Eilverfahren:
LG Frankfurt vom 13.05.2009, AZ 2-06 O 172/09
OLG Frankfurt vom 24.11.2009, AZ 11 U 40/09

Instanzenzug Hauptsacheverfahren:
LG Frankfurt a.M. vom 16.03.2011, Az. 2-06 O 378/10
BGH vom 20.09.2012, Az. I ZR 69/11
EuGH vom 11.09.2014, AZ C-117/13
– BGH vom 16.04.2015, AZ I ZR 69/11
BGH vom 10.12.2015, AZ I ZR 69/11

Weitere Informationen:
Buchreport vom 17.04.2015
JUVE vom 28.04.2015
Pressemitteilung BGH Nr. 64/2015

Leitsatz

Elektronische Leseplätze II

1. Vertragliche Regelungen im Sinne von § 52b Satz 1 UrhG, die einem Zugänglichmachen von Werken an elektronischen Leseplätzen entgegenstehen können, sind allein Regelungen in bestehenden Verträgen und keine Regelungen in bloßen Vertragsangeboten.

2. Soweit es nach § 52b Satz 1 und 2 UrhG zulässig ist, Werke an elektronischen Leseplätzen zugänglich zu machen, sind in entsprechender Anwendung des § 52a Abs. 3 UrhG die zur Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen zulässig.

3. An elektronischen Leseplätzen dürfen Werke unter den Voraussetzungen des § 52b Satz 1 und 2 UrhG auch dann zugänglich gemacht werden, wenn sie von Nutzern der elektronischen Leseplätze nicht nur gelesen, sondern ausgedruckt oder abgespeichert werden können.

4. An elektronischen Leseplätzen nach § 52b Satz 1 und 2 UrhG zugänglich gemachte Werke dürfen von Nutzern der elektronischen Leseplätze unter den Voraussetzungen des § 53 UrhG vervielfältigt werden.

5. Betreiber elektronischer Leseplätze können für unbefugte Vervielfältigungen eines Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze haften, wenn sie nicht die ihnen möglichen und zumutbaren Vorkehrungen getroffen haben, um solche Rechtsverletzungen zu verhindern.

Tenor

Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 6. Zivilkammer, vom 16. März 2011 unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Klage wird vollständig abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Verlag. Die Beklagte betreibt eine öffentlich zugängliche Bibliothek. Sie hat in deren Räumen elektronische Leseplätze eingerichtet, an denen sie bestimmte Werke aus dem Bibliotheksbestand zugänglich macht. Darunter befand sich seit Januar oder Februar 2009 das im Verlag der Klägerin erschienene Lehrbuch „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze. Die Beklagte hatte das Buch digitalisiert, um es an den elektronischen Leseplätzen bereitzustellen. An den Leseplätzen konnten gleichzeitig nicht mehr Exemplare des Werkes aufgerufen werden, als im Bibliotheksbestand vorhanden waren. Die Nutzer der Leseplätze konnten das Werk ganz oder teilweise auf Papier ausdrucken oder auf einem USB-Stick abspeichern und jeweils in dieser Form aus der Bibliothek mitnehmen. Auf ein Angebot der Klägerin vom 29. Januar 2009, von ihr herausgegebene Lehrbücher als elektronische Bücher (E-Books) zu erwerben und zu nutzen, ist die Beklagte nicht eingegangen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagten das Angebot der Klägerin bereits vorlag, als sie das Lehrbuch digitalisierte.

Die Klägerin ist der Ansicht, eine solche Nutzung der in ihrem Verlag erschienenen Werke sei nicht von der Schrankenregelung des § 52b UrhG gedeckt.

Mit dem Klageantrag zu 1 hat sie beantragt, der Beklagten zu verbieten,

a) Lehrbücher oder andere Werke aus ihrem Verlag, insbesondere die „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze, zu digitalisieren oder digitalisieren zu lassen und/oder in digitalisierter Form für öffentliche Wiedergaben insbesondere an elektronischen Leseplätzen der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt zu benutzen, wenn nicht die Beklagte zuvor mit ihr geklärt hat, ob sie für die digitale Nutzung einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet, oder wenn sie einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet;

b) Nutzern der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt zu ermöglichen, digitale Versionen der Werke, die in ihrem Verlag veröffentlicht sind, insbesondere die „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze, an elektronischen Leseplätzen der Bibliothek ganz oder teilweise auszudrucken und/oder auf USB-Sticks oder anderen Trägern für digitalisierte Werke zu vervielfältigen und/oder solche Vervielfältigungen aus den Räumen der Bibliothek mitzunehmen.

Darüber hinaus nimmt sie die Beklagte auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Klageantrag zu 2), Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht (Klageantrag zu 3) und Herausgabe der digitalisierten Werkfassungen zur Vernichtung (Klageantrag zu 4) in Anspruch.

Das Landgericht (LG Frankfurt a.M., GRUR 2011, 614 = ZUM 2011, 582) hat – wie schon das Oberlandesgericht im vorausgegangenen Verfügungsverfahren (OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2010, 1 = ZUM 2010, 265) – den Klageantrag 1a und die darauf bezogenen Anträge abgewiesen und dem Klageantrag 1b und den daran anknüpfenden Anträgen stattgegeben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Sprungrevision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin verfolgt mit ihrer Anschlussrevision ihren Klageantrag in vollem Umfang weiter. Die Parteien beantragen jeweils, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 20. September 2012 hat der Senat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft zur Vorabentscheidung vorgelegt (GRUR 2013, 503 = WRP 2013, 511 – Elektronische Leseplätze I):

1. Gelten Regelungen über Verkauf und Lizenzen im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG, wenn der Rechtsinhaber den dort genannten Einrichtungen den Abschluss von Lizenzverträgen über die Werknutzung zu angemessenen Bedingungen anbietet?

2. Berechtigt Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG die Mitgliedstaaten, den Einrichtungen das Recht einzuräumen, die in ihren Sammlungen enthaltenen Werke zu digitalisieren, wenn das erforderlich ist, um diese Werke auf den Terminals zugänglich zu machen?

3. Dürfen die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Rechte so weit reichen, dass Nutzer der Terminals dort zugänglich gemachte Werke auf Papier ausdrucken oder auf einem USB-Stick abspeichern können?

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierüber durch Urteil vom 11. September 2014 (C-117/13, GRUR 2014, 1078 = WRP 2014, 1178 – TU Darmstadt/Ulmer) wie folgt entschieden:

1. Der Begriff „Regelungen über Verkauf und Lizenzen“ in Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist in dem Sinne zu verstehen, dass der Rechtsinhaber und eine in dieser Bestimmung genannte Einrichtung, wie eine öffentlich zugängliche Bibliothek, für das betroffene Werk einen Lizenz- oder Nutzungsvertrag geschlossen haben müssen, in dem die Bedingungen für die Nutzung des Werkes durch die Einrichtung festgelegt sind.

2. Art. 5 Abs. 3 Buchst. n in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, öffentlich zugänglichen Bibliotheken, die unter diese Bestimmungen fallen, das Recht einzuräumen, in ihren Sammlungen enthaltene Werke zu digitalisieren, wenn diese Vervielfältigungshandlung erforderlich ist, um den Nutzern diese Werke auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten dieser Einrichtungen zugänglich zu machen.

3. Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er nicht Handlungen erfasst wie das Ausdrucken von Werken auf Papier oder ihr Speichern auf einem USB-Stick, die von Nutzern auf Terminals vorgenommen werden, die in unter diese Bestimmung fallenden öffentlich zugänglichen Bibliotheken eigens eingerichtet sind. Solche Handlungen können allerdings gegebenenfalls durch die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Ausnahmen und Beschränkungen gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a oder b dieser Richtlinie gestattet sein, sofern im Einzelfall die in diesen Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

Entscheidungsgründe

I. Das Landgericht hat angenommen, der Klageantrag zu 1a und die darauf bezogenen Anträge seien nicht begründet, weil der in dem Herstellen einer digitalen Kopie des Werkes liegende Eingriff in das Vervielfältigungsrecht der Klägerin durch die Schrankenregelung des § 52b UrhG gerechtfertigt sei. Dagegen seien der Klageantrag zu 1b und die daran anknüpfenden Anträge begründet, weil das Ermöglichen des Ausdruckens und Abspeicherns der digitalen Kopie des Werkes in das Vervielfältigungsrecht der Klägerin eingreife, ohne dass dieser Eingriff von der Schrankenregelung des § 52b UrhG gedeckt sei. Dazu hat es ausgeführt:

Der in dem Herstellen einer digitalen Kopie des Werkes liegende Eingriff in das Vervielfältigungsrecht der Klägerin sei durch die Schrankenregelung des § 52b UrhG gerechtfertigt. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien erfüllt. Die Anwendung des § 52b UrhG sei nicht bereits beim Vorliegen eines Vertragsangebots, sondern erst beim Bestehen eines Vertrages ausgeschlossen. Die Bestimmung begründe eine Annex-Berechtigung zum Digitalisieren des Werkes, weil sie anderenfalls weitgehend leerliefe. Um die Werke zugänglich machen zu können, müssten die privilegierten Einrichtungen in aller Regel ein digitales Vervielfältigungsstück des Werkes herstellen.

Das Ermöglichen des Ausdruckens und Abspeicherns des Werkes greife dagegen in das Vervielfältigungsrecht der Klägerin nach § 16 UrhG ein, ohne dass dieser Eingriff von der Schrankenregelung des § 52b UrhG gedeckt sei. Eine teleologische Auslegung der Regelung ergebe, dass sie nur die Einrichtung von Terminals erlaube, bei denen ein Ausdrucken oder ein Abspeichern des Werkes auf einem USB-Stick ausgeschlossen sei. Die Bestimmung solle nach dem Willen des Gesetzgebers eine der analogen Nutzung vergleichbare Nutzung ermöglichen. Das herkömmliche Vervielfältigen eines gedruckten Werkes sei mit erheblichem Aufwand verbunden. Es ginge daher über das mit der Regelung verfolgte Ziel des Gesetzgebers hinaus, wenn an elektronischen Leseplätzen die digitale Version eines Werkes ohne weitere Anstrengung „auf Knopfdruck“ ausgedruckt oder abgespeichert werden könnte

Da § 52b UrhG der Beklagten nur ein öffentliches Zugänglichmachen erlaube, das ein Vervielfältigen durch Ausdrucken oder Abspeichern ausschließe, komme es nicht darauf an, ob Nutzer des Leseplatzes aufgrund von anderen Schrankenregelungen wie § 53 Abs. 2 Nr. 1 UrhG zum Vervielfältigen berechtigt seien.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Sprungrevision der Beklagten hat Erfolg; die Anschlussrevision der Klägerin hat dagegen keinen Erfolg. Die von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG), Auskunftserteilung und Rechnungslegung (§ 242, § 259 Abs. 1, § 260 Abs. 1 BGB), Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 97 Abs. 2 UrhG) und Herausgabe zur Vernichtung (§ 98 Abs. 1 Satz 1 UrhG) sind nicht begründet.

1. Der Klageantrag zu 1a und die darauf bezogenen Folgeanträge sind unbegründet.

a) Mit dem Klageantrag zu 1a erstrebt die Klägerin zweierlei: Zum einen möchte sie der Beklagten untersagen lassen, Lehrbücher oder andere Werke aus ihrem Verlag, insbesondere die „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze, in digitalisierter Form für öffentliche Wiedergaben insbesondere an elektronischen Leseplätzen der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt zu benutzen, wenn die Beklagte mit der Klägerin nicht zuvor geklärt hat, ob die Klägerin für die digitale Nutzung einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet, oder wenn die Klägerin einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet (dazu II 1 b). Zum anderen will sie der Beklagten verbieten lassen, diese Werke zu digitalisieren oder digitalisieren zu lassen, um sie in digitalisierter Form für solche Wiedergaben verwenden zu können (dazu II 1 c).

b) Die Klägerin kann von der Beklagten nicht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG verlangen, es zu unterlassen, Lehrbücher oder andere Werke aus ihrem Verlag, insbesondere das Werk „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze, in digitalisierter Form für öffentliche Wiedergaben insbesondere an elektronischen Leseplätzen der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt zu benutzen, wenn die Beklagte mit ihr nicht zuvor geklärt hat, ob sie für die digitale Nutzung einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet, oder wenn die Klägerin einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet.

aa) Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass es sich bei dem von Winfried Schulze verfassten und von der Klägerin verlegten Lehrbuch um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG). Ferner ist unstreitig, dass die Klägerin als Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte zur Geltendmachung der erhobenen Ansprüche berechtigt ist.

bb) Die Beklagte hat das in Rede stehende Werk in digitalisierter Form an elektronischen Leseplätzen der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt für Nutzer der Bibliothek zugänglich gemacht. Dadurch hat sie in das ausschließliche Recht des Urhebers eingegriffen, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG).

cc) Dieser Eingriff in das Urheberrecht ist allerdings nicht widerrechtlich, da die Beklagte sich mit Erfolg auf die Schrankenregelung des § 52b Satz 1 und 2 UrhG berufen kann.

(1) Gemäß § 52b Satz 1 UrhG ist es zulässig, veröffentlichte Werke aus dem Bestand öffentlich zugänglicher Bibliotheken, Museen oder Archive, die keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgen, ausschließlich in den Räumen der jeweiligen Einrichtung an eigens dafür eingerichteten elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich zu machen, soweit dem keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen. Dabei dürfen nach § 52b Satz 2 UrhG grundsätzlich nicht mehr Exemplare eines Werkes an den eingerichteten elektronischen Leseplätzen gleichzeitig zugänglich gemacht werden, als der Bestand der Einrichtung umfasst.

(2) Das Landgericht hat festgestellt, dass die Voraussetzungen dieser Bestimmung im Streitfall erfüllt sind. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass dem Zugänglichmachen eines Werkes im Sinne dieser Bestimmung „keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen“, wenn – wie im Streitfall – lediglich das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Vertrages vorliegt. Mit „vertraglichen Regelungen“ im Sinne des § 52b Satz 1 UrhG sind allein Regelungen in bestehenden Verträgen und keine Regelungen in bloßen Vertragsangeboten gemeint. Das folgt jedenfalls aus der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung dieser Wendung.

Die Bestimmung des § 52b UrhG setzt Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in Art. 2 und 3 vorgesehenen Rechte (also das Vervielfältigungsrecht sowie das Recht der öffentlichen Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung von Werken und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände) für die Nutzung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen vorsehen, „für die keine Regelungen über Verkauf und Lizenzen gelten“ und die sich in den Sammlungen der in Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG genannten Einrichtungen (das sind öffentlich zugängliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen oder Archive, die keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen) befinden, und zwar durch ihre Wiedergabe oder Zugänglichmachung für einzelne Mitglieder der Öffentlichkeit zu Zwecken der Forschung und privater Studien auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen.

Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob bereits das bloße Angebot eines angemessenen Lizenzvertrags dazu führt, dass „Regelungen über Verkauf und Lizenzen“ gelten und eine Ausnahme nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG ausgeschlossen ist, oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn der Rechtsinhaber und die Einrichtung eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, der Begriff „Regelungen über Verkauf und Lizenzen“ in Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG sei in dem Sinne zu verstehen, dass der Rechtsinhaber und eine in dieser Bestimmung genannte Einrichtung, wie eine öffentlich zugängliche Bibliothek, für das betroffene Werk einen Lizenz- oder Nutzungsvertrag geschlossen haben müssen, in dem die Bedingungen für die Nutzung des Werkes durch die Einrichtung festgelegt sind.

Dem Zugänglichmachen des Werkes an den elektronischen Leseplätzen steht im Streitfall daher nicht entgegen, dass die Klägerin der Beklagten angeboten hat, die von ihr herausgegebenen Lehrbücher als elektronische Bücher (E-Books) zu erwerben und zu nutzen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieses Angebot der Klägerin bereits vor der Nutzung des Lehrbuchs durch die Beklagte vorlag und ob es sich dabei um ein angemessenes Angebot handelte.

c) Die Klägerin kann von der Beklagten auch nicht gemäß § 97 Abs. 1 UrhG verlangen, es zu unterlassen, Lehrbücher oder andere Werke aus ihrem Verlag, insbesondere die „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze, zu digitalisieren oder digitalisieren zu lassen, um sie in digitalisierter Form für öffentliche Wiedergaben insbesondere an elektronischen Leseplätzen der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt verwenden zu können.

aa) Die Beklagte hat das im Bestand ihrer Bibliothek nur als gedrucktes Buch vorhandene Werk digitalisiert, um es in dieser Form an den elektronischen Leseplätzen zugänglich machen zu können. Damit hat sie in das ausschließliche Recht des Urhebers eingegriffen, sein Werk zu vervielfältigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG).

bb) Dieser Eingriff in das Urheberrecht ist jedoch nicht widerrechtlich, da die Beklagte sich mit Erfolg auf eine entsprechende Anwendung der Schrankenregelung des § 52a Abs. 3 UrhG berufen kann. Danach sind in den Fällen des § 52b Satz 1 und 2 UrhG die zur Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen zulässig.

(1) Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die Befugnis der Mitgliedstaaten aus Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG, Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die Rechte nach Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG für die Nutzung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen, die sich in den Sammlungen der genannten Einrichtungen befinden, durch ihre Wiedergabe oder Zugänglichmachung auf eigens hierfür eingerichteten Terminals vorzusehen, auch die Befugnis umfasst, eine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Vervielfältigungsrecht nach Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG für die Nutzung dieser Werke und sonstigen Schutzgegenstände durch Vervielfältigungen vorzusehen, die für die Wiedergabe oder Zugänglichmachung auf solchen Terminals erforderlich sind. Dabei hat der Senat darauf hingewiesen, nach seiner Auffassung spreche alles dafür, dass eine entsprechende Befugnis der Mitgliedstaaten, soweit sie sich nicht bereits als Annexkompetenz aus Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG ergebe, aus Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG hergeleitet werden könne (BGH, GRUR 2013, 503 Rn. 23 – Elektronische Leseplätze I). Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten in Bezug auf „bestimmte Vervielfältigungshandlungen“ von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen oder Museen oder von Archiven, die keinen unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck verfolgen, Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, Art. 5 Abs. 3 Buchst. n in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, öffentlich zugänglichen Bibliotheken, die unter diese Bestimmungen fallen, das Recht einzuräumen, in ihren Sammlungen enthaltene Werke zu digitalisieren, wenn diese Vervielfältigungshandlung erforderlich ist, um den Nutzern diese Werke auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten dieser Einrichtungen zugänglich zu machen. Zur Begründung hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, das Recht zur Wiedergabe von Werken, das den in Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG genannten Einrichtungen wie öffentlich zugänglichen Bibliotheken in den tatbestandlichen Grenzen dieser Bestimmung zustehe, drohte einen großen Teil seines sachlichen Gehalts und sogar seiner praktischen Wirksamkeit zu verlieren, wenn diese Einrichtungen kein akzessorisches Recht zur Digitalisierung der betroffenen Werke besäßen (EuGH, GRUR 2014, 1078 Rn. 43 – TU Darmstadt/Ulmer).

(2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind zudem zur richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts verpflichtet. Dabei verlangt der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne. Er fordert vielmehr, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Urteil vom 26. November 2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21, mwN). Daraus folgt hier das Gebot einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch entsprechende Anwendung des § 52a Abs. 3 UrhG auf die von § 52b Satz 1 und 2 UrhG erfassten Fallgestaltungen. Eine Rechtsfortbildung im Wege der entsprechenden Anwendung einer Regelung setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Diese Voraussetzung ist erfüllt.

Im Regierungsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft ist zur Begründung des Vorschlags, zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG mit § 52b UrhG eine neue Schrankenregelung zu schaffen, ausgeführt, damit solle es öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven zur Erfüllung ihres Bildungsauftrags ermöglicht werden, „ihre Bestände auch in digitaler Form“ an eigens dafür eingerichteten elektronischen Leseplätzen den Benutzern zu Zwecken der Forschung und für private Studien zugänglich zu machen (BT-Drucks. 16/1828, S. 21; vgl. auch Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/5939, S. 44). Dieser Begründung ist zu entnehmen, dass zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG mit § 52b UrhG eine Regelung geschaffen werden sollte, die es den genannten Einrichtungen gestattet, in ihrem Bestand nur als gedruckte Bücher vorhandene Werke zu digitalisieren, um sie an elektronischen Leseplätzen zugänglich machen zu können. Soweit die Bestände nur in analoger Form vorliegen, können sie den Benutzern nur dann an elektronischen Leseplätzen in digitaler Form zugänglich gemacht werden, wenn sie zuvor digitalisiert und damit vervielfältigt worden sind. § 52b UrhG enthält jedoch keine Bestimmung, die eine solche Vervielfältigung erlaubt. Insoweit besteht ersichtlich eine planwidrige Regelungslücke.

Diese planwidrige Regelungslücke ist durch eine entsprechende Anwendung des § 52a Abs. 3 UrhG auf die von § 52b Satz 1 und 2 UrhG erfassten Fallgestaltungen zu schließen. Die Bestimmung des § 52a Abs. 3 UrhG betrifft eine vergleichbare Interessenlage. § 52a Abs. 1 UrhG gestattet unter bestimmten Voraussetzungen das öffentliche Zugänglichmachen veröffentlichter (kleiner) Teile eines Werkes, von Werken geringen Umfangs sowie einzelner Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften für Unterricht und Forschung. Gemäß § 52a Abs. 3 UrhG sind in diesen Fällen auch die zur öffentlichen Zugänglichmachung erforderlichen Vervielfältigungen zulässig. Liegen die betreffenden Werke nur in analoger Form vor, gehört zu den danach zulässigen Vervielfältigungen das Digitalisieren dieser Vorlagen, wenn diese Vervielfältigungen erforderlich sind, um die Werke beispielsweise durch Einstellen auf einem Server öffentlich zugänglich machen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2013 – I ZR 76/12, GRUR 2014, 549 Rn. 65 = WRP 2014, 699 – Meilensteine der Psychologie).

Eine entsprechende Anwendung des § 52a Abs. 3 UrhG auf die von § 52b Satz 1 und 2 UrhG erfassten Fallgestaltungen überschreitet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Eine unionsrechtskonforme Rechtsfortbildung muss zwar nach nationalen Methoden richterlicher Rechtsfortbildung zulässig sein. Beim Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke ist eine richterliche Rechtsfortbildung jedoch verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie vom Gesetzgeber stillschweigend gebilligt wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2008 – VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21; Urteil vom 7. Oktober 2009 – I ZR 80/04, ZUM 2010, 429 Rn. 22 – PC III, mwN). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Gesetzesbegründung ist die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zu entnehmen, Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG richtlinienkonform umzusetzen und es den genannten Einrichtungen zu ermöglichen, den Benutzern ihre (analogen) Bestände an elektronischen Leseplätzen in digitaler Form zugänglich zu machen. Es entspricht daher der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, wenn den genannten Einrichtungen im Wege einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung die zu diesem Zweck erforderlichen Vervielfältigungen gestattet werden. Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, ob der Gesetzgeber erkannt hat, dass die Befugnis der Mitgliedstaaten, solche Vervielfältigungen zu gestatten, sich nicht bereits aus Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG ergibt, sondern erst aus einer Verbindung dieser Regelung mit Art. 5 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG hergeleitet werden kann (aA Jani, EuZW 2014, 868, 872 f.).

2. Der Klageantrag zu 1b und die darauf bezogenen Folgeanträge sind gleichfalls unbegründet.

a) Mit dem Klageantrag zu 1b möchte die Klägerin der Beklagten verbieten lassen, Nutzern der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt zu ermöglichen, digitale Versionen der Werke, die in ihrem Verlag veröffentlicht sind, insbesondere die „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze, an elektronischen Leseplätzen der Bibliothek ganz oder teilweise auszudrucken und/oder auf USB-Sticks oder anderen Trägern für digitalisierte Werke zu vervielfältigen und/oder solche Vervielfältigungen aus den Räumen der Bibliothek mitzunehmen. Dieser Klageantrag ist nicht begründet. Die Beklagte hat durch die beanstandete Handlung das Werk weder als Täter widerrechtlich zugänglich gemacht (dazu II 2 b) noch haftet sie als Teilnehmer oder Störer für widerrechtliche Vervielfältigungen des Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze (dazu II 2 c).

b) Der mit dem Zugänglichmachen des Werkes verbundene Eingriff in das Urheberrecht ist von der Schrankenregelung des § 52b Satz 1 und 2 UrhG gedeckt, auch wenn die Beklagte es Nutzern der Bibliothek damit ermöglicht, das Werk an den elektronischen Leseplätzen auf Papier auszudrucken oder auf Datenträgern abzuspeichern und in dieser Form aus den Räumen der Bibliothek mitzunehmen.

aa) Der Senat hat dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG für die Nutzung von Werken durch ihre Wiedergabe oder Zugänglichmachung auf eigens hierfür eingerichteten Terminals in den Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen vorgesehene Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die Rechte nach Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG so weit reichen dürfen, dass Nutzer der Terminals auf den Terminals wiedergegebene oder zugänglich gemachte Werke ganz oder teilweise auf Papier ausdrucken oder auf einem USB-Stick abspeichern können.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG sei dahin auszulegen, dass er nicht Handlungen erfasst wie das Ausdrucken von Werken auf Papier oder ihr Speichern auf einem USB-Stick, die von Nutzern auf Terminals vorgenommen werden, die in unter diese Bestimmung fallenden öffentlich zugänglichen Bibliotheken eigens eingerichtet sind. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beschränkung nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG erfasse nur bestimmte Handlungen der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29/EG wie das Zugänglichmachen von Werken durch die Einrichtungen und nicht Vervielfältigungen im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG wie das Ausdrucken und Abspeichern der Werke durch die Nutzer (vgl. EuGH, GRUR 2014, 1078 Rn. 51 bis 53 – TU Darmstadt/Ulmer).

Die Mitgliedstaaten können daher auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG ein Ausdrucken oder Abspeichern der an den elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachten Werke durch die Nutzer weder gestatten noch verbieten. Die der Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG dienende Regelung des § 52b UrhG ist deshalb entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass Werke an elektronischen Leseplätzen nur in der Weise zugänglich gemacht werden dürfen, dass sie von Nutzern dort nur gelesen und nicht auch ausgedruckt oder abgespeichert werden können.

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat allerdings darauf hingewiesen, dass solche Handlungen der Vervielfältigung auf analogem oder digitalem Datenträger gegebenenfalls durch die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Ausnahmen und Beschränkungen nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a oder b der Richtlinie 2001/29/EG gestattet sein können (EuGH, GRUR 2014, 1078 Rn. 55 – TU Darmstadt/Ulmer).

Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a oder b der Richtlinie 2001/29/EG können die Mitgliedstaaten Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen und zwar zum einen in Bezug auf Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger fotomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG) und zum anderen in Bezug auf Vervielfältigungen auf beliebigen Trägern durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke (Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG), sofern im Einzelfall die in diesen Bestimmungen normierten Voraussetzungen, insbesondere die eines gerechten Ausgleichs für den Rechtsinhaber, erfüllt sind. Derartige Ausnahmen oder Beschränkungen des Vervielfältigungsrechts sind durch § 53 UrhG ins deutsche Recht umgesetzt worden, der die Zulässigkeit von Vervielfältigungen zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch regelt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin stellt sich damit jedoch nicht die Frage, ob die Zulässigkeit von Vervielfältigungen nach § 53 UrhG in § 52b UrhG hineingelesen werden kann (aA Loewenheim, GRUR 2014, 1057, 1059 f.). Bei den Schrankenregelungen des § 52b UrhG einerseits und des § 53 UrhG andererseits handelt es sich um jeweils eigenständige Regelungen. Sie erfassen nicht nur unterschiedliche Nutzungshandlungen, sondern richten sich auch an unterschiedliche Nutzerkreise. Während § 52b UrhG die Zulässigkeit des Zugänglichmachens von Werken an elektronischen Leseplätzen durch bestimmte Einrichtungen regelt, hat § 53 UrhG die Zulässigkeit des Vervielfältigens von Werken zum eigenen Gebrauch und damit auch die Zulässigkeit entsprechender Vervielfältigungen durch Nutzer elektronischer Leseplätze zum Gegenstand. Beide Regelungen bestehen unabhängig voneinander und können nebeneinander oder nacheinander anwendbar sein. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es daher auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zulässig, dass ein aufgrund der Schrankenregelung des § 52b UrhG durch eine Bibliothek an einem elektronischen Leseplatz zugänglich gemachtes Werk aufgrund der Schrankenregelung des § 53 UrhG durch einen Benutzer des elektronischen Leseplatzes vervielfältigt wird (vgl. Grünberger, GPR 2015, 91, 93).

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat allerdings darauf hingewiesen, dass die durch die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Ausnahmen und Beschränkungen nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a oder b der Richtlinie 2001/29/EG gestatteten Vervielfältigungshandlungen den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG entsprechen müssen und der Umfang der vervielfältigten Texte folglich nicht die berechtigten Interessen des Urheberrechtsinhabers ungebührlich verletzen darf (EuGH, GRUR 2014, 1078 Rn. 56 – TU Darmstadt/Ulmer). Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt daraus jedoch nicht, dass die durch die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Ausnahmen und Beschränkungen nach Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG gestatteten Handlungen der Wiedergabe keine Anschlussvervielfältigungen ermöglichen dürfen, weil ansonsten die normale Verwertung der an den Leseplätzen zur Verfügung gestellten Werke ernstlich in Gefahr geriete.

c) Die Beklagte haftet nicht als Teilnehmer oder Störer für unbefugte Vervielfältigungen des Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze.

aa) Die Beklagte hat es Nutzern der elektronischen Leseplätze zwar ermöglicht, die an den elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachten Werke auszudrucken und abzuspeichern und damit zu vervielfältigen. Es ist aber weder vom Landgericht festgestellt noch von der Klägerin vorgetragen, dass es in konkreten Fällen zu unberechtigten Vervielfältigungen dieser Werke und insbesondere des im Verlag der Klägerin erschienenen Lehrbuchs „Einführung in die neuere Geschichte“ von Winfried Schulze durch Nutzer der Leseplätze gekommen ist. Davon kann auch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Es kommen zahlreiche Fallgestaltungen in Betracht, in denen ein Ausdrucken oder Abspeichern der an elektronischen Leseplätzen im Sinne von § 52b Abs. 1 UrhG „zur Forschung und für private Studien“ zugänglich gemachten Werke von der Schrankenregelung des § 53 UrhG gedeckt ist und der Umfang der vervielfältigten Texte die berechtigten Interessen des Urheberrechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt (aA Jani, EuZW 2014, 868, 872 f.; Weller, jurisPR-ITR 23/2104 Anm. 5; vgl. auch Steinhauer, GRUR-Prax 2014, 471, 472).

(1) Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG sind einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird. Diese Schrankenregelung gestattet das Ausdrucken und Abspeichern der von der Beklagten an den elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachten Werke durch Nutzer zum privaten Gebrauch. Auch das Vervielfältigen „zur Forschung und für private Studien“ im Sinne von § 52b Abs. 1 UrhG ist ein Vervielfältigen „zum privaten Gebrauch“, sofern es nicht Erwerbszwecken dient (zum – mittelbar Erwerbszwecken dienenden – Vervielfältigen zu Ausbildungszwecken vgl. BGH, GRUR 2014, 549 Rn. 72 – Meilensteine der Psychologie, mwN).

(2) Ferner ist es gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UrhG zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum eigenen wissenschaftlichen Gebrauch herzustellen, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und sie keinen gewerblichen Zwecken dient. Dem „eigenen wissenschaftlichen Gebrauch“ dient auch ein Vervielfältigen „zur Forschung und für private Studien“ im Sinne von § 52b Abs. 1 UrhG durch Personen, die sich über den Erkenntnisstand der Wissenschaft informieren wollen (vgl. zum Vervielfältigen durch Studierende BGH, GRUR 2014, 549 Rn. 70 – Meilensteine der Psychologie, mwN). Die Herstellung der Vervielfältigung ist zwar nicht „geboten“, wenn der Erwerb oder die Ausleihe des Werkes problemlos möglich und zumutbar ist. Wird nur ein kleiner Teil eines Werkes zum wissenschaftlichen Gebrauch benötigt, ist es im Allgemeinen aber nicht zumutbar, das gesamte Werk zu erwerben oder auszuleihen. In einem solchen Fall ist daher das Ausdrucken oder Abspeichern des in Form einer Datei zugänglichen Werkteils in der Regel als geboten anzusehen (vgl. BGH, GRUR 2014, 549 Rn. 70 – Meilensteine der Psychologie, mwN).

(3) Darüber hinaus ist es nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 Nr. 1 und 2, Satz 3 UrhG zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum sonstigen eigenen Gebrauch herzustellen, wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen sind, oder wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt, und zwar jeweils unter der weiteren Voraussetzung, dass die Vervielfältigung auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung vorgenommen wird oder eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet. Diese Regelung setzt keinen bestimmten Zweck der Vervielfältigung voraus (vgl. BGH, GRUR 2014, 549 Rn. 71 – Meilensteine der Psychologie, mwN). Sie erfasst daher auch Vervielfältigungen „zur Forschung und für private Studien“ im Sinne von § 52b Abs. 1 UrhG.

(4) Die Schrankenregelung des § 53 UrhG enthält keine allgemeine Einschränkung, wonach ein an elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachtes Werk nicht als Vorlage für Vervielfältigungen benutzt werden darf (vgl. zu unveröffentlichten und unvollendeten Werken BGH, Urteil vom 19. März 2014 – I ZR 35/13, GRUR 2014, 974 Rn. 13 bis 44 = WRP 2014, 1198 – Porträtkunst). § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG bestimmt lediglich, dass zur Vervielfältigung keine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet werden darf (vgl. zur Anfertigung von Vervielfältigungsstücken auf der Grundlage von unrechtmäßigen Quellen EuGH, Urteil vom 10. April 2014 – C-435/12, GRUR 2014, 546 Rn. 20 bis 58 = WRP 2014, 682 – ACI Adam/Thuiskopie und SONT). Diese Voraussetzung ist jedoch nicht erfüllt, wenn ein Werk – wie im Streitfall – aufgrund der Schrankenregelung des § 52b UrhG und damit rechtmäßig zugänglich gemacht worden ist.

(5) Die Vervielfältigung graphischer Aufzeichnungen von Werken der Musik und die im wesentlichen vollständige Vervielfältigung eines Buches oder einer Zeitschrift zum eigenen Gebrauch ist allerdings, soweit sie durch Ausdrucken oder Abspeichern vorgenommen wird, gemäß § 53 Abs. 4 UrhG nur zulässig, wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt. Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, die Voraussetzungen dieser Bestimmung lägen nicht vor. Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass Nutzer der Leseplätze das hier in Rede stehende Buch im wesentlichen vollständig vervielfältigt haben. Die Revision hat auch nicht gerügt, das Landgericht habe entsprechenden Vortrag der Klägerin übergangen.

(6) Die in § 53 UrhG zur Umsetzung der Ausnahmen und Beschränkungen nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a oder b der Richtlinie 2001/29/EG aufgeführten Vervielfältigungshandlungen sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur gestattet, sofern im Einzelfall die in diesen Bestimmungen der Richtlinie normierten Voraussetzungen, einschließlich die eines gerechten Ausgleichs für den Rechtsinhaber, erfüllt sind. Entgegen der Ansicht der Klägerin erhalten die Rechtsinhaber für die hier in Rede stehenden Vervielfältigungen einen gerechten Ausgleich in Form einer angemessenen Vergütung. Ist nach der Art eines Werkes zu erwarten, dass es nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG vervielfältigt wird, so hat der Urheber des Werkes gemäß §§ 54 ff. UrhG gegen den Hersteller, den Händler, den Importeur und den Betreiber von Geräten und von Speichermedien, deren Typ allein oder in Verbindung mit anderen Geräten, Speichermedien oder Zubehör zur Vornahme solcher Vervielfältigungen benutzt wird, Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Damit ist auch für Vervielfältigungen von nach § 52b UrhG zugänglich gemachten Vorlagen eine angemessene Vergütung gewährleistet (aA Jani, EuZW 2014, 872, 873).

(7) Die in § 53 UrhG zur Umsetzung der Ausnahmen und Beschränkungen nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a oder b der Richtlinie 2001/29/EG aufgeführten Vervielfältigungshandlungen müssen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Übrigen den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG entsprechen; folglich darf der Umfang der vervielfältigten Texte nicht die berechtigten Interessen des Urheberrechtsinhabers ungebührlich verletzen. Es ist nicht ersichtlich, dass die hier in Rede stehenden Vervielfältigungen diese Anforderungen nicht erfüllen. Die zahlreichen einschränkenden Voraussetzungen des § 53 UrhG hinsichtlich des Gegenstands, des Umfangs und des Zwecks zulässiger Vervielfältigungen gewährleisten grundsätzlich, dass der Umfang der vervielfältigten Texte die berechtigten Interessen des Urheberrechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt.

bb) Soweit die Nutzer der elektronischen Leseplätze zu einem Vervielfältigen der Werke nicht berechtigt wären und das daran bestehende Urheberrecht verletzen würden, käme zwar eine Haftung der Beklagten als Teilnehmer oder Störer in Betracht. Da die Beklagte gemäß § 52b Satz 1 und 2 UrhG berechtigt ist, die Werke in der Weise an den elektronischen Leseplätzen zugänglich zu machen, dass diese dort ausgedruckt und abgespeichert werden können, würde sie allerdings nur haften, wenn sie darüber hinaus in anderer Weise – etwa durch pflichtwidriges Unterlassen – dazu beitrüge, dass Nutzer an den elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachte Werke unbefugt ausdrucken und abspeichern.

Betreiber elektronischer Leseplätze sind verpflichtet, die ihnen möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um unbefugte Vervielfältigungen von Werken durch Nutzer der elektronischen Leseplätze zu verhindern (vgl. zur Haftung der Betreiber von Fotokopiergeräten BGH, Urteil vom 9. Juni 1983 – I ZR 70/81, GRUR 1984, 54, 55 – Kopierläden I). Eine Haftung der Beklagten käme daher etwa in Frage, wenn sie die Nutzer nicht darauf hinwiese, dass sie die an den elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachten Werke nur unter den – näher zu bezeichnenden – Voraussetzungen des § 53 UrhG vervielfältigen dürfen. Ferner käme eine Haftung der Beklagten in Betracht, wenn sie nicht durch ihr mögliche und zumutbare Maßnahmen dafür sorgte, dass die Nutzer – den Voraussetzungen des § 53 UrhG entsprechend – nur einzelne Vervielfältigungsstücke oder kleine Teile eines Werkes und keine graphischen Aufzeichnungen von Werken der Musik oder im wesentlichen vollständigen Bücher oder Zeitschriften vervielfältigen. Insoweit treffen die Beklagte, die die Möglichkeit zu Vervielfältigungen an den elektronischen Leseplätzen schafft, Kontroll- und Überwachungspflichten, um eine unbefugte Vervielfältigung von Werken durch Nutzer möglichst weitgehend auszuschließen. Darüber hinaus könnte ein Hinweis der Beklagten an die Nutzer geboten sein, dass die aufgrund der Schrankenregelung des § 53 UrhG erstellten Vervielfältigungsstücke gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 UrhG nicht verbreitet werden dürfen.

3. Da die Grundsätze zur Auslegung von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a bis c, Abs. 3 Buchst. n und Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG im Streitfall durch die angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt sind und im Übrigen keine vernünftigen Zweifel bei der Auslegung des Unionsrechts bestehen, ist ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV nicht geboten (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 – C.I.L.F.I.T.).

III. Danach ist auf die Sprungrevision der Beklagten das Urteil des Landgerichts unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Klägerin im Kostenpunkt und insoweit abzuändern, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Die Klage ist vollständig abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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