Gericht: BayVGH
Entscheidungsdatum: 20.04.2022
Aktenzeichen: 4 ZB 22.629
ECLI: ECLI:DE:BAYVGH:2022:0420.4ZB22.629.00
Entscheidungsart: Beschluss
Eigenes Abstract: Ein Nutzer der Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg klagt gegen einen Gebührenbescheid. Während der Covid-19-Pandemie hatte er fünf Medien ausgeliehen, deren Ausleihfrist zunächst automatisch verlängert wurde, da der Präsenzbetrieb von Bibliotheken zwischenzeitlich aufgrund der Covid-19-Pandemie landesweit untersagt war. Der Kläger gab seine ausgeliehenen Medien jedoch deutlich nach Ablauf des neuen Leihfristendes zurück und mehrere Wochen, nachdem die Bibliothek wieder öffnen durfte. Im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach bestätigt, dass die Bibliothek die Säumnis- und Bearbeitungsgebühren zurecht erhoben hat und ihren Informationspflichten zur geänderten Leihfrist hinreichend nachgekommen ist.
Instanzenzug:
– VG Ansbach vom 21.12.2021, Az. AN 10 K 20.2251
– BayVGH vom 20.04.2022, Az. 4 ZB 22.629
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid über Versäumnis- und Bearbeitungsgebühren wegen verspäteter Rückgabe von ausgeliehenen Medien. Am 14. März 2020 lieh der Kläger bei der Stadtbibliothek der Beklagten vier Bücher und eine DVD aus. Noch vor dem Ablauf der vierwöchigen Ausleihfrist wurde der Betrieb von Bibliotheken im Freistaat Bayern aufgrund der Corona-Pandemie allgemein untersagt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 1. BayIfSMV). Während dieses Schließungszeitraums war eine Rückgabe entliehener Medien erst wieder ab dem 4. Mai 2020 mittels eines Rückgabeautomaten am Standort der Stadtbibliothek möglich. Nachdem das landesweite Betriebsverbot für Bibliotheken mit Wirkung vom 11. Mai 2020 aufgehoben worden war (§ 19, § 24 Satz 1 4. BayIfSMV), wurde der Präsenzbetrieb der Stadtbibliothek ab dem 19. Mai 2020 wieder aufgenommen. Die Beklagte verlängerte in diesem Zusammenhang die Ausleihfrist der zuvor ausgeliehenen Medien für alle Nutzer bis zum 2. Juni 2020. Am 19. Juni 2020 sandte die Beklagte laut eigenen Angaben ein allgemeines Hinweisschreiben zum Ablauf der Ausleihfrist und zu den entstandenen Versäumnisgebühren (sog. 1. Medienerinnerung) an den Kläger, das diesem wegen einer nicht mehr aktuellen Anschrift zunächst nicht zugestellt werden konnte. Am 28. Juni 2020 gab der Kläger die entliehenen Medien über den Rückgabeautomaten zurück. Die nach zwischenzeitlicher Adressermittlung mit neuer Anschrift versehene 1. Medienerinnerung vom 19. Juni 2020 ging ihm am 4. Juli 2020 zu. Er wandte sich daraufhin an die Beklagte und machte geltend, dass der Beklagten keine Forderungen wegen verspäteter Rückgabe zustünden. Die Beklagte verwies demgegenüber in einem E-Mail-Verkehr auf ihre Satzungsbestimmungen und versandte am 31. August 2020 ein weiteres Hinweisschreiben mit einer detaillierten Gebührenaufstellung (sog. 2. Medienerinnerung). Nachdem der Kläger dieser Zahlungsaufforderung nicht nachgekommen war, erließ die Beklagte am 28. September 2020 einen Gebührenbescheid über einen Gesamtbetrag von 50 Euro (5 mal 8 Euro für die verspätete Rückgabe der Medien, 5 Euro für die 2. Medienerinnerung und 5 Euro für die Adressermittlung). Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Dezember 2021 ab. Die Versäumnisgebühren seien auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 der Gebührensatzung für die Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg (StBGebS) rechtmäßig festgesetzt worden. Ihre Erhebung sei nicht unverhältnismäßig gewesen und habe keine unbillige Härte für den Kläger bedeutet. Entscheidend sei, ob es ihm möglich und zumutbar gewesen sei, seiner Rückgabepflicht rechtzeitig nachzukommen und die ausgeliehenen Medien bis zum 2. Juni 2020 zurückzugeben. Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der staatlich angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen habe sich für die Bibliothek wie für deren Benutzer eine von der Benutzungssatzung nicht vorgesehene Sondersituation ergeben. Aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis zwischen Bibliothek und Benutzern, das in der Satzung über die Benutzung für die Stadtbibliothek im Bildungscampus Nürnberg (StBS) konkretisiert werde, ließen sich allerdings gewisse Obliegenheiten der Beteiligten ableiten. Auf Grund der staatlich angeordneten Schließung der Bibliotheken sei es nur billig gewesen, das Leihfristende zu verlängern, sodass es zu keiner Leihfristüberschreitung gekommen sei, solange eine Rückgabe ausgeliehener Medien nicht möglich gewesen sei. Zu der einseitigen Leihfristverlängerung sei die Beklagte berechtigt gewesen; § 5 Abs. 1 Satz 2 StBS sehe in besonderen Fällen die Festsetzung einer gesonderten Ausleihfrist vor. Die Verlängerung greife nicht in Rechte des Klägers ein; mit ihr gehe keine Aufbewahrungspflicht einher, da sie den Entleiher nicht hindere, die entliehenen Medien jederzeit vor Ablauf der Ausleihfrist zurückzugeben; sie eröffne ihm nur die Möglichkeit, die entliehenen Gegenstände länger zu behalten. Die Rückgabe der Medien sei allein wegen der Schließung der Bibliothek nicht möglich gewesen. Die Verlängerung der Ausleihfrist habe nicht zur Festsetzung der Versäumnisgebühren geführt, sondern gerade das Anfallen von Versäumnisgebühren bis zum 2. Juni 2020 verhindert. Die Beklagte habe wegen der Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung der Pandemie und der staatlichen Maßnahmen im Frühjahr und Sommer 2020 über eine Wiedereröffnung der Bibliothek und über das Ende der verlängerten Ausleihfrist angemessen und rechtzeitig informieren müssen. Den Entleiher treffe grundsätzlich die Obliegenheit, das Leihfristende im Auge zu behalten. Davon erfasst werde hier die Obliegenheit des Klägers, die zur Verfügung gestellten Informationen abzurufen, um seiner Rückgabepflicht rechtzeitig nachkommen zu können. Die Beklagte sei ihrer Informationspflicht nachgekommen, indem sie auf der Homepage der Bibliothek über die Schließung der Bibliothek und die Verlängerung der Ausleihfrist sowie über das Leihfristende informiert habe; die Informationen seien regelmäßig aktualisiert worden. Auch über das digitale persönliche Nutzerkonto habe jeder Benutzer das Ende der Ausleihfrist seiner Medien nachprüfen können. Die Beklagte habe dadurch die notwendigen Informationen in geeigneter, leicht zugänglicher Form für die Allgemeinheit und die Benutzer verfügbar gemacht. Es sei für den Kläger persönlich auch zumutbar gewesen, die angebotenen Informationskanäle zu nutzen. Er habe lediglich vorgetragen, dass er sich nicht digital informiert und dies auch nicht gewollt habe. Gründe hierfür habe er nicht substantiiert vorgetragen und hätten sich für das Gericht auch nicht aus den Umständen ergeben (beispielsweise mangelnde Erfahrung oder Befähigung mit digitalen Medien). Der Kläger habe auch nicht versucht, auf anderem Wege an die Informationen zu gelangen, z.B. indem er die Beklagte telefonisch, schriftlich oder per E-Mail kontaktiert hätte. Die Bibliothek sei andererseits nicht verpflichtet gewesen, den Aufwand zu betreiben, jeden einzelnen Benutzer schriftlich über das Leihfristende zu informieren. Zwischen der Wiedereröffnung einer Rückgabemöglichkeit und dem Ablauf der verlängerten Ausleihfrist habe eine angemessene Zeitspanne gelegen. Die Rückgabe der Medien sei bereits ab 4. Mai 2020 über die 24-Stunden-Rückgabe möglich gewesen. Die Ausleihfrist habe am 2. Juni 2020 geendet. Der Kläger habe demnach einen knappen Monat Zeit gehabt, die ausgeliehenen Medien innerhalb der Ausleihfrist zurückzugeben. Es sei ihm auch möglich und zumutbar gewesen, innerhalb dieses Zeitraums Kenntnis von der Rückgabemöglichkeit und dem Leihfristende zu erlangen und die Medien tatsächlich zurückzubringen. Zwar könne von einem Entleiher nicht verlangt werden, täglich die Homepage der Bibliothek aufzurufen oder sich vor Ort zu informieren. Es sei aber grundsätzlich zumutbar, etwa einmal pro Monat die zur Verfügung gestellten Informationen abzurufen, zumal für die entliehenen Medien weiterhin eine Rückgabepflicht bestanden habe. Zu erwähnen sei, dass im Mai 2020 erstmals die Infektionsschutzmaßnahmen gelockert worden seien und in ganz Bayern Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen ab dem 11. Mai 2020 wieder hätten öffnen dürfen. Der Öffnung der Bibliothek sei also ein medienpräsentes Geschehen vorausgegangen, das als zusätzlicher Hinweis, sich über die Rückgabemöglichkeiten bzw. das Leihfristende zu informieren, hätte dienen können. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass ihm die Rückgabe der Bücher oder eine Verlängerung der Ausleihfrist tatsächlich nicht möglich gewesen wäre (z.B. wegen eines Auslandaufenthalts). Die Bearbeitungsgebühr in Höhe von 5 Euro für die zweite Erinnerung beruhe auf § 7 Abs. 1 StBGebS. Die Bearbeitungsgebühr für die Adressermittlung in Höhe von 5 Euro nach 7 Abs. 2 StBGebS sei ebenfalls rechtmäßig, da der Kläger seine letzte Adressänderung unstreitig nicht mitgeteilt habe. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung. Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II. 1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
aa) Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht gehe offenbar davon aus, dass die Beklagte mit der Festsetzung der neuen Ausleihfrist einen Verwaltungsakt ohne Bekanntgabe wirksam erlassen könne. Eine Bekanntgabe über das Benutzerportal oder über die Internetseite der Beklagten sei auch nach Art. 6 BayEGovG nicht möglich. Bei elektronischer Bekanntgabe müsse zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme bestehen. Nichts anderes gelte, wenn man die Verlängerung der Ausleihfrist als Allgemeinverfügung verstehe. Zweifelhaft sei bereits der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, dass jeder Nutzer der Stadtbibliothek Zugang zum Internet habe. Auch die Voraussetzungen einer öffentlichen Bekanntgabe nach Art. 41 Abs. 3 BayVwVfG seien nicht erfüllt. Mangels Wirksamkeit der neuen Ausleihfrist habe keine Säumnis eintreten können. Auch mit der 1. Medienerinnerung habe gegenüber dem Kläger keine neue Ausleihfrist festgesetzt werden können, da die Rückgabe der Medien bereits zuvor erfolgt sei. Gebührenpflichtig sei zudem erst die 2. Medienerinnerung; eine erste habe aber das Gericht nicht feststellen können. Da dem Kläger die Medien mit der Schließung der Bibliothek aufgedrängt worden seien, liege mangels eigenen Willensentschlusses schon keine Benutzung im Sinne des Art. 8 Abs. 4 KAG vor. Jedenfalls könne der Gebührenmaßstab auf eine solche aufgedrängte Verwahrung nicht übertragen werden. Das Urteil sei auch in sich widersprüchlich, weil das Gericht einerseits davon ausgehe, dass ein Monat für die Rückgabe der Medien genüge, andererseits jedoch einräume, dass dem Kläger nur einmal im Monat eine Überprüfung der Rückgabemöglichkeit zumutbar sei; diese Frist sei bereits dann versäumt, wenn die Überprüfung auf den 3. Mai und den 3. Juni falle. Widersprüchlich sei auch, dass das Gericht die Zumutbarkeit der Kenntnisnahme an das „medienwirksame“ Ereignis der Zulässigkeit einer Wiedereröffnung knüpfe, die aus seiner Sicht angemessene Frist jedoch mit der Öffnung des Rückgabeautomaten beginnen lasse. Die Festsetzung der neuen Ausleihfrist greife offensichtlich in Rechte des Klägers ein, nachdem die Rückgabe zur ursprünglichen Ausleihfrist unmöglich gewesen sei und die Beklagte damit die Medien nur noch auf Grund ihres Eigentums habe herausverlangen können. Aus einer Obliegenheit lasse sich keine Verwaltungsaktsbefugnis und keine öffentlich-rechtliche Rückgabepflicht ableiten. Das Gericht habe zwar festgestellt, dass die Beklagte zur Information über die Wiedereröffnung der Bibliothek verpflichtet gewesen sei, nicht aber, dass dies tatsächlich geschehen sei.
bb) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zu wecken. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass zum Zeitpunkt der Rückgabe der entliehenen Medien durch den Kläger am 28. Juni 2020 die Ausleihfrist bereits seit mehr als drei Wochen abgelaufen war und daher Versäumnisgebühren gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 StBGebS sowie Gebühren für die 2. Medienerinnerung gemäß § 7 Abs. 1 StBGebS verlangt werden konnten.
(1) Bücher und andere Medien werden nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StBS von der Stadtbibliothek der Beklagten grundsätzlich nur für einen Zeitraum von bis zur vier Wochen zur privaten Nutzung ausgeliehen; in besonderen Fällen kann die Ausleihfrist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 StBS gesondert festgesetzt werden. Da der Kläger die fünf Medien am 14. März 2020 ausgeliehen hatte, endete die reguläre Rückgabefrist für ihn am 11. April 2020; im Normalfall hätte somit schon ab dem 12. April 2020 für jedes entliehene Medium pro angefangener Versäumniswoche gemäß § 6 Abs. 1 StBGebS eine Versäumnisgebühr von 2 Euro erhoben werden können. Wegen der zwangsweisen Schließung der Bibliothek aufgrund von § 2 BayIfSMV ab dem 31. März 2020 konnten die betreffenden Medien allerdings ab diesem Zeitpunkt mangels einer empfangsbereiten Stelle nicht mehr fristgerecht zurückgegeben werden. Wie sich dieser unvorhergesehene Umstand auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus den bestehenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnissen auswirkte, ließ sich mangels einer satzungsrechtlichen Regelung nur anhand der für Schuldverhältnisse geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätze bestimmen, wie sie in den §§ 275 ff. BGB normiert sind (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – BayVBl. 2013, 473 Rn. 12 ff.; BGH, U.v. 8.3.2007 – III ZR 55/06 – NVwZ 2007, 1221 Rn. 9 m.w.N.; Geis, NVwZ 2002, 385/390; Riehm in Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BGB, Stand 1.4.2021, § 275 Rn. 55.2). Danach war das von keinem der Beteiligten zu vertretende Erfüllungshindernis als eine bloß vorübergehende Störung anzusehen, weil – auch angesichts der kurzen Geltungsdauer der entsprechenden Verordnungen – von Beginn an absehbar war, dass die pandemiebedingte Sonderregelung lediglich für einen begrenzten Zeitraum gelten würde (vgl. allgemein Riehm, a.a.O., Rn. 207 ff. m.w.N.) Die nur zeitweilige Unmöglichkeit der Rückgabe, die mit der Wiederinbetriebnahme des Rückgabeautomaten am 4. Mai 2020 endete, führte daher entgegen der Vorstellung des Klägers weder zum Erlöschen des der Gebührenerhebung nach Art. 8 KAG zugrunde liegenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses noch zu einer dauerhaften Entbindung von der in § 5 Abs. 2 StBS normierten Rückgabepflicht, sondern allein dazu, dass diese Pflicht erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Wegfall des Hindernisses erfüllt werden musste (vgl. Riehm, a.a.O., Rn. 207).
(2) Mit der Entscheidung der Beklagten, die Entleihfrist für alle vor der Schließung ausgeliehenen und noch nicht zurückgegebenen Medien bis zum 2. Juni 2020 zu verlängern, wurde den Entleihern ein Zeitraum von mehr als vier Wochen ab Wiederinbetriebnahme des Rückgabeautomaten bzw. von mehr als zwei Wochen ab Wiedereröffnung der Bibliothek eingeräumt, um ihrer fortbestehenden Rückgabeverpflichtung nachzukommen. Ob diese generelle Kulanzregelung, die nur formlos auf der Homepage der Einrichtung bekanntgegeben wurde, auch rechtliche Außenwirkung als eine auf § 5 Satz 2 StBS gestützte Allgemeinverfügung (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG) entfalten konnte, bedarf hier entgegen dem Vortrag des Klägers keiner weiteren Prüfung. Ihre verwaltungsinterne Beachtung durch die zuständigen Dienststellen der Beklagten hatte jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht zur Folge, dass von den betroffenen Bibliotheksnutzern Verspätungsgebühren erst bei einer nach dem 2. Juni 2020 erfolgten Rückgabe gefordert wurden. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hätte aber jedem, der noch entliehene Medien aus der Zeit vor der Schließung am 31. März 2020 besaß, aus allgemein zugänglichen Quellen bekannt sein müssen, dass die Erfüllung der zeitweise suspendierten Rückgabepflicht bereits seit mehr als vier Wochen wieder möglich war. Die Beklagte ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, ihrer Informationspflicht hinsichtlich der schrittweisen Wiedereröffnung der Bibliothek jeweils aktuell und in hinreichender Form nachgekommen, indem sie auf die generelle Verlängerung der Leihfrist und das daraus folgende Leihfristende am 2. Juni 2020 hingewiesen hat. Sie musste diese Regelungen unter den gegebenen Umständen nicht jedem betroffenen Entleiher individuell mitteilen, sondern konnte sich darauf beschränken, die seit dem 4. bzw. 19. Mai 2020 bestehenden Rückgabemöglichkeiten auf ihrer Homepage bekanntzumachen und auf Anfrage auch persönlich, telefonisch oder per E-Mail entsprechende Auskunft zu erteilen. Die Besitzer der vor dem 31. März 2020 entliehenen Medien hatten, nachdem sie an einer fristgerechten Rückgabe durch die staatlich verordnete Betriebsuntersagung zunächst gehindert worden waren, keinen Anlass anzunehmen, dass die Stadtbibliothek der Beklagten auf unabsehbare Zeit und unabhängig von der weiteren Entwicklung der landesweit geltenden Corona-Maßnahmen geschlossen bleiben würde. Spätestens nach Bekanntwerden der von der Bayerischen Staatsregierung am 5. Mai 2020 beschlossenen umfassenden Lockerungen, über die in den Medien ausführlich berichtet wurde, mussten sie auch konkret mit der Möglichkeit rechnen, dass es für den Betrieb der Bibliotheken relevante Änderungen gegeben haben könnte. Es gehörte daher in der damaligen Sondersituation zu ihren aus dem Benutzungsverhältnis folgenden Obliegenheiten, sich aktiv um die nötigen Informationen zu bemühen, um der weiterhin bestehenden Rückgabeverpflichtung nachkommen zu können. Auch für den Kläger, der sich später mehrfach per E-Mail an die Beklagte gewandt hat, wäre es ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen, sich auf diesem oder einem anderen Weg Klarheit zu verschaffen. Dass er gehindert gewesen wäre, von den bestehenden Informationsquellen Gebrauch zu machen, hat er auch im Zulassungsverfahren nicht vorgetragen. Mit dem – in der Fristverlängerung liegenden – Verzicht auf die Erhebung von Versäumnisgebühren bei einer Rückgabe bis zum 2. Juni 2020 hat die Beklagte den betroffenen Entleihern eine hinreichend lange Zeitspanne eingeräumt, um sich über die Wiederaufnahme des Betriebs der Bibliothek informieren und die entliehenen Medien zurückgeben zu können. Da die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in der damaligen Pandemiephase in sehr kurzen Abständen neu erlassen wurde (Verordnungen vom 27.3., 16.4., 1.5. und 5.5.2020) und sich der rechtlichen Rahmen für den Betrieb öffentlicher Einrichtungen somit fortlaufend änderte, war es den Benutzern der Stadtbibliothek von Anfang an zumutbar, sich nach den Möglichkeiten einer Rückgabe zumindest alle vier Wochen zu erkundigen; dies entsprach auch der Länge der regulären Leihfrist. Auf einen solchen regelmäßigen Turnus – und nicht auf den jeweiligen Kalendermonat – zielt das Verwaltungsgericht mit seiner Aussage, ein Abruf der zur Verfügung gestellten Informationen habe „etwa einmal pro Monat“ verlangt werden können. Es hat danach den 30-tägigen Zeitraum zwischen der Wiederinbetriebnahme des Rückgabeautomaten am 4. Mai 2020 und dem Ende der verlängerten Ausleihfrist am 2. Juni 2020 zu Recht als in jedem Falle ausreichend angesehen, um sich über die jeweils aktuellen Verhältnisse informieren zu können. Entgegen dem Vorbringen des Klägers lag aus der Sicht des Gerichts in der Beendigung der generellen Betriebsuntersagung durch die 4. BayIfSMV zum 11. Mai 2020 auch kein für die Zumutbarkeit der Kenntnisnahme entscheidender Umstand, sondern lediglich ein zusätzlicher Hinweis auf die mittlerweile geänderten Verhältnisse.
(3) Die nicht erfolgte Rückgabe bis zum Stichtag 2. Juni 2020 durfte demnach den betreffenden Entleihern ungeachtet der zwischenzeitlichen Schließung als eine Überschreitung der Leihfrist zugerechnet werden, so dass die Erhebung der satzungsrechtlich vorgesehenen Versäumnisgebühren ab diesem Zeitpunkt gerechtfertigt war. Von einer Gebührenerhebung für eine „aufgedrängte Verwahrung“ konnte hierbei keine Rede sein, da der geltend gemachte Gebührenanspruch sich nicht auf den Zeitraum bezog, in dem die entliehenen Medien wegen der staatlich angeordneten Bibliotheksschließung nicht zurückgegeben werden konnten. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass für die mit Schreiben vom 31. August 2020 übermittelte zweite schriftliche Erinnerung (sog. 2. Medienerinnerung) die in der Gebührensatzung vorgesehene Bearbeitungsgebühr in Höhe von 5 Euro erhoben werden durfte. Dass an den Kläger zuvor eine – auf den 19. Juni 2020 – datierte 1. Medien-erinnerung versandt worden war, hat das Verwaltungsgericht im Tatbestand seines Urteils ausdrücklich festgestellt. Das genannte Schreiben ist dem Kläger auch tatsächlich zugegangen, wie sein in den Verwaltungsakten befindliches Protestschreiben an den Oberbürgermeister der Beklagten vom 4. Juli 2020 belegt.
b) Die Rechtssache weist nicht die als Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf. Der insoweit vom Kläger behauptete große Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils liegt schon in Anbetracht eines Umfangs der Entscheidungsgründe von nicht einmal viereinhalb Seiten eindeutig nicht vor. Auch der weiter angeführte Umstand, dass die Benutzungs- und Gebührensatzungen der Beklagten den vorliegenden Sachverhalt, insbesondere also die Folgen der staatlich angeordneten Schließung der Stadtbibliothek für das bestehende Leihverhältnis, nicht ausdrücklich geregelt haben, begründet allein noch keine besondere rechtliche Schwierigkeit der Verwaltungsstreitsache, da auf solche Störungen in öffentlich-rechtlichen Sonderrechtsbeziehungen nach ganz herrschender Auffassung die allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätze entsprechend anzuwenden sind.
c) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Das angegriffene Urteil weicht nicht in ergebnisrelevanter Weise von einer obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidung ab. Die vom Kläger insoweit zitierten Leitentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Dezember 2017 (Az. 6 B 43.17, BayVBl 2018, 493) und vom 22. Januar 2021 (6 C 26.19, BayVBl 2021, 671), in denen jeweils rechtliche Anforderungen an die Bekanntgabe von Verwaltungsakten behandelt werden, lassen sich auf die hier vorliegende Fallkonstellation, in der es um Informationspflichten und -obliegenheiten innerhalb eines bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnisses geht, nicht unmittelbar übertragen.
d) Für den vom Kläger behauptete Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) in Gestalt einer mangelnden Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist gleichfalls nichts ersichtlich. Auf gerichtliche Feststellungen zu der Frage, ob für die auf der Homepage bekanntgemachte Verlängerung der Ausleihfrist die in Art. 6 Abs. 4 BayEGovG genannten Voraussetzungen einer elektronischen Bekanntgabe von Verwaltungsakten vorlagen, kam es aus den oben genannten Gründen nicht an. Nicht entscheidungserheblich war auch die Frage, ob die Stadtbibliothek der Beklagten den Nutzern kostenfrei zur Verfügung steht, wie es das Verwaltungsgericht in einem Nebensatz angenommen hat. Ebenfalls keine Bedeutung für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Gebührenbescheids hatte die vom Verwaltungsgericht nicht weiter aufgeklärte Tatsache, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der 1. Medienerinnerung die vom Kläger ausgeliehenen Medien bereits (allerdings verspätet) zurückgegeben worden waren. Dass diese 1. Medienerinnerung tatsächlich existierte und auch zugegangen war, musste vom Verwaltungsgericht schon deshalb nicht weiter aufgeklärt werden, weil sich dies bereits aus dem oben genannten Schreiben des Klägers vom 4. Juli 2020 ergab.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
zur Druckversion